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# taz.de -- Der Weg zur klimafreundlichen Mobilität: Verkehrswende im Rückwä…
> Der Hamburger Senat will günstige Elektroshuttles wieder abschaffen, kaum
> dass sich die Fahrgäste daran gewöhnt habe. Das Nachfolgemodell wird
> teurer.
Bild: Kam gut an im Hamburger Westen: Ioki-Shuttle
Hamburg taz | Die Menschen in Lurup und Osdorf sind wütend. Mit über
600.000 Fahrgästen seit dem Start im Juli 2018 ist der [1][Ioki-Shuttle
eigentlich ein erfolgreiches Modell.] Doch nun müssen die
Anwohner:innen am westlichen Stadtrand Hamburgs dabei zusehen, wie gut
funktionierende Mobilität vor ihren Augen abgebaut wird. Der Senat möchte
die Shuttles zum Jahreswechsel in Harburg einsetzen, der Betrieb in Lurup
und Osdorf soll dann eingestellt werden.
Über eine App lassen sich die teilelektrischen Fahrzeuge spontan oder für
einen bestimmten Zeitpunkt im Voraus buchen. Fahrgäste bezahlen den Tarif
des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) plus einen Euro pro Fahrt. Für 15
Euro im Monat entfällt der Aufpreis. Die [2][Ioki-Fahrer:innen sammeln auf
dem Weg nicht selten weitere Fahrgäste ein. Algorithmen sorgen dafür, dass
beim Ridepooling keine zu großen Umwege gemacht werden], die Fahrzeuge aber
trotzdem bestmöglich ausgelastet sind.
Dass ein Ridepooling-Service in Randgebieten als Ergänzung zum
existierenden öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) eine gute Idee ist,
befand auch das Bundesverkehrsministerium, das Ioki 2019 mit dem Deutschen
Mobilitätspreis auszeichnete. Im April wurde die Bahn-Tochter zusätzlich
mit dem Verkehrswendepreis der Allianz pro Schiene prämiert.
Betrieben wird der Service von den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein. Ioki
gibt es aktuell auch bis Ende 2022 in Hamburg-Billbrook, in Ahrensburg und
im Raum Brunsbek/Trittau/Lütjensee soll Ioki noch bis 2024 fahren. Ab 2023
werden in Hamburg-Harburg 28 Ioki-Fahrzeuge den Betrieb aufnehmen, doppelt
so viele wie in Lurup und Osdorf. Der Betrieb ist vorerst auf zwei Jahre
befristet, dann soll eine Evaluation stattfinden.
## Der Sozialverband ist sauer
Dass es im chronisch schlecht an den ÖPNV angebundenen Hamburger Süden
Bedarf an neuen Mobilitätsangeboten gibt, bestreitet in Osdorf und Lurup
niemand, dass dafür aber das gerade einmal vier Jahre junge Angebot ohne
Beteiligung der Bürger:innen eingestampft werden soll, stößt den
Menschen im Hamburger Westen sauer auf.
Mehrere Verbände und Bürgerinitiativen haben sich daher
zusammengeschlossen, um den Senat und die Verkehrsbehörde zum Umdenken zu
bewegen. Klaus Wicher, Landesvorsitzender des Sozialverbandes Deutschland,
wirft dem Senat vor, die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort außer Acht
zu lassen. „So lassen wir nicht mit uns umgehen!“, schimpft Wicher bei
einer Kundgebung der Initiative. Es brauche vielmehr eine Ausweitung von
Ioki auf das gesamte Stadtgebiet.
Es sind überwiegend ältere Menschen, die für die Erhaltung des Ioki
demonstrieren. Viele von ihnen schätzen das barrierefreie und günstige
Angebot. Das Durchschnittseinkommen in Lurup liegt etwa 30 Prozent unter
dem Hamburger Schnitt. Sabine Tengeler, die sich im Luruper Forum für ihren
Stadtteil stark macht, erzählt, sie kenne Senior:innen, die sich nur für
das Ioki ein Smartphone zugelegt hätten.
Vor allem die älteren Anwohner:innen können sich noch an Zeiten
erinnern, als Lurup komfortabel per Straßenbahn erreichbar war. Mit dem
Rückbau der Straßenbahn in den 1970er-Jahren wurde erst eine Anbindung an
die U-Bahn, später an die S-Bahn versprochen – bis heute ist das Gebiet nur
mit dem Bus zu erreichen.
## Shuttle ist wichtig für Menschen im Rollstuhl
Anja Plenge ist Anwohnerin und [3][Nutzerin von Ioki]. Sie hat eine
Petition für das Shuttle gestartet. Sie berichtet von Menschen im
Rollstuhl, die ohne Ioki nur einmal die Woche einen Transportdienst
gestellt bekommen, von mobilitätseingeschränkten Menschen, für die der Weg
zur nächsten Bushaltestelle ein Kraftakt ist, und von einer Pflegerin, für
die der Weg zu ihren Patient:innen ohne Ioki entweder deutlich länger
oder deutlich teurer wird.
Der Senat möchte als Ersatz zum Jahreswechsel das [4][Betriebsgebiet der
Moia-Shuttles] auf Osdorf und Lurup ausweiten. Die schwarz-goldenen Busse
des Volkswagen-Konzerns fahren seit 2019 in der Hamburger Innenstadt.
Anders als bei den Ioki-Shuttles, die in Hamburg bei drei Vierteln der
Fahrten als Zubringer zur S-Bahn genutzt werden, will Moia eine Alternative
zum klassischen ÖPNV darstellen.
[5][Fahrten in den elektrischen Ridepooling-Bussen sind preislich zwischen
ÖPNV und Taxi angesiedelt]. Bis zum Start in Lurup und Osdorf soll Moia
erstmals einen barrierefreien Service anbieten. Anders als bei Ioki war die
Mitfahrt mit einem Rollstuhl oder einem Kinderwagen bislang nicht möglich.
Die Verkehrsbehörde rechtfertigte sich, es sei von Anfang an klar gewesen,
dass es sich bei Ioki um ein befristetes Projekt handelt. Ziel sei nun,
Moia langfristig als On-Demand-Anbieter nördlich der Elbe zu etablieren und
Ioki südlich der Elbe, da ein solches Angebot dort bislang gefehlt habe.
„Dadurch erhalten die Menschen in Osdorf/Lurup künftig Zugang zu einem
deutlich größeren Bediengebiet und den Anschluss an ein On-Demand-System,
das nahezu das gesamte Stadtgebiet und äußere Stadtteile umfasst sowie
perspektivisch ausgeweitet wird“, teilte die Behörde mit.
Dafür müssen die Anwohner:innen aber auch tiefer in die Tasche greifen.
Für die Fahrt mit dem Moia braucht es zwar kein gültiges HVV-Ticket, dafür
kostet die Fahrt vom Luruper Zentrum zum nächsten S-Bahnhof mit rund fünf
Euro das Doppelte des Ioki-Tarifs.
Da die Moias auch [6][in den Hamburg-Takt eingebunden werden] – niemand
soll mehr als fünf Minuten zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel
brauchen – soll langfristig auch die Tarifstruktur mit der des HVV
verknüpft werden.
8 Sep 2022
## LINKS
[1] /OePNV-auf-dem-Land/!5807353
[2] /Digitalisierung-des-Taxi-Markts/!5558357
[3] https://ioki.com/
[4] https://www.moia.io/de/
[5] /Gemeinschaftstaxis-im-Realitaetstest/!5828062
[6] /Verkehrswende-laeuft/!5852066
## AUTOREN
Niklas Berger
## TAGS
Verkehrswende
Verkehr
Mobilität
Ridepooling
Fähre
Mobilität
Wochenkommentar
Mobilitätswende
Arbeitsrecht
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