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# taz.de -- Steigende Energiepreise: Gaspreise deckeln, aber wie?
> Die Europäische Kommission prüft nun doch einen Gaspreisdeckel. Laut
> Experten würde dieser Verbraucher entlasten und die Inflation dämpfen.
Bild: Zentrum der Engergiemacht: Die Gazprom-Zentrale in St.Petersburg
Berlin taz | Angesichts der sich zuspitzenden Lage an den Energiemärkten
prüft [1][die Europäische Kommission] nun doch Maßnahmen, um den Gaspreis
zu deckeln. So gibt es zum einen die Möglichkeit, sich auf einen
gemeinsamen Einkaufspreis für russisches Gas zu verständigen, wie aus einem
internen Papier hervorgeht, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Eine
andere Option ist demnach, den Preis an europäischen Handelsplätzen zu
deckeln.
Vor allem mit der zweiten Option könnten als Notmaßnahme weitere
Preissteigerungen verhindert werden. Die erste könnte vor allem dazu
führen, die Einnahmen des russischen Staates durch Energiegeschäfte zu
begrenzen.
Der zweite Vorschlag zielt darauf ab, den Gaspreis im Großhandel in
EU-Regionen zu deckeln, die besonders von russischen Lieferunterbrechungen
und hohen Preisen betroffen sind – zum Beispiel in Mittel- und Osteuropa
inklusive Deutschland. Die Deutschen sind innerhalb der EU weiterhin die
Hauptabnehmer für russisches Gas.
In Berlin hatte sich die Ampelkoalition bei ihrer Marathonsitzung am
Wochenende darauf verständigt, lediglich einen Preisdeckel für Strom
einzuführen – zunächst auf europäischer Ebene, und falls das nicht klappt
eben im nationalen Alleingang. Doch für den eigentlichen Treiber der
Energiepreise, nämlich das Gas, soll es vorerst keinen Deckel geben. Obwohl
die Sozialdemokraten, die die Regierung führen, ihn auf ihrer
Fraktionsklausur in der vergangenen Woche in Dresden explizit als Forderung
in ihre Vorbereitungen für den Koalitionsausschuss reingeschrieben haben.
Warum haben sie dann darauf verzichtet?
Fachliche Bedenken
Aus der Parteiführung hieß es, [2][ein Gaspreisdeckel] sei kaum
durchführbar, weil der Wärmemarkt anders strukturiert sei als der
Strommarkt und weil auch andere Wärmequellen wie Heizöl oder Fernwärme
starke Preiserhöhung erfahren, die man dann ebenso ausgleichen müsste, es
habe also ernsthafte fachliche Bedenken gegeben.
Das sieht der Direktor des Instituts für Makroökonomie, [3][Sebastian
Dullien], anders. Er hält einen Gaspreisdeckel weiterhin für machbar. „Ob
man einen Gaspreisdeckel einführt, ist zunächst einmal eine politische
Entscheidung, die technischen Probleme bekommt man in den Griff“, sagte
Dullien der taz.
Dullien hat bereits im Februar zusammen mit der Ökonomin Isabella Weber ein
Modell entwickelt, bei dem ein Grundverbrauch von 8.000 kWh pro Jahr
angesetzt wird. Das entspricht ungefähr der Hälfte des Verbrauchs einer
durchschnittlichen 100-Quadratmeter-Wohnung. Für dieses Grundkontingent
hatten Dullien und Weber einen ermäßigten Preis vorgeschlagen, damals 7,5
Cent, heute würde Dullien eher 12 bis 13 Cent ansetzen. „Das entspricht dem
derzeitigen Durchschnittspreis.“
Die Differenz zwischen dem Grundverbrauchspreis und dem Marktpreis müsste
dann der Bund ausgleichen, indem er den Gasversorgern eine Kompensation
überweist. Eine Subvention, welche der Staat entweder aus den Einnahmen
bezahlen oder als zusätzliche Schulden aufnehmen müsste. Finanzminister
Christian Lindner, FDP, will beides nicht, pocht dagegen auf die
Schuldenbremse im Grundgesetz, die kaum noch neue Schulden erlaubt.
Dullien hält es jedoch für ökonomisch geboten, die Schuldenbremse im
nächsten Jahr erneut auszusetzen. „Wir steuern infolge des Ukrainekrieges
auf eine Rezession zu, in einer solchen Notsituation an der Schuldenbremse
festzuhalten wäre ökonomischer und sozialpolitischer Unsinn“, sagt Dullien.
Gaspreise könnten ab 2025 wieder sinken
Auch die technischen Einwände gegen einen Gaspreisdeckel hält Dullien für
lösbar. So gibt es zwar 20 Millionen Haushalte in Deutschland, die mit Gas
heizen, aber nur 8 Millionen Zähler. Das heißt, der Großteil der Haushalte
hängt an einer Gaszentralheizung. Das Problem ist also, wie ermittelt man,
welches Grundkontingent, welchem Haushalt zusteht.
Dullien schlägt vor, dass zunächst jeder Haushalt ein pauschales Kontingent
erhalten und auf Vertrauensbasis die Anzahl der Personen im Haushalt melden
soll. Kontrolliert wird im zweiten Schritt. Zudem könnte der Gaspreis auf
dem Weltmarkt ab 2025 wieder sinken, glaubt Dullien. Dann wäre ein
Preisdeckel nicht mehr nötig.
„Wenn man bereit wäre, ökonomische Vernunft walten zu lassen, dann wäre die
Einführung einer Gaspreisbremse überhaupt kein Problem“, fasst Dullien
zusammen. Ein solcher Preisdeckel hätte nicht nur den Effekt, dass er die
Menschen entlasten, sondern auch die Inflation dämpfen würde.
Auch die Union im Bundestag drängt weiterhin auf eine solche Preisbremse.
„Die [4][Alarmstufe Gas] belastet Verbraucher stark“, so der
verbraucherschutzpolitische Sprecher Volker Ullrich. „Viele verzichten
schon jetzt auf warme Duschen.“ Am Freitag treffen sich die
EU-Energieminister, um an den Energiepreisdeckeln zu werkeln. In einem
früheren Entwurf hatte die EU-Kommission davon abgeraten, den Gaspreis in
der gesamten EU zu deckeln. (mit dpa)
7 Sep 2022
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[4] /Alarmstufe-bei-Gasversorgung/!5859878
## AUTOREN
Anna Lehmann
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