# taz.de -- Blind Guardian auf Jubiläumstour: Herz an Herz mit Sauron | |
> Die Metal-Band Blind Guardian sind mit einer 30 Jahre alten Platte auf | |
> Tour. Und das ist alles ganz zauberhaft, auch wenn Überraschungen | |
> ausbleiben. | |
Bild: Metal-Klischees bleiben zumindest äußerlich überschaubar: Blind Guardi… | |
Blind Guardian benötigen eine Zeile Text – nur vier Worte – um ihr | |
raubeiniges Metal-Publikum in herzverschmerzter Glückseligkeit | |
dahinschmelzen zu lassen. Und natürlich ist es ein Gänsehautmoment, wenn | |
Hunderte Kehlen den gar nicht mal kurzen, gar nicht mal wortarmen und | |
übrigens auch melodisch gar nicht mal anspruchslosen „Bard’s Song“ allei… | |
intonieren, während das Bühnenpersonal das Mikro grinsend baumeln lässt. Am | |
wohligen Schauer ändert auch das Kalkulierte dieser Publikumsbeteiligung | |
nichts, nur weil das [1][jedes Mal klappt] und Sänger Hansi Kürsch auch | |
keinen Hehl draus: Ihr habt drauf gewartet, wir haben drauf gewartet und | |
gleich wird’s wieder bombastisch. | |
Wobei [2][die aktuelle Tour] der Krefelder noch ein bisschen mehr als | |
üblich an Tradition und Nostalgie appelliert. Immerhin ist das Programm um | |
eine ziemlich alte Platte gestrickt: die „Somewhere far beyond“ nämlich, | |
die vor 30 Jahren erschien und zwar weder die erste noch die beste der Band | |
ist – ganz bestimmt aber die atmosphärischste. | |
Die Jubiläumstour ist vielerorts ausverkauft, den [3][Osnabrücker Hyde | |
Park] macht sie gleich zwei Abende hintereinander knackig voll. Metal ist | |
hier noch wichtig: In der kleinen Großstadt grundsätzlich mehr als in der | |
Metropole – und in Osnabrück nochmal ganz besonders. Von wegen Nostalgie | |
und Geschichten von früher: Auch die Ansagen von der Bühne erinnern an alte | |
Zeiten, als vorm Hyde Park mal der Bus versagte und man sich eine | |
ungeheizte Nacht mit mutmaßlich ungekühltem Wodka um Ohren schlagen musste. | |
Noch etwas persönlicher gerät der Abschied von Booker Carlo Korte („Ashes | |
to Ashes“), der seine beiden Hyde-Park-Konzerte nicht mehr erleben durfte. | |
Blind Guardian waren stilbildend für das, was man inhaltlich als | |
„Fantasymetal“ klammern könnte und für das man sich musikalisch irgendwann | |
auf die Marke „Progressive Power Metal“ geeinigt hat: Schnelle Gitarren | |
jedenfalls, die sich über die Jahre zu immer dichteren Bombastkompositionen | |
verdichtet haben – plus ein paar Balladen wie eben der unvermeidliche | |
„Bard’s Song“. | |
Auffällig abwesend bleiben die Metalklischees: Hansi Kürsch hat schon lange | |
die Haare kurz, verzichtet auf Bandshirts wie aufs Kasperletheater. Zum | |
Einstand wünscht er “einen wunderschönen Abend, liebe Freunde“, später l… | |
er das Mitsingen („Weltspitzenklasse“) und überhaupt: den Einsatz seiner | |
sichtlich gut gelaunten Fans, die sich hier zu Elfen, Zwergen [4][und | |
Replikanten] träumen. | |
Was übrigens auch seinen Teil zur nostalgischen Grundstimmung beitragen | |
dürfte: Als Blind Guardian anfingen, sich quer durch Tolkiens Geschichten | |
zu singen, war das noch Stoff exklusiv für Nerds, Hippies und eben | |
Metalmenschen. „Der Herr der Ringe“ galt als definitiv unverfilmbar und die | |
heute quartalsweise ausgerotzten Fantasyblockbuster – die gab’s einfach gar | |
nicht. | |
Also ja: Blind Guardian hält, was der 30. Plattengeburtstag verspricht. | |
Überraschungen gibt’s auch sonst keine – aber es macht auch wirklich nicht | |
den Anschein, als hätte die hier irgendjemand vermisst. | |
25 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=i-IcX_bccFc | |
[2] https://www.blind-guardian.com/tour/ | |
[3] /Geschichte-der-Popkultur/!5064623 | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=M5KXDzi1iVw | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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