| # taz.de -- Deutsch-israelische Beziehungen: Neues Jugendwerk geplant | |
| > Familienministerin Paus unterschreibt in Israel eine Vereinbarung dazu. | |
| > Kanzler Scholz bekräftigt den Kampf gegen Antisemitismus. | |
| Bild: Lisa Paus bei der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung mit ihrer isr… | |
| Jerusalem/Berlin taz | Ihre erste Auslandsreise führt [1][Lisa Paus] nach | |
| Israel. „Das ist durchaus ein Statement“, sagte die grüne | |
| Bundesfamilienministerin, zu deren Ressort auch der Kampf gegen | |
| Diskriminierung und Antisemitismus gehört. Im Gepäck hatte Paus den Text | |
| für eine Erklärung zu einem gemeinsamen Jugendwerk von Deutschland und | |
| Israel. Die Erklärung unterzeichnete sie gemeinsam mit der israelischen | |
| Bildungsministerin Yifat Shasha-Biton am Sonntagabend in Jerusalem. | |
| Am Montag legten Bundeskanzler Olaf Scholz und der israelische | |
| Ministerpräsident Jair Lapid in Berlin nach. Das Ziel: Die Gründung des | |
| Jugendwerks und damit die Intensivierung des Jugendaustauschs zwischen | |
| beiden Ländern. Dieser Plan hat eine lange Vorgeschichte, vielleicht ist er | |
| wichtiger denn je und umgesetzt ist er noch lange nicht. | |
| Israel sei ein enger Freund und Partner, bekräftigte Scholz am Montag in | |
| Berlin. Auch Lapid betonte die Bedeutung der Absichtserklärung für ein | |
| solches Jugendwerk. Am Nachmittag besuchten Scholz und der israelische | |
| Ministerpräsident das Haus der Wannseekonferenz. Dort fand ein Treffen mit | |
| Holocaustüberlebenden statt, die mit Lapid aus Israel angereist waren. Ein | |
| solches Treffen auf deutschem Boden sei „ein Augenblick des großen Sieges | |
| für sie“, sagte Lapid, der selbst Nachkomme von Holocaustüberlebenden ist. | |
| Scholz versicherte Lapid, dass der Kampf gegen Antisemitismus der | |
| wichtigste Auftrag sei. „Die Shoah darf niemals relativiert werden“, so der | |
| Kanzler. Antisemitische Äußerungen ließe man niemandem durchgehen. Scholz | |
| äußerte sich auch im [2][Zusammenhang mit einem Treffen mit dem | |
| palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas] in Berlin im August. Abbas | |
| hatte mit holocaustrelativierenden Äußerungen für massive Kritik gesorgt. | |
| Scholz war vorgeworfen worden, im Anschluss an die Pressekonferenz nicht | |
| schnell und vehement genug reagiert zu haben. Lapid lobte jedoch die | |
| anschließende Reaktion des Kanzlers: Es sei offensichtlich gewesen, dass | |
| Scholz von den Äußerungen überrascht worden sei. | |
| ## Neue deutsch-israelische Initiative soll Austausch fördern | |
| Nun soll also ein gemeinsames Jugendwerk [3][die Beziehungen beider Staaten | |
| weiter stärken]. Die Idee: Gerade in Ländern, die durch eine gemeinsame | |
| Geschichte getrennt und verbunden zugleich sind, sollen Begegnungen | |
| zwischen jungen Leuten dafür sorgen, dass es eine gemeinsame Zukunft im | |
| gegenseitigen Respekt und Verständnis gibt. Eine besonders lange Tradition | |
| hat das 1963 gegründete deutsch-französische Jugendwerk mit bis zu 200.000 | |
| Jugendbegegnungen im Jahr. | |
| Mithilfe des 1991 gegründeten deutsch-polnischen Jugendwerks kommen | |
| jährlich nach Angaben des Familienministeriums bis zu 120.000 deutsche und | |
| polnische Jugendliche zusammen. 2021 wurde außerdem ein | |
| deutsch-griechisches Jugendwerk gegründet. Auch zwischen Deutschland und | |
| Israel gibt es schon länger einen organisierten Austausch. Doch die Zahlen | |
| sind vergleichsweise niedrig: Rund 6.000 junge Menschen besuchen jährlich | |
| das eine oder das andere Land, im Rahmen von Begegnungen zwischen Sport-, | |
| Musik-, Kulturvereinen oder Freiwilligendiensten. Dazu kommen Schulungen | |
| und Besuche von Fachkräften, die mit Jugendlichen arbeiten. | |
| 2018 gab es schon einmal den Anlauf einer deutschen Familienministerin, | |
| diese Zusammenarbeit zu intensivieren. Auch damals hatten Franziska Giffey | |
| (SPD) und der damalige israelische Erziehungsminister Naftali Bennett die | |
| Absicht erklärt, ein deutsch-israelisches Jugendwerk zu gründen. Eine | |
| entsprechende Erklärung unterzeichneten auch die damalige deutsche | |
| Bundeskanzlerin und der israelische Staatspräsident. Doch in den | |
| Regierungswirren Israels – aktuell stehen die fünften Neuwahlen in | |
| dreieinhalb Jahren an – passierte wenig Konkretes. | |
| In Deutschland steht das deutsch-israelische Jugendwerk allerdings im | |
| Koalitionsvertrag und vor dem Hintergrund [4][antisemitischer Vorfälle] ist | |
| der Auftrag drängend, mehr junge Menschen aus beiden Ländern | |
| zusammenzubringen. Zugleich gibt es fast keine Zeitzeug:innen mehr, die | |
| in Gesprächen Jugendliche eindringlich für die Folgen von Hass und die | |
| Schrecken der Shoah sensibilisieren. Eine traurige Tatsache, die nach neuen | |
| pädagogischen Konzepten verlangt. | |
| ## Gegen Antisemitismus, für Demokratieförderung | |
| „Wir vertiefen die Zusammenarbeit und stellen sie auf neue Füße“, sagte | |
| Familienministerin Paus nun bei der Unterzeichnung der gemeinsamen | |
| Erklärung mit ihrer Amtskollegin am Sonntagabend in Jerusalem. Neben der | |
| Erinnerung an die Shoah soll es in den Begegnungen auch um Projekte etwa im | |
| Klimaschutz gehen. Doch bei dem Treffen im israelischen Bildungsministerium | |
| wird auch klar: Dieses Jugendwerk wird ein besonderes, auch das erfordert | |
| die gemeinsame Geschichte. | |
| „Die bisherigen Jugendwerke können wir nicht als Blaupause nehmen“, sagte | |
| Paus. Ihre Amtskollegin Biton stellte klar, dass es keine gemeinsame | |
| Institution geben wird – wie das etwa in der Zusammenarbeit mit Polen und | |
| Frankreich der Fall ist. Vielmehr soll es das deutsch-israelische | |
| Jugendwerk nur auf deutscher Seite geben, auf israelischer Seite soll eine | |
| neue Einheit innerhalb der bestehenden staatlichen Strukturen zum | |
| Jugendaustausch gegründet werden. Ob die Zusammenarbeit – wie mit | |
| Frankreich und Polen – zu gleichen Teilen finanziert werden soll, bleibt | |
| ebenfalls zu klären. | |
| Offensichtlich ist, dass gerade Deutschland mehr Geld einbringen muss als | |
| bisher, um in einer neuen Struktur mit mehr Verwaltung am Ende nicht | |
| weniger Geld für den eigentlichen Austausch zu haben. Dass also irgendwann | |
| noch das Bundesfinanzministerium eingebunden werden muss, sei klar, sagte | |
| Paus. | |
| ## Hoffen auf baldige konkrete Ergebnisse | |
| Seit 2019 wurden bereits 5,5 Millionen Euro für die Vorbereitung und | |
| Gründung von der Bundesregierung bereitgestellt, aber nur zum Teil | |
| abgerufen. Das Auswärtige Amt ist neben Kanzleramt und Familienministerium | |
| in Arbeitsgruppen vertreten. Im Moment läuft der außerschulische Austausch | |
| – und der steht im Fokus der Initiative – auf deutscher Seite über die | |
| staatlich finanzierte Koordinierungsstelle ConAct. Darauf soll aufgebaut | |
| werden. Partner auf israelischer Seite ist bereits jetzt die für | |
| Jugendaustausch zuständige Stelle. | |
| Der Wille sei auf beiden Seiten stark, bekräftigen alle Beteiligten. Eine | |
| deutsch-israelische Arbeitsgruppe soll schon im Oktober zusammenkommen. | |
| Familienministerin Paus hofft auf möglichst konkrete Ergebnisse – bevor am | |
| 1. November in Israel schon wieder gewählt wird. | |
| 12 Sep 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Manuela Heim | |
| Tanja Tricarico | |
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