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# taz.de -- AfD-Delegation will in den Donbass reisen: Putins Helfer im Kriegsg…
> Abgeordnete der AfD wollen auf Einladung Russlands in die Ostukraine
> reisen. Der ukrainische Botschafter Melnyk ist empört, Teile der AfD
> ebenfalls.
Bild: Fährt nach Russland: Rechtsextremist und Putin-Propagandist Hans-Thomas …
Berlin taz | Während erneut Bilder [1][von Massengräbern] um die Welt gehen
und von russischen Kriegsverbrechen nach dem Überfall auf die Ukraine
zeugen, stützen Abgeordnete der extrem rechten AfD weiter Putins
Propaganda: Mehrere AfD-Abgeordnete sind derzeit offenbar unterwegs in
Russland, um von dort aus in russisch besetzte Gebiete im Donbass zu
reisen.
Einen entsprechenden [2][Bericht der geopolitischen
Nicht-Regierungsorganisation] „Robert Lansing Institute“ bestätigte am
späten Montagnachmittag der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete
Christian Blex (AfD) auf seinem Facebook- und seinem Telegram-Kanal. Ebenso
bestätigten der Co-Landeschef aus Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas
Tillschneider, sowie Daniel Wald, beide Landtagsabgeordnete in
Sachsen-Anhalt, annähernd zeitgleich die Reise. Anfragen der taz zu Details
ließen die Abgeordneten unbeantwortet.
Angesichts der jüngsten Berichte von [3][Massengräbern bei Isjum] besonders
perfide: Blex schreibt, die Abgeordneten wollten versuchen, sich „direkt
vor Ort ein konkretes Bild der humanitären Situation der Menschen in der
Donbass-Region zu machen“, und postete dazu eine Anstecknadel mit einer
deutschen und einer russischen Fahne. Die Reise findet offenkundig auf
freundliche Einladung von Russland statt. Denn bevor es in die Ukraine
gehen soll, werde er gemeinsam mit Tillschneider und Wald in die Russische
Föderation reisen, schreibt Blex weiter. Laut dem Bericht des „Robert
Lansing Institute“ soll die bevorstehende Reise gar unter der
Schirmherrschaft des russischen Militärgeheimdienstes stattfinden.
Tillschneider und Wald verschickten ihre Mitteilung zur Reise über die
AfD-Fraktion im Landtag und machten darin wie auch Blex Stimmung gegen
Medien hierzulande: „Um sich ein eigenes Bild der humanitären Lage zu
machen, jenseits der in Kritik stehenden Berichterstattung insbesondere des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, bereise die „länderübergreifende
Delegation“ in den nächsten Tagen Russland und plane auch einen Besuch in
der Ostukraine.
## Ablenkung von russischen Kriegsverbrechen
Nach Infos der NGO, die sich selbst als „eine überparteiliche,
gemeinnützige Forschungsorganisation für öffentliche Politik“ bezeichnet,
wollten die AfD-Politiker vom 20. bis zum 28. September Teile des russisch
besetzten Donbass besuchen – unter der Aufsicht und Koordination des
russischen Militärgeheimdienstes. Die Organisation berief sich auf Angaben
von Blex vom 12. September, die zunächst nicht verifizierbar waren. Demnach
sollte die Delegation ins russische Rostow am Don fliegen und von dort aus
in die besetzten Donbass-Gebiete reisen. Die NGO schätzt, dass der Besuch
russischen Propagandazwecken dienen soll – wohl auch, um von russischen
Kriegsverbrechen abzulenken und mit Desinformationen westliche
Militärhilfen zu erschweren.
Die mitreisenden AfD-Abgeordneten sind auch aus der Vergangenheit bekannt
für prorussische Positionen: Sie zählen zum extrem rechten Netzwerk um
Björn Höcke und haben sich auf dem vergangenen AfD-Bundesparteitag für eine
[4][russlandfreundliche Europa-Resolution] starkgemacht, über die sich der
Parteitag heftig zerstritten hatte. Auch Tillschneider fällt nicht erst
seit dem russischen Überfall auf die Ukraine anhaltend mit
putinfreundlichen Äußerungen auf. In der Nacht des Überfalls twitterte er
gar noch, [5][dass Russland sich nur verteidige].
Der noch bis Mitte Oktober im Amt befindliche ukrainische Botschafter
Andrij Melnyk hatte den Bericht der NGO bereits einige Stunden zuvor
geteilt und warf den Abgeordneten vor, mit der Reisen den russischen
Vernichtungskrieg zu unterstützen. Der scheidende Diplomat forderte ein
Einschreiten und machte das Bundesamt für Verfassungsschutz auf den
NGO-Bericht aufmerksam. Auf eine taz-Anfrage ans Innenministerium teilte
eine Sprecherin mit: „Der Sachverhalt ist dem Bundesministerium des Innern
bekannt.“ Auch beim Verfassungsschutz wollte man sich nicht näher dazu
äußern, nehme den Vorgang aber zur Kenntnis, wie es auf taz-Anfrage hieß.
Die AfD-Verbindungen nach Russland kritisierte Melnyk in gewohnt scharfem
Ton: So schrieb er dem sachsen-anhaltischen Landeschef Martin Reichardt:
„Sie und ihre AfD als fünfte Kolonne Putins in Deutschland befeuern mit
Ihrer Kreml-Propaganda die russische Aggression gegen das ukrainische Volk.
Sie sollen Ihre Kauleiste zumachen, Sie Kriegsverbrecher-Verharmloser“,
twitterte Melnyk, nachdem Reichardt ihn zuvor als „undankbarer Bettler“ in
der jüngsten Debatte um Waffenlieferungen bezeichnet hatte. Die
AfD-Delegation bezeichnete er als “AfD-Hobby-Putin-Arschlecker“, die als
willige Handlanger eines Kriegsverbrechers in die Geschichte eingehen
würden.
## Empörung auch innerhalb der AfD
Aber auch innerhalb der AfD sorgt die Reise für große Verwerfungen: Während
der Vorsitzende des Landesverbands Nordrhein-Westfalen, Martin Vincentz, am
Montagabend auf taz-Anfrage noch etwas überrumpelt mitteilen ließ, dass die
Reise „mit keinem Parteigremium abgesprochen“ und „privat“ sei, klingt …
nach einer Fraktionssitzung am Mittwoch bereits deutlicher: Einstimmig
missbilligt die AfD-Fraktion die Reise ihres Abgeordneten Blex. Sie habe
ihn aufgefordert, diese unverzüglich abzubrechen und zurückzukehren. Zudem
will sie ihm untersagen, im Namen der AfD-Landtagsfraktion
Nordrhein-Westfalen aufzutreten. Über disziplinarische Folgen soll noch
entschieden werden, heißt es.
Demgegenüber genießen Tillschneider und Wald offenbar Rückhalt in ihrer
Fraktion – schließlich veröffentlichten sie ihre Reisemitteilung über die
Fraktion. Tillschneider ist zudem Co-Fraktionschef.
Auch aus Parteikreisen waren Empörung sowie der Ruf nach
Disziplinarmaßnahmen zu hören. Die AfD-Bundetagsabgeordnete Joana Cotar
warf Tillschneider vor, von „allen guten Geistern verlassen“ zu sein. Am
Dienstagabend befasste sich zudem der Bundesvorstand mit der Reise. Dieser
war ebenso überrascht von der Aktion wie der Landesvorstand in
Nordrhein-Westfalen.
In seiner Sitzung beschloss der Vorstand allerdings nur einen recht
seichten Mehrheitsbeschluss zur Aufklärung. Darin forderte der Vorstand die
Reisegruppe auf, Details der Reise [6][„vollumfänglich offenzulegen“] und
die Kommunikation mit dem Vorstand abzustimmen. Dezidierte öffentliche
Kritik an der Reise gab es aus dem Vorstand der AfD allerdings zunächst
keine.
Parteichef Chrupalla sagte am Mittwoch lediglich: „Wir unterstützen diese
Reise nicht.“ Ob es Ordnungsmaßnahmen geben werde, ließ er offen. Und auch
die Co-Vorsitzende Alice Weidel wiegelte ab: „Grundsätzlich ist es jedem
freigestellt, sich vor Ort ein Bild zu machen.“ Es handele sich um eine
Privatreise, behauptete Weidel und nannte die Reise dennoch „nicht
zielführend“.
Es ist nicht das erste Mal, dass AfD-Abgeordnete versuchen, russische
Positionen und Propaganda zu legitimieren. In der Vergangenheit reisten
bereits verschiedene AfD-Politiker unter anderem auf die Krim, um dortige
Wahlen als Pseudo-Wahlbeobachter*innen zu bezeugen, teilweise offenbar
[7][durch den Kreml finanziert], juristisch problematisch ist. Möglich
erscheint auch, dass die Reise mit den [8][angekündigten Referenden im
Donbass] zusammenhängt. Blex etwa reiste bereits 2018 auf die von Russland
annektierte Krim.
Auch gaben [9][diverse AfD-Politiker] trotz Putins Angriffskrieg russischen
Staatsmedien wiederholt Interviews. In einem solchen behauptete der
Bundestagsabgeordnete Eugen Schmidt unter anderem, dass [10][Deutschland
ein Unrechtsstaat] sei.
Stefan Meister, Russlandexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige
Politik, wertet die Reise nicht nur als Attacke auf westliche Medien und
populistische Aktion für die Wählerklientel, sondern auch als Problem für
die Bundesregierung, wie er der taz sagte: „Die AfD macht sich zum
Unterstützer russischer Politik. In dieser Kriegssituation als Abgeordneter
in den Donbass zu reisen und damit auch politisch eine gemeinsame Reaktion
der Bundesregierung und der EU auf den Konflikt zu unterminieren, ist
problematisch.“
Die AfD unterstütze mit der Reise russische Desinformationen, indem sie
Zweifel an Darstellungen und Fakten schüre, so Meister. Darüber hinaus sei
die Einreise in die besetzten Gebiete in der Ukraine über Russland nach
ukrainischen wie internationalem Recht illegal. Mit viel Gegenwind
innerhalb der AfD rechne er dennoch nicht, sagt Meister. Schließlich seien
in der Vergangenheit die Verbreitung russischer Desinformationen sowie auch
Reisen [11][in Kriegsgebiete wie Armenien] oder [12][Syrien] weitgehend
toleriert worden.
Für Putin sind internationale Verbindungen insbesondere zu extrem rechten
bis rechtspopulistischen Strömungen und Parteien ein Mittel, um westliche
Demokratien zu untergraben, schätzen Expert*innen. Nicht wenige
AfD-Politiker wiederum sehen in Putins autoritären Russland unter Putin
einen Gegenentwurf für die von ihnen abgelehnte offene Gesellschaft im
Westen.
Auch die AfD-Parteivorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel besuchten
in der Vergangenheit Russland, Ersterer sogar wiederholt. Dort ließen sie
sich bisweilen wie bei einem Staatsbesuch hofieren. In der Energiekrise
setzt die AfD auch ganz offiziell auf putinfreundliche Forderungen, wie
etwa das Ende der Sanktionen gegen Russland und die Öffnung der
Ostseepipeline Nord Stream 2.
Hinweis: Der Text wurde mehrfach aktualisiert.
20 Sep 2022
## LINKS
[1] /Mutmassliche-Kriegsverbrechen/!5882057
[2] https://lansinginstitute.org/2022/09/16/russia-prepares-for-fake-news-campa…
[3] /Massengraeber-in-Isjum/!5879394
[4] /Rechtsextremist-in-der-AfD/!5862822
[5] /Die-AfD-und-der-Krieg-in-der-Ukraine/!5844230
[6] https://www.nzz.ch/international/afd-delegation-reist-in-die-ostukraine-ld.…
[7] https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/afd-russland-105.html
[8] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5882947
[9] /Die-AfD-und-der-Krieg-in-der-Ukraine/!5844230
[10] https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/afd-ukraine-russland-101.…
[11] /AfD-Delegation-reist-nach-Bergkarabach/!5720263
[12] /AfD-Reise-nach-Syrien/!5641646
## AUTOREN
Gareth Joswig
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