# taz.de -- Die Wahrheit: Tischtennis an Flüssen | |
> In Wien weiß man nie, auf welcher Seite des durchfließenden Gewässers man | |
> gerade ist. Besonders gilt das auf dem Weg zu einem Pingpongturnier. | |
Bild: So sieht Freistil aus | |
Neulich stand das erste Auswärtsspiel an. Also fuhren Mannschaft, Trainer | |
und Betreuer in einem schnieken deutschen Auto einer bayerischen | |
Autobaufirma quer durch die Stadt und über all diese zahlreichen Donaus | |
hinweg – in Wien blickt man als Neuankömmling nicht ganz durch, was jetzt | |
„Donaukanal“, „Alte“ und „Neue Donau“ ist und wie herum wiederum der | |
„Wienfluss“ fließt – auf die andere Seite, nach Floridsdorf, zum Post SV. | |
Eine lustige Autofahrt zu fünft: Drei Tischtennisspieler zwischen 14 und | |
65, der Fahrer mit „Presse“-Schild am Auto, weil er irgendwann einmal | |
beruflich was mit Streaming-Diensten zu schaffen hatte, sowie Trainer und | |
Spielervater, die irgendwann lustig auf Wienerisch anfingen, sich über | |
einige „Ungustl“ und ähnliche Leute zu echauffieren. | |
Ein „Ungustl“ ist eine eher unsympatische Type, das Gegenteil eines | |
„Gustls“. Ein „goschater Ungustl“ ist so was wie ein Meckerfritze, also | |
einer, der seine „Gosch“ nicht halten kann. Ein Maulheld. Was aber ist ein | |
„Marmeladinger“, denn als solcher bin ich – ansonsten natürlich ein fesc… | |
Gustl – schließlich bezeichnet worden? Richtig, ein Deutscher. Aber warum? | |
Weil wir alle Marmelade essen und die Ösis nur Konfitüre? | |
Mitnichten. Kleiner Tipp: Die Wortfindung hat nichts mit den Nazis, aber | |
einiges mit dem Ersten Weltkrieg zu tun. Anscheinend haben die Deutschen an | |
der Front, besonders die Norddeutschen, damals weder Butter noch Schmalz, | |
den Kaiser erhalt’s, aufs Brot bekommen, sondern ausschließlich Marmelade. | |
Während die k.u.k.-Monarchie ihre Soldaten also gleich tonnenweise mit | |
Butter und Schmalz eingeschmiert hat, war Marmelade ab hinter Passau und | |
Freilassing eben schlicht verpönt. | |
Wieder was gelernt! Dabei mag ich gar keine Marmelade, allerhöchstens | |
einmal im Jahr, meist im Sommer, bevor die Wespen kommen. Auch vor diesem | |
wichtigen Auswärtsspiel – das erste Heimspiel ging etwas unglücklich 5:5 | |
aus – habe ich kein Marmeladenbrot vertilgt. Obwohl, hätte ich besser mal | |
getan, denn in Einzelpartie zwei bekam ich einen Hungerast. Am Ende | |
schaffte ich es, mich mühsam über Wasser zu halten, obwohl es beim Post SV | |
keinen Snackautomaten gab und auch sonst nichts zu essen. | |
Dabei fand das Spiel tatsächlich in einem umgebauten Lagerraum einer | |
Postdienststelle statt – inklusive dem typischen Noppenfußboden der | |
achtziger Jahre. Aber eine Teeküche haben sie halt nicht bei der Post, auch | |
keine Kantine, nicht einmal einen Snackautomaten. | |
Der Post SV war ansonsten ganz ähnlich aufgestellt wie wir, zwei ältere | |
Herren, eine Dame; dumm nur, dass beim Stand von 5:3 für uns der 14-Jährige | |
nach seiner ersten Niederlage einen Migräneanfall erlitt und es am Ende | |
wieder einmal 5:5 ausging. Hungrig und müde, sieglos, aber ungeschlagen | |
fuhren wir schließlich über drei bis sieben Brücken wieder in den Westen, | |
auf die richtige Seite der vielen Donaus. | |
5 Oct 2022 | |
## AUTOREN | |
René Hamann | |
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