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# taz.de -- Klimawandel vor Ort: Urlaubsfreuden und Permafrust
> Beim Wandern in Lappland wird der Klimawandel sichtbar – und
> Veränderungen nach 30 Jahren. Das sagen auch die Einheimischen.
Bild: Auf zum Kebnekaise, mit Mückenschutz natürlich, Wanderer:innen im schwe…
Alles verändert sich dauernd und rasend schnell heutzutage. Aber manches
bleibt einfach gleich. Die Mückenschwärme jedenfalls, die uns in diesem
Urlaub beim Wandern in Lappland an der Hütte Kaitumjaure überfielen, haben
offenbar eine Ewigkeitsrarantie. Es sirrte zwischen den Fingern, an den
Ohren, in den Wimpern, unter den Haaren, ganz wie in der guten alten Zeit,
als Insektensterben noch eine Angstphantasie von Imkern war.
Selbst mit langer Hose und Jacke, einem Moskitonetz und wahrscheinlich
hochtoxischem Djungelolja-Mückenmittel auf der Haut fanden die Quälgeister
immer irgendwo einen freien Quadratmilllimeter für ein Milliliter
Menschenblut. Es war genau wie vor 31 Jahren, als ich dort das letzte Mal
einen Sommer genießen wollte.
Damals hatte ich eine arglose junge Dame auf eine romantische Tour in die
Arktis gelockt. Ihre Begeisterung kühlte etwas ab, als wir im August durchs
Schneetreiben stapften. Mir jedenfalls war damals die Warmfront zwischen
uns beiden deutlich wichtiger als irgendein anderes Klima. Sommer in
Lappland konnte einfach nass und kalt sein, basta.
Aber der Durchschnitt von 30 Jahren Wetter erlaubt nun mal Aussagen über
eine Veränderung beim Klima. Ich könnte jetzt sagen, wissenschaftliche
Neugier und journalistischer Spürsinn trieben mich diesen Sommer wieder ins
Land der Mitternachtssonne. Das stimmt schon, aber nur zur Häfte. Die
bessere Hälfte bestand darin, [1][dem ältesten Sohn] der inzwischen nicht
mehr ganz so arglosen jungen Dame und mir zu zeigen, wie schön die Welt
ist.
Also: Schön ja, aber auch deutlich anders als früher. Das Bargeld ist in
Schweden praktisch abgeschafft, man trägt nur noch Kreditkarte. Im
Schlafsack kuschelt man jetzt mit Handy und Powerbank, um den Akku zu
retten. Aus manchen einfachen Berghütten sind Sterne-Restaurants geworden,
wo man für viel Geld sehr gut essen kann. Wo früher alle den Rucksack
schleppten, schweben heute viele mit dem Helikopter ein, um sich in der
Lounge das Rentiersteak zu gönnen. Die Wanderwege sind breiter geworden und
– hurra! – auch an vielen einsamen Hütten gibt es jetzt eine Sauna.
## Schnee, Eis und Zugvögel
Und: Auweia, der [2][Klimawandel]. Er schlägt im hohen Norden noch viel
kräftiger zu als sonst. Die Einheimischen berichteten in Abisko, dass der
Schnee fällt, wann er will und so nass ist wie noch nie. Dass das Eis
unvorhersehbar kommt und geht, dass die Natur früher und länger blüht und
grünt, und die Zugvögel nicht hinterher kommen.
Wir hatten das Glück, eine Wissenschaftlerin ins Moor zu begleiten, die
dort den schmelzenden Permafrost misst: Das Gelände ist ohne Eis
eingesackt, aus ihm steigt das gefährliche Klimagas Methan in den Himmel.
Ihr Messstab dringt nicht wie früher nur ein paar Zentimeter in den Boden,
sondern eineinhalb Meter. Der Permafrust war ihr und uns deutlich
anzumerken.
Ein paar Tage später standen wir dann am Kebnekaise. Mit 2.097 Metern
Schwedens höchster Berg. Unten an der Gletscherzunge steht die wunderschöne
Hütte Tarfala, wo man sich nach der Sauna im Gletschersee vor den
Eissschollen abkühlt. Da ist von Erderwärmung nichts zu spüren.
Aber wenn man aufblickt, hat man das Bergmassiv vor sich. Dort ist
inzwischen der Nordgipfel die höchste Erhebung Schwedens. Vor 31 Jahren
reckte sich der Südgipfel, ein Gletscher, noch deutlich höher in den
tiefblauen Himmel. Aber der Gletscher schmilzt, der Kebnekaise und Schweden
haben ihren höchsten Punkt an den Klimawandel verloren. Was ich nicht weiß,
macht mich nicht heiß. Aber das weiß ich nun mal. Und bekam in Tarfala
trotz 10 Grad Celsius ein paar Hitzewallungen.
28 Aug 2022
## LINKS
[1] /Verpasste-Chancen-in-der-Klimapolitik/!5861657
[2] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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