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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Meerschweinchen-Sexaffäre
> Was es an abstrusen Tiergeschichten auf die Seite eins österreichischer
> Gratisdödelblätter schafft, zieht einem das Fass aus den Schuhen.
Bild: In der einst glorreichen Spanischen Armada segeln heute abgetakelte Frega…
Vielleicht sollte ich mehr über Tiere schreiben. Wenn das Schreiben über
Kinder, wie einmal wer Kinderloses geschrieben hat, die eigene Karriere
killt, kommt man mit dem Schreiben von Tiergeschichten bestimmt recht weit.
Zumindest in Österreich. Da schaffen es die abstrusesten Tiergeschichten
schnell mal auf die Seite eins, jedenfalls bei den Gratisdödelblättern, die
es an U-Bahnhöfen gibt.
Gut, die meisten dieser Storys kennt man: ausgebüchste Krokodile, die sonst
ausgestorbene Baggerseen unsicher machen; Kaa, die voller Unschuld aus den
Toilettenuntiefen eines idyllischen Einfamilienhauses auftaucht; ein im
Umland ausgehobener Fuchsbau mitsamt Schuhsammlung, die jeder Karrierefrau
vor Neid die Nase ergrünen lässt. Füchse sammeln Schuhe, damit ihre Welpen
drauf herumkauen können, das schleift die Zähne.
Aber was jetzt das Titelblatt der Heute zierte, war tatsächlich nicht von
schlechten Eltern: „Sexaffäre um Meerschweinchen“! Es ging darum, dass
jemand Verwegenes – wer, blieb unklar – ein männliches Meerschweinchen in
das rein weiblich besetzte Zoogehege geschmuggelt hatte. Womit sich mehrere
Fragen stellen: Wer kann männliche von weiblichen Meerschweinchen
unterscheiden? Welcher verdammte Zoo, vermutlich ein „Streichelzoo“, hat
ein Meerschweinchengehege? Noch dazu ein rein weiblich besetztes, und das
in unseren Zeiten? Und seit wann haben Meerschweinchen überhaupt Sex?
Zumindest Letzteres lässt sich rasch aufklären, man besuche nur die
einschlägigen Haustierhaltungs-Webseiten. „Vielen Wesen spricht man
Sexualität vollkommen ab“, weiß da eine, „weil man sich derartiges einfach
nicht vorstellen kann oder will. Die eigenen Eltern, die eigenen Kinder,
der verschwitzte Nachbar – diese Wesen haben einfach keine Sexualität“.
Stimmt ja auch. Aber Meerschweinchen haben die eben schon, weswegen der
ungenannte Streichelzoo jetzt ein echtes Problem hat. Nämlich ganz, ganz
viele Meerschweinchen.
In der Welt der Kinder wimmelt es eh von Tieren. Also von dargestellten
Tieren, echte Tiere kommen seltener vor. Dafür gibt es keine Schnabeltasse,
keinen Strampler, keine Wickeltischauflage ohne aufgedruckte Tiger, Enten,
Elefanten oder Giraffen. Und obwohl es inzwischen sogar Plüschmelonen und
Stoffquallen gibt – einen Schlafsack für Einjährige mit Che Guevara drauf
habe ich bislang noch nicht gefunden. Marktlücke!
Hinter all dem steckt bestimmt irgendeine Industrie, ein Spinnennetz, das
bis in die örtlichen Zoos reicht. Die nämlich leben davon, dass Sohnemann
und Töchterchen endlich mal die Tiere „live“ sehen wollen, die es bislang
nur in Krakel-, Lächel- und sonstwie freundlichen Versionen zu sehen gab.
Und was liegt am Zooausgang in den Schaufenstern aus? Richtig, die
Star-Tiere des Zoos in Plüsch. Ein ewiger Kreislauf.
Aber ach, man soll ja nicht über Kinder schreiben. Ist, wie gesagt,
schlecht für die Karriere.
8 Sep 2022
## AUTOREN
René Hamann
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Tiere
Kinder
Sex
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