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# taz.de -- Entscheidung des Dienstgerichts Berlin: AfD-Richterin darf weiter u…
> Birgit Malsack-Winkemann (AfD), einst Abgeordnete, darf als Richterin
> arbeiten. Das Land scheitert, sie in den Ruhestand zu versetzen.​ ​
Bild: Birgit Malsack-Winkemann, Richterin und AfD-Mitglied, neben ihrem Anwalt
Berlin taz | Die einstige AfD-Bundestagsabgeordnete [1][Birgit
Malsack-Winkemann] darf weiter als Richterin arbeiten. Das Berliner
Dienstgericht hat am Donnerstag einen Antrag des Landes Berlin verworfen,
sie vorzeitig in den Ruhestand zu versetzen. Eine Berufung gegen das Urteil
ist möglich.
Die Berliner Justizbehörde als oberster Dienstherr hatte zur Begründung der
vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand Bundestagsreden, Tweets und Fotos
von Malsack-Winkemann herangezogen, auf denen sie zusammen mit
rechtsextremen Flügel-Vertretern posiert. Doch zur Urteilsbegründung nach
einstündiger Beratungszeit und anderthalbstündiger Verhandlung erklärte der
Vorsitzende Richter des Dienstgerichts, Jens Tegtmeier, dass bei der
weiteren Beschäftigung von Malsack-Winkemann keine „schwerwiegende
Beeinträchtigung der Rechtspflege“ festzustellen sei.
Unberücksichtigt bei dem Urteil blieben Malsack-Winkemanns rassistische
Reden im Bundestag, in denen sie unter anderem eine Verbindung zwischen
Migrant*innen und Krankheiten hergestellt hatte. Die Äußerungen im
Bundestag unterliegen laut Urteil des Gerichts eindeutig der Immunität.
Äußerungen von Abgeordneten dürften nicht dienstlich oder gerichtlich
verfolgt werden, solange es keine verleumderischen Behauptungen seien, wie
es in der mündlichen Urteilsbegründung hieß. Die Redefreiheit müsse vom
Parlamentariern ohne Angst durch Sanktionierung von staatlichen Stellen
ausgeübt werden können. Malsack-Winkemann wirkte nach dem Urteil deutlich
erleichtert, wollte sich jedoch nicht äußern.
Das Land trägt die Kosten des Verfahrens. Dessen Streitwert legte das
Dienstgericht auf ein Jahresgehalt der Richterin fest: 86.708 Euro. Daraus
ergeben sich anwaltliche Kosten in Höhe von etwa 3.000 Euro, wie ein
Gerichtssprecher mitteilte.
Die Verhandlung vor dem Dienstgericht hatte auch AfD-Prominenz angezogen.
Stephan Brandner, stellvertretender Bundesvorsitzender und
Bundestagsabgeordneter aus der extrem rechten AfD Thüringen, klopfte Birgit
Malsack-Winkemann in der Pause vor der Urteilsverkündung auf die Schulter
und sagte: „Wacker geschlagen“. Auch AfD-Vorstandsmitglied Roman Reusch war
vor Ort.
## Eine Bühne für die AfD
Brandner war natürlich auch gekommen, um das Verfahren propagandistisch
auszuschlachten. So trat er schon vor dem Urteil vor die Kamera des RBB und
sprach davon, dass die Vorwürfe an den Haaren herbei gezogen seien; es
könne nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür geben, dass Malsack-Winkemann
in Urteilen sich nicht neutral etwa gegenüber Menschen mit familiärer
Migrationsgeschichte oder Nicht-Deutschen verhalten könnte.
Man könnte aufgrund ihrer Bundestagsreden durchaus der gegenteiligen
Auffassung sein: Die waren scharf und rassistisch, ebenso wie ihre
Auftritte bei Parteitagen. Die rechtliche Bewertung sei allerdings deutlich
komplizierter, wie das Gericht mit Blick auf die Immunität von Abgeordneten
ausführte, die sich aus dem Artikel 46 des Grundgesetzes ergibt. So seien
die Vielzahl von Äußerungen Malsack-Winkemanns aus dem Bundestag bei der
Bewertung durch das Dienstgericht nicht verwertbar.
Malsack-Winkemann sagte auch deswegen mit Blick auf Äußerungen außerhalb
des Bundestags, dass sie nur während ihrer Abgeordnetenzeit bei der
„politischen Willensbildung“ mitgewirkt habe: „Davor und danach habe ich
absolut wieder Abstand genommen.“ Und tatsächlich sind seit ihrer
Mandatsniederlegung keine polarisierenden öffentlichen Äußerungen mehr
bekannt.
Es könne nicht sein, dass sich Angestellte des öffentlichen Dienstes wie
Richter*innen oder Behördenmitarbeiter*innen bei ihrer
Mandatsausübung zurücknehmen müssten, argumentierte Malsack-Winkemann, die
von Anwalt Jochen Lober vertreten wurde. Sonst habe man ja eine Schere im
Kopf und müsse sich fragen, „was man eigentlich noch sagen dürfe“, so
Winkemann.
## Die Immunität gilt uneingeschränkt
Der Vorsitzende Richter Tegtmeier sah es ähnlich. Jeder könne die Reden in
den Plenarprotokollen lesen und bewerten – aber sie seien „rechtlich in
diesem Rahmen unverwertbar“, so der Richter. Der Artikel 46 Grundgesetz
gelte uneingeschränkt.
Die Justizverwaltung von Senatorin Lena Kreck (Linkspartei) hatte
argumentiert, dass der Artikel 46 nicht uneingeschränkt gelten könne, weil
andere Grundsätze der Verfassung berührt seien. Zu berücksichtigen seien
etwa die Grundrechte von Rechtsschutzsuchenden. Man könne sich
beispielsweise im Bundestag nicht gegen Religionsfreiheit einsetzen und
danach ganz normal auf die Richterbank zurückkehren, argumentierte die
Vertreterin der Behörde. Das stehe im Konflikt mit dem Gebot an alle
Beamt*innen, sich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung
einzusetzen.
Das Land Berlin begründete den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand
damit, dass Malsack-Winkemann „sich während ihres Bundestagsmandats in
Plenardebatten und über Social-Media-Plattformen in ausgrenzender Weise und
mit konstruierten, offensichtlich falschen Behauptungen zu Flüchtlingen
geäußert“ habe. Weil das auch in der Öffentlichkeit als Sympathie für
rassistisch-diskriminierende Konzepte wahrgenommen würde, könne sie nicht
mehr glaubwürdig Recht sprechen.
Das Gericht bejahte zwar, dass außerparlamentarische Äußerungen verwertet
werden dürften. Es sah jedoch in von der Behörde vorgelegten
Social-Media-Beiträgen „nicht im Ansatz“ einen Anlass, Malsack-Winkemann
aus dem Dienst zu entfernen. Ebenso reiche dafür nicht die bloße
Mitgliedschaft in der als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuften AfD.
## Berlin soll Richteranklage ermöglichen
In anderen Bundesländern gibt es das Instrument der Richteranklage, die ein
Parlament bemühen kann, [2][um vom Bundesverfassungsgericht feststellen zu
lassen, dass Richter*innen ungeeignet sind]. In Berlin fehlt eine
entsprechende Regelung; auch wegen des Falls von Malsack-Winkemann kam die
Diskussion auf, das Instrument nun in Berlin einzuführen. Dies forderte
etwa Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion.
In einem ähnlich gelagerten Fall – der allerdings politisch weniger
strittig ist – um den klaren Rechtsextremisten und AfD-Richter Jens Maier
gab es im März bereits ein Eil-Urteil. Hier hatte das sächsische
Dienstgericht in einem Eilantrag Maier im März in den Ruhestand versetzt,
parallel [3][läuft seitens des Landgerichts Dresdens ein
Disziplinarverfahren gegen Maier].
Auch Maier war wieder nicht in den Bundestag gewählt worden und hatte seine
Rückkehr in die Justiz beantragt. Er hatte sich im Vergleich zu
Malsack-Winkemann allerdings deutlich extremer geäußert und sich selbst
etwa als „kleiner Höcke“ bezeichnet und von „Mischvölkern“ und „Sch…
geredet. Eine Verhandlung in der Sache Maier ist für den 1. Dezember
angesetzt.
Der Staatsrechtler Andreas Fischer-Lescano, der für die Entfernung beider
AfD-Richter*innen argumentiert hatte, kritisierte das Urteil des Berliner
Dienstgerichts scharf: Es sei zwar richtig, dass Aussagen aus dem Bundestag
nicht verwertet werden könnten; das Urteil sei aber „in Gänze unrichtig“.
Er ist der Überzeugung, dass Malsack-Winkemann sehr wohl ihre rechtsextreme
Gesinnung durch ihre Beiträge auf Social Media und andernorts zum Ausdruck
gebracht habe.
„Was soll eine Funktionärin einer rechtsextremen Partei denn bitte sonst
für eine Gesinnung haben?“, fragte Fischer-Lescano. Malsack-Winkemann sei
insofern „kein ‚milder Fall‘ einer rechtsextremen Richterin, sondern eine
Person, die sich rechtsextrem geäußert und betätigt hat“. Sie dürfe als
Mandatsträgerin der AfD keine Richterin sein. Fischer-Lescano sagte: „Der
Justizsenatorin ist zu raten, Rechtsmittel einzulegen und zudem dringlichst
auch disziplinarrechtliche Schritte, die zur Entfernung der Richterin aus
dem Beamtenverhältnis und zum Verlust des Ruhegehalts führen müssen.“
13 Oct 2022
## LINKS
[1] /Berliner-AfD-Richterin-zurueck-im-Amt/!5840413
[2] /Rechtsextremer-AfD-Richter-Jens-Maier/!5834420
[3] https://www.lto.de/recht/justiz/j/dienstgericht-lg-leipzig-66dg222-verhandl…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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