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# taz.de -- Erdgasförderung in Niedersachsen: Angst vor neuen Beben
> Auch mit der neuen Regierung wird es wohl in Niedersachsen kein Fracking
> mehr geben. Eine Initiative ist sich nicht ganz sicher, dass das so
> bleibt.
Bild: Nicht nur in Verden, an vielen Orten in Niedersachsen wurde und wird gege…
Bremen taz | Im Sommer hatte erst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder
(CSU) in der Süddeutschen Zeitung dem Land Niedersachsen vorgeschlagen, das
mit dem Fracking doch noch einmal zu überdenken. „Geht’s noch?!“, twitte…
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) daraufhin. Am Sonntag
dann sprach sich [1][FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner] dafür
aus, das Verbot der Methode aufzuheben.
Er sagte der Funke-Mediengruppe: „Wir haben in Deutschland erhebliche
Gasvorkommen, die gewonnen werden können, ohne das Trinkwasser zu
gefährden.“ Auch ökologisch sei Fracking verantwortbar – eher weniger,
darauf „aus ideologischen Festlegungen“ zu verzichten.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sieht das anders, die Förderung
sei in Deutschland aus gutem Grund verboten, ließ ihr Sprecher das
Redaktionsnetzwerk Deutschland wissen.
Grund für den Wirbel ist die aktuelle Energiekrise vor dem Hintergrund des
Angriffskrieges in der Ukraine. Ein Sprecher der Bundesregierung stellte
jedoch klar, dass sich die Regierung nicht mit Forderungen nach Fracking
befassen werde. Und auch mit der neuen rot-grünen Landesregierung wird es
Fracking wohl nicht geben.
Das Wort kommt im am Dienstag vorgestellten Koalitionsvertrag zwar gar
nicht vor. Dort steht aber, dass Erdöl- und Erdgasförderung „unter höchsten
Sicherheits-, Umwelt- und Gesundheitsstandards erfolgt“. Und in ihrem
Wahlprogramm hatten die Grünen Fracking komplett ausgeschlossen, die SPD
immerhin die Förderung aus unkonventionellen Lagerstätten.
## Konventionelles Fracking ist theoretisch noch legal
Niedersachsen hat von allen Bundesländern die meisten Erdgasreserven, von
[2][1961 bis 2011] wurden diese teils durch die umstrittene Methode
gefördert. [3][Mit Fracking] kann Erdgas aus Gestein gelöst werden. Dazu
werden Wasser, Sand und Chemikalien unter Druck kilometertief in die Erde
gepresst; das Gestein wird aufgesprengt, das Gas freigesetzt. Die Gefahren,
sagen Kritiker*innen: Erdbeben, austretende Chemikalien, verschmutztes
Trinkwasser.
2011 stoppten die Behörden die Genehmigungen von Fracking zunächst, 2017
dann kam ein neues Bundesgesetz. Verboten ist seitdem das sogenannte
unkonventionelle Fracking, also das Rauspressen des Gases aus dem Gestein,
in welchem es sich gebildet hat. Dazu zählt das Schiefergas.
Konventionelle Lagerstätten sind solche, in denen das Gas vor vielen Jahren
in ein Speichergestein gewandert ist, zum Beispiel Sandstein. Sie liegen
meist tiefer und damit weiter entfernt von Trinkwasserresevoirs. Hier zu
fördern, ist unter strengen Bedingungen theoretisch immer noch möglich.
Martin Busch hat aufgrund der aktuellen Debatte Sorge, dass Fracking in
seiner Region wieder eine Rolle spielen könnte. Busch ist Sprecher der
Bürgerinitiative gegen Gasbohren in Verden-Walle. Protest gab es in den
vergangenen Jahren an vielen Orten in Niedersachsen.
Die Sorge ist da – obwohl sich die Regierung in Niedersachsen und andere
gegen Fracking aussprechen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Politik
auch mal Kehrtwendungen hinlegt“, sagt Busch. Vor allem, wenn der Druck
steigt. „Ich persönlich finde: Lindner soll sich lieber mal um die
Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien kümmern. In der
Vergangenheit ist das viel zu sehr verschlampt worden.“
## Wintershall Dea will bis 2035 in Völkersen bleiben
Die Förderung im Erdgasfeld Völkersen bei Verden verlaufe dicht am
Trinkwasserschutzgebiet, sagt Busch. Auch die [4][Angst vor weiteren
Erdbeben] ist da, zudem die Frage, wie und ob das fürs Fracking benötigte
und hinterher vergiftete Wasser aufbereitet werden kann.
Busch und seine Initiative sind in Alarmbereitschaft. Aber es gibt auch
mittelfristige Sorgen: Der Konzern Wintershall Dea, der in Völkersen
fördert, will laut Busch noch bis 2035 bleiben. „Die Frage ist: Was
passiert danach? Kommt dann das Fracking? Und was passiert mit den dicht
gemachten Bohrlöchern?“ All das gehe in der aktuellen Debatte unter. Die
Angst vor dem kalten Winter überwiege.
Busch hat daher die [5][Erklärung „Fracking klar ablehnen“] mit
unterzeichnet, die Ende Oktober unter anderem die Deutsche Umwelthilfe
(DUH) veröffentlicht hat. Fünfzig Umweltverbände und Initiativen wenden
sich darin an Bundesministerien und Öffentlichkeit und fordern ein
„vollständiges und zeitunabhängiges Fracking-Verbot“. Mit Fracking könnte
die aktuelle Energiekrise nicht gelindert werden, vielmehr würden Klima,
Umwelt und Gesundheit der Menschen langfristig geschädigt.
DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner sagt in der Erklärung: „Es
würden Jahre vergehen, bis signifikante Mengen gefördert werden könnten.
Zudem wäre es eine absolute Fehlinvestition: Wir wollen bis 2045
Klimaneutralität erreichen.“ Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt ergänzt: „Der
Wasserverbrauch von Fracking ist enorm. Gerade nach einem erneuten
dramatischen Dürrejahr wie 2022 wäre es grotesk, diesen Aspekt zu
ignorieren.“
2 Nov 2022
## LINKS
[1] /Energiekrise/!5884875
[2] https://www.lbeg.niedersachsen.de/bergbau/genehmigungsverfahren/hydraulisch…
[3] /Trinkwassersorgen-in-Niedersachsen/!5463169
[4] /Erdgasfoerderung-in-Niedersachsen/!5649996
[5] /Offener-Brief-von-50-Organisationen/!5887288
## AUTOREN
Alina Götz
## TAGS
Fracking
Niedersachsen
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Erdgas
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Energieversorgung
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Erdbeben
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