# taz.de -- Alternativen zum WM-Gucken: Ziehboje zur Rettung | |
> Für diejenigen, die die WM boykottieren, probiert die taz Alternativen | |
> aus. Heute lernt unsere Autorin, wie man richtig krault. | |
Bild: So sieht Freistil aus | |
Noch bevor die Sonne den Mond ablöst, taucht D. in das türkisblaue Wasser | |
ein. Ich klettere etwas unbeholfen die Leiter runter ins Becken. Es ist | |
Montag, [1][Wellenbad Kreuzberg]. Der kleine Zeiger der Uhr hat die sieben | |
noch nicht erreicht. Draußen ist es stockduster, zwei Bademeister sitzen | |
gelangweilt auf ihren Plastikstühlen. D. will mir Kraulen beibringen und | |
meint: „[2][Der echte Schwimmer geht in aller Früh ins Becken.]“ Das stimmt | |
offenbar. Am Morgen ziehen nur die Streberschwimmer ihre Bahnen. Aber wir | |
sind im Nichtschwimmerbecken. Dabei schwimme ich vermutlich ziemlich | |
durchschnittlich, Brustschwimmen, Nackenstarre. D. aber hat in der Adria | |
schwimmen gelernt und gleitet durch das Wasser wie eine Göttin. Ihr Vater | |
hat früher Wasserball gespielt und legte viel Wert auf eine saubere | |
Schwimmtechnik, erzählt sie. | |
„Streck mal deine Arme aus, lass den Kopf unter Wasser und konzentriere | |
dich nur auf deine Beintechnik“, sagt D. Nebenbei erwähnt sie, | |
Brustschwimmen sei viel anspruchsvoller als Kraulen. Brav folge ich ihren | |
Anweisungen: etwas schneller, die ganzen Beine benutzen, die Hüfte gerade | |
halten. Was soll ich sagen? Die Bademeister werfen uns irgendwann ungefragt | |
einen Schwimmklotz ins Wasser, der einen über Wasser hält. | |
Wir machen weiter mit Atemübungen: Unter Wasser ausatmen, den Kopf aus dem | |
Wasser zur Seite drehen, einatmen, wieder mit dem Kopf unter Wasser. Klingt | |
leichter als es ist. D. sagt: „Ist total kontraintuitiv, unter Wasser | |
auszuatmen.“ | |
## Bereit fürs tiefe Becken | |
Irgendwann frage ich mich, ob D. eigentlich professionelle Schwimmlehrerin | |
ist. Sie macht das unglaublich liebevoll. Am Beckenrand üben wir die | |
Armtechnik, der Ellbogen muss hoch raus aus dem Wasser, dann kommt der Arm | |
nach vorn und wird unter Wasser gezogen. Rechts geht das halbwegs, aber auf | |
der linken Seite fühlt sich mein Körper so hölzern an wie diese | |
Spielzeug-Hampelmänner, die sich bewegen, wenn man an der Schnur zieht. | |
Aber ich klemme mir den Schwimmklotz zwischen die Füße und versuche mit | |
beiden Armen zu kraulen. | |
Irgendwann befindet D., dass ich bereit bin für das tiefe Becken. Nun soll | |
ich die einzeln erlernten Techniken zusammenführen. Paddeln mit den Beinen, | |
die Arme richtig koordinieren und atmen nach jedem zweiten Schwimmzug. | |
Natürlich klappt das nicht. Aber in meinem Wust an Bewegungen gibt es doch | |
ein, zwei kraulähnliche Bewegungen. Und für einen kurzen Moment spüre ich | |
Schwerelosigkeit. D. sagt: „Geht doch.“ | |
Ich übe jetzt endlich motiviert so lange, bis mein Körper völlig | |
unkontrolliert irgendetwas macht. D. lacht. Dann schwimmt sie wie ein | |
Delfin in der Adria davon. Zu Hause angekommen, google ich, wie dieser | |
Schwimmklotz heißt: Er heißt Pull-Buoy. Zu deutsch: Ziehboje. | |
2 Dec 2022 | |
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[2] https://blogs.taz.de/prinzenbad/ | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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