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# taz.de -- US-Sänger Ben Harper: Der Hausmeister des Blues
> In seinem neuen Album „Bloodline Maintenance“ verarbeitet Ben Harper
> seine Familiengeschichte. Er spielt mit den Genres Rock, Gospel, Soul und
> Disco.
Bild: Ben Harper in New York, April 2022
Das klingt nach einer spannenden Thematik: die eigene Familiengeschichte
als Sujet eines Konzeptalbums. Ben Harper hat diese Idee schon einmal 2014
verfolgt, als er gemeinsam mit seiner Mutter Ellen Songs komponierte. Ellen
Chase wuchs im Nordosten von Los Angeles in Claremont auf. Inmitten von
Banjos, Gitarren und Sitars führten Ellens Eltern das „Folk Music Center“,
eine stadtbekannte Musikalienhandlung. Blues- und Folklegenden wie Brownie
McGhee und John Fahey waren Stammgäste, während der 1969 geborene Enkel Ben
im Laden umherkrabbelte.
Als Kind wurde Ben von seinem Großvater auf eine Weissenborn-Steelguitar
aufmerksam gemacht, Instrument der Wahl vieler Country-Stars. Im
Erwachsenenalter ist Ben Harper in den Neunzigern dann selbst zu einem in
den USA und Europa gefeierten Gitarristen und Sänger geworden, der mit
manchmal auch etwas anstrengender Ernsthaftigkeit auf den Spuren von Bob
Marley und John Lee Hooker gewandelt ist [1][und sich auch als Produzent
versuchte]. Drei Grammys und inzwischen 15 Alben sprechen für sich. Bei
aller Power geriet Harpers Musik mit seiner Band Innocent Criminals
bisweilen auch zu muckerhaft, weil Musik und Texte zu sehr um Authentizität
bemüht waren.
Der Bandleader veröffentlichte seit den nuller Jahren jedoch etliche,
musikalisch entschlackte Alben: zwei mit Mundharmonika-Koryphäe Charlie
Musselwhite, eines mit den Gospelveteranen Blind Boys of Alabama, dazu
lieferte Harper überzeugende Produktionsarbeiten für die Soul-Queen Mavis
Staples.
Am besten sind die akustischen Solo-Alben. Das instrumentale „Winter is for
Lovers“ und das rein akustische „Childhood Home“ mit Mutter Ellen Chase
beweisen die Songwritingqualitäten von Ben Harper abseits aller
elektrifizierten Wucht.
## Die Familiensaga geht weiter
Und nun also: „Bloodline Maintenance“, eine Fortführung der 2014 begonnenen
Familiensaga, mit Fokus auf den Vater. Leider wird der 1998 verstorbene
Leonard Harper in den Songs nicht so prominent verkörpert wie auf dem Foto
des Albumfrontcovers, das Ben Harper im Windelalter zeigt, wie er den in
einem Sessel fläzenden Vater am Arm zieht. Skeptischer Blick bei beiden,
die Beziehung war schwierig. Leonard hatte zeitlebens Alkoholprobleme. In
einem Interview vergleicht Ben Harper seinen Vater als Mischung aus dem
linken Theologen Cornel West, dem Komiker Richard Pryor und einem
stadtbekannten Säufer – „aber einer, der Schönschrift beherrschte“.
Konkreter wird es in den Songs kaum.
Immerhin verdeutlicht die Musik den musikalischen Einfluss des Alten:
Leonard spielte seinem Sohn schon im Kindergartenalter Stevie Wonder vor.
Das aus dessen Hit „Superstition“ bekannte Clavinetmotiv blubbert nun in
Ben Harpers Funk-Stomper „Need to Know Basis“ weiter.
## Die Geister von Hendrix
Der Albumtitel „Bloodline Maintenance“ lässt sich frei mit „Instandsetzu…
von Tradition“ übersetzen. Das hat Harper natürlich immer getan, im Folk
Music Center traf er als Kind auf Jackson Browne, seine erste Tour bestritt
er im Alter von 21 Jahren mit Blueslegende Taj Mahal. Der Blues und seine
Subgenres dominiert auch den Sound des neuen Werks: Neben einigen etwas zu
seichten Gospel-Balladen gefallen die schlichten Riff-Rocker. Fast alle
Stücke dauern weniger als dreieinhalb Minuten und von der Kürze profitiert
„Bloodline Maintenance“ sehr.
Wieder ist es ein Soloalbum geworden, allerdings eines, das nach Bandmusik
klingt: Harper hat auch gleich Drums, Bass und Keyboards im Alleingang
eingespielt – und natürlich die Steelguitar. Für mehrere Stücke hat er sie
durch einen sündhaft teuren Verstärker gejagt, ein Effekt, dem Harper
zuschreibt, von „mehr als nur ein paar Geistern von Hendrix“ beeinflusst zu
sein.
## Wohlfeile Anklagen
Dass Ben Harper das Zeug zu Großtaten hat, zeigt zum einen der Song „Where
Did We Go Wrong“, ein Poptrack mit subtilen Disco-Einflüssen. Hier passt
auch seine leicht weinerliche Stimme perfekt als Kontrast zum Groove der
Congas. Zum anderen ist da „Problem Child“: deeper Gospelsound, gebrochen
durch ein Jazz-Saxofon und HipHop-Scratching. „Whoever said time heals all
wounds / Wasn’t a slave I’m guessing“, zetert Harper in „We Need to Talk
about It“.
Im Songtext behandelt er die immer noch kaum aufgearbeitete
Sklaverei-Geschichte der USA, kommt aber über wohlfeile Anklagen nicht
hinaus. Ben Harpers karitatives Engagement und seine Spenden an
Hilfsorganisationen werden deutlich mehr ausrichten.
7 Sep 2022
## LINKS
[1] /Neues-Album-von-Rickie-Lee-Jones/!5083141
## AUTOREN
Jan Paersch
## TAGS
Pop
Blues
USA
US-Sklaverei-Geschichte
Soul
Gospel
Musik
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