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# taz.de -- Neues „Monkey Island“-Game: Dreiköpfige Affen und ein Kult
> Seit 30 Jahren gehört „Monkey Island“ zu den absoluten Klassikern. Jetzt
> wird die Reihe fortgeführt. Wie geht das ohne ständige Wiederholung?
Bild: Knobelspiele mit den narrativen Qualitäten eines Films
Als der legendäre Spieleentwickler Ron Gilbert im April dieses Jahres
mitteilte, dass er nach über 30 Jahren wieder an einem Teil seiner
Spielereihe „[1][Monkey Island]“ arbeitet, wurden Gamer*innen euphorisch:
ein neues Kapitel der Reihe mit dem Pechvogelpiraten Guybrush Threepwood,
von dem Erfinder höchstselbst? Das ist, als würden die Gallaghers noch mal
für ein Oasis-Album zusammenkommen oder [2][als würde Tom Cruise noch mal
bei „Top Gun“fliegen]. Kurz: Kultiger wird’s nicht. Und Kult verkauft,
gerade in Zeiten nicht enden wollender Neuauflagen. Aber ganz so
reibungslos lief es dann doch nicht.
Um zu verstehen, warum ein erschreckend gestriges Spielkonzept – das
Point-and-Click-Adventure – heute noch jemanden interessiert, lohnt sich
ein Blick auf die Bedeutung der „Monkey Island“-Reihe für die
Videospielwelt. Zwar war schon 1990 die Idee einer spielbaren
Abenteuergeschichte nicht ganz neu, die drei Entwickler, Ron Gilbert, Tim
Schafer und Dave Grossman, stellten das Verhältnis von Gameplay und Story
aber vom Kopf auf die Füße.
„The Secret of Monkey Island“, wie der erste Teil hieß, war aber mehr als
ein Knobelspiel. Es war ein Knobelspiel mit den narrativen Qualitäten eines
Films. Die Entwickler entwarfen eine alberne und liebenswürdige Figur, die
im Gegensatz zu den meisten Spielprotagonist*innen der Zeit nicht
sterben konnte. „Game over“ gab es nicht für Guybrush Threepwood.
Spieler*innen konnten höchstens an den kuriosen und oft nicht gerade
intuitiven Rätseln verzweifeln – und aufgeben. Gilberts Kreation avancierte
sofort zum Klassiker, wurde mehrfach zum „besten Spiel aller Zeiten“ gekürt
und zeigte, dass Games ein Stück Popkunst sein konnten.
Trotz begrenzter technischer Möglichkeiten erlangten die Charaktere Tiefe,
vor allem durch Gilberts „Cut Scenes“, nicht spielbare Videosequenzen,
welche die Handlung fortführen – ein Konzept, ohne das heute kaum ein gutes
Videospiel auskommt. Und: „Monkey Island“ war lustig und unnachahmlich
harmlos. Niemand stirbt. Und auch die zahlreichen Schwertkämpfe sind
allesamt eher Wortduelle, bei denen die Spieler*innen ihr Gegenüber
möglichst in der richtigen Reihenfolge kalauerig beleidigen müssen („Keine
Worte beschreiben deine Hässlichkeit“ – „Doch, doch, du hast sie nur nie
gelernt.“).
Dass sich „Monkey Island“ cineastisch spielte, war kein Zufall: Die Idee
des „Insult Sword Fighting“ entwarf Ron Gilbert analog zu Piratenfilmen der
30er- und 40er-Jahre, in denen während der Fechtkämpfe sehr viel gesprochen
wurde. Jüngere dürften sich bei Geisterschiffen und Möchtegernpiraten wohl
eher an die Filmreihe „[3][Fluch der Karibik]“ erinnert fühlen, und
tatsächlich ist „Monkey Island“ wie ebenjene Filme von der
Disney-Geschichte „Pirates of the Carribean“ inspiriert, die 1967 für die
Vergnügungsparks konzipiert wurde.
Buchstäbliche Wortgefechte, „dreiköpfige Affen“ und dazu ein bisschen
Voodoo erwartet die Spieler*innen auch im neuen Teil, „Return to Monkey
Island“. Zwar bewegt sich Guybrush Threepwood noch immer durch eine
charmante 2D-Welt, der Look wurde aber kräftig überarbeitet.
Auch inhaltlich kommt die Spielwelt zeitgemäßer daher. Im Hinterzimmer der
Piratenbar sitzen keine drei alten Haudegen mehr, sondern zwei junge Frauen
und ein Schwarzer Mann, die statt Grog zu saufen mit ihren beeindruckenden
Piratenlebensläufen prahlen. Das kam – Fluch des Kults – nicht bei allen
gut an. Nach „persönlichen Angriffen“, so schrieb es Ron Gilbert bereits
vor Veröffentlichung, wolle er nichts mehr über den neuen Teil auf seinem
Blog schreiben, „die Freude, mich mitzuteilen, wurde mir genommen“.
Die Videospielkritik empfing „Return to Monkey Island“ aber überwiegend
positiv. Nichtkenner der Serie werden nicht jeden Meta-Gag und jeden
Querverweis verstehen, dürften aber an der kurios unterhaltsamen Welt
dennoch ihren Spaß haben. Dass dieses liebevolle Remake trotz seiner
Verbeugung vor dem Klassiker ein Paar Fans vergraulte, hat eine gewisse
Tragik – das ist aber nichts, was (Möchtegern-)Pirat*innen in die Flucht
schlagen sollte.
27 Sep 2022
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## AUTOREN
Konstantin Nowotny
## TAGS
Computer
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