# taz.de -- Hamburger Festival „48h Jenfeld“: Von und für die Menschen vor… | |
> „48h Jenfeld“ bringt die Musik eines stigmatisierten Hamburger Stadtteils | |
> und versucht, den Bewohner:innen ein Stück Lebensqualität | |
> zurückzugeben. | |
Bild: Rapper „Secret111“ bei seinem Auftritt bei „48h Jenfeld“ | |
Hamburg taz | Jenfeld ist ein stigmatisierter Stadtteil in Hamburg. Viel | |
Kriminalität, viel Armut soll es dort geben. Jenfeld hat ein | |
infrastrukturelles Problem: Es liegt am Stadtrand, ist geprägt von großen | |
Straßen mit Durchgangs- und Pendelverkehr. Restaurants, Cafés und | |
Freizeitangebote gibt es hier wenig. Doch jenseits der Vorurteile ist | |
Jenfeld auch ein lebendiger und diverser Stadtteil – auch in Sachen Musik. | |
Dieses Potenzial will Steph Klinkenborg bergen. Sie ist Mitgründerin des | |
erfolgreichen „48h Wilhelmsburg“, das jährlich etwa 20.000 | |
Besucher:innen anlockt. Im Stil dieses Festivals, das man ähnlich auch | |
aus Berlin-Neukölln kennt, fand vergangenes Wochenende das erste „48h | |
Jenfeld“ statt: [1][mit Künstler:innen und Gruppen aus dem Quartier]. | |
Die Festivalorganisator:innen wollten neben den Menschen aber auch | |
jene [2][Orte, die in der Wahrnehmung der Menschen meist keinen Platz | |
haben], ins Bewusstsein rücken. Dazu wurden etwa ein Gewerbehof und eine | |
Autowaschanlage als Spielorte zweckentfremdet. Vor allem Letztere ist | |
geradezu sinnbildlich für das Konzept. Denn was könnte stimmiger sein für | |
die Musik der Straße als eben ein Teil der Straße – der noch dazu an | |
Coolness kaum zu überbieten ist? | |
Uneitel und schmucklos geht es hier um die Kunst selbst. Auf einem Platz | |
zwischen einer vielbefahrenen Straße und einer McDonald's-Filiale, der | |
genauso in einer niedersächsischen Kleinstadt liegen könnte, performt | |
Rapper „Secret111“, der selbst in Jenfeld aufgewachsen ist. Davon handeln | |
seine Lieder, auch zwischendurch spricht er darüber: „Ich wohne jetzt zwar | |
in Horn, möchte Jenfeld aber etwas zurückgeben“. | |
Zielbewusst dirigiert Secret111 einen Spendenhut durch das Publikum und „zu | |
den Eltern da vorne“: einer Gruppe Anfang 40-jähriger | |
Nicht-Jenfelder:innen. Die Spenden kommen dem Netzwerk „Musik aus Jenfeld“ | |
zugute, welches die kulturelle Teilhabe im Viertel fördert. Am Ende seines | |
45-minütigen Auftritts liegen etwa 100 Euro in dem pinken Glitzerhut. Auch | |
der Rapper hat seine Gage gespendet. | |
Es geht nicht nur um Rap. Auch die Blues-, Country- und Folkband „Country | |
Coasters“ gab neben einem Spielplatz am Fuße eines Wohnturmes ihr | |
Repertoire zum Besten und konnte einige Gruppen, teils mit Campingstühlen | |
und Dosenbier ausgerüstet, in die Nebenstraße locken. | |
Was die Besuchszahlen betrifft, kann das Festival noch nicht mit ihren | |
[3][Namensvettern in Berlin] und Wilhelmsburg mithalten. Das ist aber nicht | |
überraschend am Anfang so eines Projekts. Wichtiger ist: dass die | |
Jenfelder:innen ein Stück Lebensqualität hinzugewinnen – und das übrige | |
Hamburg seine Vorurteile im direkten Kontakt abbauen kann. | |
Und so was tut ja nicht nur Hamburg gut: In jeder Stadt gibt es Viertel wie | |
Jenfeld. Sie gelten als abgehängt, die Privilegierten haben | |
Berührungsängste. Und das Stigma wächst immer weiter: Manchmal reicht schon | |
die Postleitzahl, damit junge Menschen aus solchen Quartieren keine Antwort | |
auf ihre Bewerbungen landen. „48h Jenfeld“ sendet ein Signal, den eigenen | |
Lebensraum nicht den Ressentitments der anderen zu überlassen. | |
21 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Musikerin-Kuoko-uebers-Selbermachen/!5871537 | |
[2] /Hamburg-gedenkt-NS-Deserteurs/!5823182 | |
[3] https://48-stunden-neukoelln.de/de/festival-2022 | |
## AUTOREN | |
Marco Fründt | |
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