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# taz.de -- Berliner AfD-Richterin zurück im Amt: Im Namen des Volkes
> Das Ex-Bundestagsmitglied Malsack-Winkemann (AfD) wurde von der linken
> Justizverwaltung wieder als Richterin eingestellt. Daran gibt es Kritik.
Bild: Rechte Richterin ist wieder zurück im Amt: Birgit Malsack-Winkemann (AfD)
Berlin taz | Die ehemalige Berliner AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit
Malsack-Winkemann darf wieder Recht sprechen im Namen des Volkes. Laut
aktuellem Geschäftsverteilungsplan des [1][Landgerichts] ist die
Politikerin der als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuften AfD seit dem
14. März wieder als Richterin der Zivilkammer 19a tätig. Neben einer
Vorsitzenden Richterin und einer weiteren Kollegin ist sie dort für
Bausachen zuständig. Zuerst hatte das [2][Justizportal LTO darüber
berichtet].
Malsack-Winkemann war nach dem schlechten Ergebnis der AfD in Berlin bei
der Wahl 2021 nicht wieder in den Bundestag eingezogen. Als Beamtin hat sie
nach dem Abgeordnetengesetz einen Rückkehranspruch auf ihre alte oder eine
gleichwertige Tätigkeit – verschiedene Rechte und Pflichten ruhen während
ihrer Abgeordnetenzeit. Auf taz-Anfrage im Januar, ob sie eine Rückkehr
beabsichtige, reagierte die Politikerin der extrem rechten AfD nicht,
ebenso wenig wie auf eine aktuelle Anfrage.
Ähnlich bedeckt hielt sich bislang die in Berlin zuständige Justizsenatorin
Lena Kreck (Linke), nun oberste Dienstherrin von Malsack-Winkemann. Ihr
Haus hat offenbar versucht, die Wiedereinstellung möglichst geräuschlos
abzuwickeln. Auf eine taz-Anfrage von Anfang Januar hieß es von Sprecherin
Antje Dieterich noch am 11. Januar: „Zur Zeit liegen keine Anträge auf
Rückführung vor.“ Nun hieß es, der Antrag sei wenig später am 13. Januar
eingegangen. Eine Anfrage des Justizportals LTO von Ende Januar ließ die
Behörde mit dem Hinweis unbeantwortet, dass man sich zu
Einzelpersonalangelegenheiten nicht äußere.
Nach der jetzt erfolgten Wiedereinstellung von Malsack-Winkemann heißt es
aus der Justizverwaltung auf taz-Anfrage, dass diese einen Anspruch auf
Rückkehr habe. Man habe geprüft, ob Gründe für ein Disziplinarverfahren,
eine Versetzung und eine vorläufige Untersagung der Führung der
Amtsgeschäfte vorlägen. Dafür man habe Bundestagsreden und andere
öffentliche Reden dahingehend ausgewertet, „ob Malsack-Winkemann die
freiheitlich demokratische Grundordnung anerkenne oder fundamentale
Verfassungsprinzipien angreife“ – aber offenbar nichts Ausreichendes
gefunden. Sprecherin Dieterich sagte dennoch: „Wir behalten uns vor,
entsprechende Schritte zu gehen.“ Auch die kürzlich erfolgte Einstufung der
AfD als Verdachtsfall werde dabei in den Blick genommen.
## Auch Rechtsextremist Jens Maier wieder im Dienst
Ein ähnlicher, wenn auch extremerer Fall in Sachsen hatte kürzlich
bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Der vom Verfassungsschutz zweifelsfrei
als Rechtsextremist eingestufte Jens Maier, der sich selbst „kleiner Höcke“
nennt und zur völkischen Strömung der AfD gehört, war ebenfalls vor seinem
Bundestagsmandat Richter. Auch er kehrte am 14. März in den Justizdienst
zurück.
Die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) delegierte die
Verantwortung nach unten und strebte ein Disziplinarverfahren erst nach
dessen Wiedereinstellung am Landgericht an. Nach viel öffentlicher Empörung
wollte sie Maier sogar vorzeitig in den Ruhestand versetzen – „zur Abwehr
einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtspflege“, wie es hieß. Weil
das dortige Richterdienstgericht sich aber bei der Entscheidung darüber
Zeit lässt, ist Maier [3][mittlerweile wieder im Dienst].
Im Vergleich zum „kleinen Höcke“ mag Malsack-Winkemann einigen gemäßigt
erscheinen. Aber sie ist es eben nur im Vergleich zu einem dezidierten
völkischen Hardliner wie Maier: Hetze gegen Flüchtlinge gehört für
Malsack-Winkemann ebenso zum Standard-Repertoire wie [4][scharfe Reden auf
Parteitagen] und im Bundestag. Dort suggerierte sie etwa teils [5][mit
konstruierten Behauptungen], dass Flüchtlinge das Gesundheitssystem
übermäßig belasteten oder Krankheiten verbreiteten.
Auch demonstrierte sie bei der Querdenken-Kundgebung am 29. August 2020
mit, bei der [6][später die Reichstagstreppe gestürmt wurde].
Berührungsängste mit Völkischen in der AfD oder Putin-Freunden hat
Malsack-Winkemann auch nicht, wie [7][bierselige Selfies von ihr und ihrem
jetzigen Richter-Kollegen Jens Maier zeigen] sowie dem
AfD-Abgeordnetenhausmitglied und Putin-Freund Gunnar Lindemann.
Entsprechend sieht der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
die Rückkehr von Malsack-Winkemann mit Sorge. Lukas Theune vom RAV sagte
der taz: „Der Fall ist nicht zwar so eindeutig wie Jens Maier. Aber wir
finden es natürlich besorgniserregend, wenn Menschen wieder Richter werden,
die rassistische Positionen im Bundestag vertreten haben. Dennoch muss man
natürlich den Einzelfall prüfen.“
Aber auch ihm sei unklar, ob Malsack-Winkemanns Äußerungen für
disziplinarrechtliche Schritte reichten. Theune sagte: „Es hätte aber
geprüft werden müssen, ob es nicht möglicherweise eine andere Stelle gibt,
wo sie nicht so viel Verantwortung trägt – etwa im Justizsenat. Denn
natürlich bestehen Zweifel daran, ob sie unvoreingenommen ist.“
Theune plädierte dafür, bei der Einstellung in den Justiz-, aber auch etwa
den Polizeidienst stärker auf rechtsextremes Gedankengut zu achten: „Im
Bewerbungsverfahren könnte man einen Schwerpunkt darauf legen, zu
überprüfen, ob rechtsextremes Gedankengut vertreten wird.“ Regelabfragen
beim Verfassungsschutz lehnt der RAV hingegen ab: „Das ist nicht der
richtige Weg, der Verfassungsschutz hat immer wieder gezeigt, dass er
ungeeignet für die Bekämpfung von Rechtsextremismus ist, er macht es
meistens nur schlimmer.“
Der [8][Staatsrechtler Fischer-Lescano] wurde der taz gegenüber deutlicher:
„Auch wenn Malsack-Winkemanns Äußerungen nicht das Niveau von Maier haben,
ist es höchste Zeit, dass hier eine Disziplinarklage mit dem Ziel der
Entfernung aus dem Dienst eingeleitet wird. Das sollte die Senatorin
schleunigst tun.“ Kreck müsse sich fragen lassen, warum nicht schon längst
gehandelt worden sei, so Fischer-Lescano: „Gemäß gängiger Rechtsprechung
muss sich Malsack-Winkemann als aktiver Kader der AfD alles zurechnen
lassen, was seitens der AfD an Hetze gelaufen ist.“
In Sachsen wird im Fall Maier auch eine [9][Richteranklage diskutiert], wie
sie die dortige Landesverfassung vorsieht. Mit dem Instrument kann eine
Zwei-Drittel-Parlamentsmehrheit Zweifel an der Eignung eines Richters
aussprechen, über die dann das Bundesverfassungsgericht entscheiden muss –
in Berlin gibt es das nicht. Aus der Justizverwaltung hieß es nun auf
taz-Anfrage, dass man nun die „Debatte um eine mögliche Anpassung“ anstoß…
wolle.
25 Mar 2022
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/gerichte/landgericht/das-gericht/zustaendigkeiten/202…
[2] https://www.lto.de/recht/justiz/j/afd-richterin-rueckkehr-berlin-justiz-lan…
[3] /Rechtsextremer-spricht-wieder-Recht/!5841079
[4] /Archiv-Suche/!5386051&s=malsack+winkemann&SuchRahmen=Print/
[5] https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/05/22/wie-die-a…
[6] https://www.belltower.news/dokumentation-diese-afd-politikerinnen-feierten-…
[7] https://twitter.com/w_teupher/status/1506924298728054789
[8] /Staatsrechtler-ueber-AfD-Richter-Maier/!5828242
[9] https://www.lto.de/recht/justiz/j/neues-gutachten-moellers-richteranklage-j…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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