# taz.de -- AfD-Richter Jens Maier: „Kleiner Höcke“ arbeitslos | |
> Das Dienstgericht Leipzig hat entschieden: Der als rechtsextrem | |
> eingestufte frühere AfD-Richter Jens Maier muss in den vorzeitigen | |
> Ruhestand. | |
Bild: Darf nicht im Namen des Volkes urteilen: Jens Maier (rechts), neben Andre… | |
LEIPZIG taz | Hinterher wollte er alles nicht mehr gewesen sein, gesagt | |
oder gepostet haben: Jens Maier agierte jahrelang als einer der größten | |
Scharfmacher der AfD, hielt rechtsextremistische Reden im Bundestag und in | |
Bierhäusern, wollte politische Gegner entsorgen, verharmloste rechten | |
Terror und nannte sich selbst „kleiner Höcke“. Der 60-Jährige war Obmann | |
des Flügels, gilt dem Verfassungsschutz als Rechtsextremist. Am Donnerstag | |
in Leipzig hingegen erschien er nicht einmal persönlich zu seiner eigenen | |
Verhandlung am Dienstgericht, sondern ließ sich vertreten vom zeitweiligen | |
NSU-Anwalt Jochen Lober und ließ zahlreiche seiner Äußerungen verleugnen. | |
Am Ende half alles nichts. Das Richterdienstgericht entschied nach | |
mehrstündiger Verhandlung in Leipzig, dass Jens Maier nicht mehr Recht | |
sprechen darf. Das sächsische Justizministerium hat den AfD-Richter damit | |
erfolgreich in den Ruhestand versetzt. Eine Revision gegen das Urteil ist | |
zugelassen. Den Streitwert hat das Gericht auf 97.000 Euro festgelegt. Die | |
Kosten des Verfahrens muss Maier tragen. | |
## Seine Bezüge behält er | |
Das Gericht begründete das Urteil mit Maiers Tätigkeit als Obmann des | |
rechtsextremen AfD-Flügels sowie zahlreichen Äußerungen in | |
Social-Media-Beiträgen, während Wahlkampfauftritten und in Reden. Durch | |
eine Tätigkeit von Maier im Staatsdienst würde das Vertrauen der | |
Öffentlichkeit in die Justiz in hohem Maße Schaden nehmen. Eine Versetzung | |
in den Ruhestand sei geboten. Seine Bezüge behält Maier dabei. | |
In der Regel haben Beamte einen Anspruch auf Rückkehr in den Staatsdienst, | |
nachdem sie ein Mandat in Parlamenten wahrgenommen haben. Das für Beamte | |
geltende Mäßigungsgebot ruht während der Abgeordnetentätigkeit. Das | |
sächsische Justizministerium von Ministerin Katja Meier (Grüne) erkannte | |
den Rückkehranspruch Maiers 2022 zunächst an, um dann ein | |
Disziplinarverfahren gegen ihn anzustrengen und ihn nach seiner Rückkehr | |
auch infolge eines großen zivilgesellschaftlichen Aufschreis dann doch in | |
den vorzeitigen Ruhestand zu schicken. | |
Während der Hauptverhandlung im Leipziger Landgericht machte der | |
Vorsitzende Richter Hanns-Christian John klar: Für Äußerungen im Bundestag | |
oder dessen Ausschüssen bestehe Immunität, aber Maier müsse sich bei der | |
Rückkehr in den Staatsdienst auch Äußerungen anrechnen lassen, die er | |
außerhalb des Bundestags während seiner Abgeordnetenzeit getätigt hat, so | |
John: „Beamte im ruhenden Dienstverhältnis sind stärker aus ihren Pflichten | |
herausgelöst, aber sie sind nicht gänzlich daraus befreit.“ Sie müssten | |
nachweisen, jederzeit die Gewähr zu bieten, im Sinne des Grundgesetzes für | |
die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. | |
Genau das stellte das sächsische Justizministerium während der Verhandlung | |
im Fall Maier deutlich in Abrede mit einer umfangreichen Sammlung an | |
Zitaten, Social-Media-Posts, Videoaufnahmen von Wahlkampfauftritten und | |
Wirtshausreden. | |
Die Richter*innen hatten diese bereits im Vorfeld gesehen und | |
verzichteten in Absprache mit den Verfahrensbeteiligten auf eine Vorführung | |
im Saal, etwa der [1][berüchtigten Rede im Ballhaus Watzke], worin Maier in | |
Höcke-Manier eine Abkehr von der „Herstellung von Mischvölkern“ und vom | |
angeblichen „Schuldkult“ in Bezug auf die NS-Aufarbeitung forderte. | |
Das Gericht ging jeden vorgelegten Beleg durch: Social-Media-Beiträge, in | |
denen Maier kommentiert haben soll: „Wenn Angeklagte ‚AfD-Richter‘ | |
fürchten, haben wir alles richtig gemacht.“ Einen Tweet, in dem Maier eine | |
Kopftuch tragende Frau als „Schleyereule“ und „Gesindel“ bezeichnet hab… | |
soll. Oder Berichte über eine Compact-Veranstaltung, wo er Verständnis für | |
den norwegischen Massenmörder von Utøya geäußert haben soll. | |
## AfD-Politiker im Publikum | |
Zu der Verhandlungen waren auch einige AfD-Politiker gekommen. Als es um | |
einen Wahlkampf-Auftritt vor der Dresdener Frauenkirche ging, wo Maier von | |
„linker Schmarotzerideologie“ sprach, die auf den „Müllhaufen der | |
Geschichte“ gehöre und „Volksverräter“-Rufe provizierte, quittierte der | |
sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Roland Ulbrich, der zusammen mit | |
Siegbert Droese und weiteren AfD-Politikern im Gerichtssaal saßen, | |
kommentierte die Schilderung der „Volksverräter“-Rufen mit einem trockenem: | |
„Wahlkampf“. | |
Jochen Lober, der Verteidiger Maiers, behauptete, dass mittlerweile | |
gelöschte Tweets von Mitarbeitern gestammt hätten, dass einzelne Aussagen | |
aus dem Kontext gerissen worden oder gar nicht gefallen seien. In Summe | |
seien die vorgelegten Fakten des Justizministeriums „Beschmutzungsversuche“ | |
und eine „Sammlung von Phrasen, Unterstellungen und letztlich Erfindungen“, | |
von denen aus seiner Sicht nichts juristisch bestand habe. Auf den | |
antidemokratischen Subtext all der belegbaren Bemerkungen ging er nicht | |
ein. Auch von Reue keine Spur: „Mein Mandat hat sich nichts vorzuwerfen“, | |
sagte Lober im Abschlussplädoyer. | |
Das sächsische Justizministerium argumentierte, unabhängig davon, wie man | |
„Rechtsextremismus“ definierte, stünden die vorgebrachten Äußerungen im | |
Spannungsfeld mit dem Amt des Richters, wobei der öffentliche | |
Vertrauensverlust überwiege. Maier habe seine Haltung gegenüber Migranten, | |
Andersdenkenden, Religionen und Minderheiten gründlich dokumentiert. In | |
einem gerichtlichen Verfahren könne er daher nicht unparteilich neutral | |
sein und besäße nicht die für den Rechtsstaat erforderliche Integrität. | |
„Der Staat muss von seinen Repräsentanten geschützt und nicht bekämpft | |
werden“, sagte die Vertreterin der Antragsstellers. | |
## Verschärfung nach der „Causa Maier“? | |
Auch wegen der „Causa Maier“ drängt die sächsische Justiz derzeit auf | |
schärfere gesetzliche Regeln für den Fall, dass Rechtsextreme nach einer | |
Abgeordnetentätigkeit in den Staatsdienst zurückkehren wollen. Vor der | |
letzten Justizministerkonferenz plädierte Justizministerin Katja Meier | |
dafür, dass man die Bezüge kürzen könne, falls Dienstgeschäfte vorläufig | |
untersagt werden. Ebenso will sie Verjährungsfristen bei | |
disziplinarrechtlichen Verstößen verlängern. Darüber müsste letztlich der | |
Bundestag entscheiden. Der Rechtsstaat müsse grundsätzlich klären, [2][wie | |
mit Verfassungsfeinden umgegangen werde], die in „sensible Bereiche des | |
öffentlichen Dienstes“ zurückkehren wollten, begründete Meier. | |
Das Dienstgericht Berlin hatte in einem ähnlichen Fall entschieden, dass | |
die ehemalige [3][AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann] | |
wieder als Richterin arbeiten darf. Bei ihr gab es über ihre | |
AfD-Mitgliedschaft hinaus deutlich weniger außerparlamentarische Beleg für | |
eine verfassungsfeindliche Gesinnung. Ihre rassistischen Reden im Bundestag | |
durften laut Gericht aufgrund des Immunitätsschutzes nicht bei der | |
Bewertung einfließen. Die Berliner Justizbehörde prüft derzeit noch, ob sie | |
dagegen in Berufung geht. | |
Der Verfassungsrechtler Fischer-Lescarno [4][kritisierte das Berliner | |
Urteil deutlich] – sehr wohl sei Malsack-Winkemann eine „Nähe zu | |
verschwörungstheoretischen Kreisen mit rechtsextremen Hintergrund“ | |
nachzuweisen – schließlich sei sie Mitglied der AfD und habe als | |
Bundestagsabgeordnete und Richterin sogar im Vorfeld des Sturms auf die | |
Reichstagstreppen im August 2020 mit der Querdenken-Bewegung in Berlin | |
demonstriert. | |
1 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /AfD-Richter-in-Dresden/!5443301 | |
[2] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168688.jens-maier-striktere-regeln-gegen… | |
[3] /Entscheidung-des-Dienstgerichts-Berlin/!5884146 | |
[4] https://verfassungsblog.de/kein-ruhestand-fur-afd-richterin/ | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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