# taz.de -- Gasbohrung in Niedersachsen geplant: Fossile Energie kommt zurück | |
> Im Heidekreis will Vermilion Energy Germany mögliche Gasvorkommen | |
> erkunden. Ein Aktionsbündnis warnt vor umweltschädlichem Fracking. | |
Bild: Das braucht es für eine Erkundungsbohrung: im Vordergrund ein Bohrkopf, … | |
OSNABRÜCK taz | Mahnwachen sind eine Herausforderung. Oft auch für | |
diejenigen, die sie abhalten. Das „Aktionsbündnis Gasbohren“ aus Bad | |
Fallingbostel kennt das gut. Letzten Mittwoch stand es mit einem | |
„Nein!“-Banner vor dem Kreishaus des niedersächsischen Landkreises | |
Heidekreis, bei klirrender Kälte. | |
Drinnen ging es um etwas, das gegen Kälte hilft: Erdgas. Eigentlich will | |
der Heidekreis zwar schon 2035 klimaneutral sein. Und die Resolution des | |
Kreistages, die Erkundung und Förderung von Gas- und Ölvorkommen | |
abzulehnen, ist noch nicht lange her. Aber die Angst vor leeren Speichern | |
führt zu energiepolitischen Backlashs. | |
In der Wärme des Kreishauses saß das Landesamt für Bergbau, Energie und | |
Geologie (LBEG) aus Hannover mit Vermilion Energy Germany zusammen, mit | |
BürgermeisterInnen, Land- und KreisrätInnen. Zwei neue Bohrungen soll es | |
geben, auch bei Kroge, an der Jahrzehnte alten Bohrstelle Wisselhorst Z1a. | |
Es geht um Vorkommen in bis zu 4.500 m Tiefe. Derzeit läuft die | |
Umweltverträglichkeits-Vorprüfung. | |
Die Förderung „möglicher Gasfunde“ würde nicht vor Ende 2024 geschehen, | |
teilt der Heidekreis anschließend mit. Vermilion rechne damit, bis zu | |
160.000 Haushalte versorgen zu können. Auf die größte Sorge des | |
Aktionsbündnisses geht der Landkreis nur am Rande ein: Fracking, heißt es, | |
sei „weder geplant noch beantragt“. | |
## Angst vorm Einknicken | |
Fracking belastet die Umwelt besonders massiv. Um das Gestein in der | |
Lagerstätte aufzubrechen, wird unter hohem Druck Wasser in den Boden | |
gepresst, versetzt mit Chemikalien. Erdbeben können entstehen. Das Wasser, | |
das aus der Tiefe wieder an die Oberfläche gelangt, kann Schwermetalle | |
enthalten und radioaktive Stoffe. Der Heidekreis erwähnt nach dem | |
Mittwochsgespräch nur das Wasser – vom Rest der Gefahren kein Wort. | |
Immerhin: [1][Der Koalitionsvertrag der neuen rot-grünen Landesregierung | |
schließt Fracking für Niedersachsen aus]: Es werde „abgelehnt und muss | |
verboten bleiben“. Aber die Angst, dass der Beschluss aufgeweicht werden | |
könnte, ist im Heidekreis groß. Schließlich gab es Fracking in | |
Niedersachsen schon, 50 Jahre lang, 350 mal, bis 2011. | |
Für das Aktionsbündnis ist klar: Es will keine neuen Gasbohrungen. Es gehe, | |
sagt sein Sprecher Hans-Heinrich von Hofe, „um unsere Gesundheit, um unsere | |
Umwelt und den Klimawandel“. Er fürchtet, dass jetzt plötzlich alle | |
einlenken könnten: „Wenn man jetzt schon bei den Genehmigungen für neue | |
Bohrungen einknickt, kann auch Fracking plötzlich wieder ein Thema sein.“ | |
Es gebe „eine Menge Ungereimtheiten“, sagt von Hofe der taz. „Förderung | |
geht da doch nur mit Fracking, sonst kommt da gar nicht genug hoch!“ | |
Ellen Gause, Sprecherin der Grünen in Walsrode, denkt ähnlich. „Vor nicht | |
allzu langer Zeit haben wir uns parteiübergreifend in den Kommunen und im | |
Kreistag des Heidekreises gegen das Fördern von Erdgas ausgesprochen“, sagt | |
sie der taz, „weil es [2][eine erhebliche Gefahr für unser Grundwasser | |
darstellt] und eine unnötige Belastung für die angrenzenden Ökosysteme und | |
damit für die Bürger“. An diesen Tatsachen habe sich nichts geändert. | |
Vermilion habe allerdings durch den Ukrainekrieg „in den Augen vieler | |
Menschen jetzt bessere Argumente“. Aber Gause will nicht zulassen, dass „in | |
dieser dichtbesiedelten Gegend unnötiger Schaden angerichtet und | |
gleichzeitig wieder in die falsche Richtung investiert“ wird. Außerdem löse | |
das Heidekreis-Gas die aktuellen Energieprobleme nicht: „Bis das Gas | |
fließt, vergehen Jahre.“ | |
Dass die Kreisverwaltung im Anschluss an das Gespräch im Kreishaus | |
mitteilt, sie „begrüße“ die Absicht von Vermilion, die Öffentlichkeit | |
Anfang 2023 über die geplanten Bohrungen „zu informieren“, macht Gause | |
skeptisch: „Es ist bedenklich, dass man Vermilion die Information überlässt | |
und keine unabhängige Expertise einholt.“ | |
Derweil wird aus den Erdgasfeldern im Heidekreis weitergefördert. 2021 | |
waren es knapp 234 Millionen Kubikmeter Rohgas. 5,4 Milliarden waren es in | |
ganz Niedersachsen, so das LBEG. Aber der Widerstand gegen das fossile | |
Denken ist groß. Eine [3][Online-Petition des Aktionsbündnisses kam auf | |
16.000 Unterschriften]. | |
[4][Die Verantwortung, der Erderwärmung entschlossen entgegenzutreten] | |
erfordere es, „möglichst umgehend aus fossilen Energieträgern | |
auszusteigen“, sagt Heidekreis-Landrat Jens Grote (parteilos) der taz. Aber | |
es gelte, Versorgungssicherheit zu schaffen. Diese gewährleiste „auch | |
unseren Wohlstand, der wiederum Grundlage für ein Gelingen der Energiewende | |
ist“. Die Förderung von Gas sei deshalb vorübergehend noch erforderlich. Es | |
solle versucht werden, aus der Not eine Tugend zu machen und Bohrlöcher im | |
Anschluss an die Gasförderung für Geothermieprojekte zu nutzen. | |
Vermilion, von der taz um Kommentierung gebeten, zu Fördermengen, zum | |
Fracking, schweigt. | |
20 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Erdgasfoerderung-in-Niedersachsen/!5888809 | |
[2] /Gasfoerderung/!5033593 | |
[3] https://gasbohrung-nein.de/im-aktionsbuendnis-gegen-gasbohren-keimt-hoffnun… | |
[4] /Umwelthilfe-verklagt-Niedersachsen/!5818916 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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