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# taz.de -- Streit um AKW-Laufzeiten: Streckbetrieb senkt Strompreis kaum
> Der Effekt einer Laufzeitverlängerung würde in den normalen Schwankungen
> der Strombörse untergehen. Ein Grund dafür ist die Logik am Spotmarkt.
Bild: Wann ist hier Schluss mit Stromproduktion? Das AKW Isar 2 in Bayern
Freiburg taz | Ein [1][Streckbetrieb der beiden süddeutschen
Atomkraftwerke] hätte nur geringe Auswirkungen auf den Strompreis. Das
zeigen verschiedene Berechnungen von Strommarktanalysten.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Montag einen optionalen
Weiterbetrieb der Anlagen in Bayern und Baden-Württemberg verkündet. Grund
für diesen Schritt war aber ohnehin nicht der Strompreis, sondern vielmehr
die Systemsicherheit – weshalb man den dritten noch laufenden Reaktor –
jenen im Emsland, im besser versorgten Norden – vom Streckbetrieb
ausschloss.
Schon vor der Bekanntgabe der Entscheidung in Berlin [2][hatte das
Öko-Institut Berechnungen veröffentlicht], wonach die „Strompreiseffekte im
Großhandelsmarkt eines Streckbetriebs der Kernkraftwerke Isar 2 und
Neckarwestheim äußert gering“ seien. Konkret gehe es um eine Preissenkung
im Umfang von 0,5 bis 0,8 Prozent, erklärten die Wissenschaftler.
Felix Christian Matthes, Umweltökonom und Energie-Experte beim
Öko-Institut, ergänzte: „Das sind Spotmarkteffekte, die sich faktisch im
Terminmarkt nicht niederschlagen werden und deswegen bei den Verbrauchern
auch nicht ankommen werden.“ Auswirkungen auf den Strompreis könnten daher
„keine Begründung für Streckbetrieb sein“.
Auch andere Marktanalysten errechneten eine Preisdämpfung in ähnlich
bescheidener Größenordnung. Sollten die beiden Reaktoren von Januar bis
April – also die maximale Zeit – am Netz sein, wäre der Grundlastpreis im
Jahr 2023 um etwa fünf Euro pro Megawattstunde billiger als ohne die
Kraftwerke, rechnet Mirko Schlossarczyk vom Beratungshaus Enervis vor.
Bei einem Preis von gut 500 Euro am Terminmarkt – das war der Preis am
Mittwoch – wäre das ein Preisvorteil wiederum von nur knapp einem Prozent.
Auch Tobias Federico, Chef der Energieberatung Energy Brainpool, nannte
gegenüber einem Branchen-Newsletter den Preiseffekt „vernachlässigbar“.
## Das Marktlogik-Problem
Die geringen Auswirkungen des zusätzlichen Atomstroms hängen mit der Logik
des Marktes zusammen. [3][Im Rahmen der sogenannten Merit Order
(Leistungsbestellung) sortiert der Spotmarkt die Kraftwerke nach ihren
variablen Kosten.] Dann kommen zu jedem Zeitpunkt die jeweils billigsten
Angebote zum Zuge, bis der Bedarf vollständig gedeckt ist. Das letzte
Kraftwerk, das dann gerade noch notwendig ist, bestimmt nach der an allen
Warenmärkten geltenden Logik den Spotmarktpreis.
Nun würde ein zusätzliches Atomkraftwerk möglicherweise das bisher teuerste
Kraftwerk aus dem Markt drängen mit der Folge, dass dann das bisher
zweitteuerste Kraftwerk den Preis setzt. Wenn dieses aber kaum billiger ist
als das bislang preisbestimmende, sinkt der Börsenpreis kaum. Genau das ist
hier der Fall: Die Preiskurve ist im aktuell relevanten Bereich der Merit
Order sehr flach.
Für die Preise von Haushaltskunden sind ohnehin weniger die Spot- als die
Terminmarktpreise relevant. Dort kaufen die Versorger den Strom oft
langfristig ein; zum Beispiel werden dort Jahresverträge für 2023
gehandelt. Der Terminmarkt spiegelt zwar gewissermaßen den erwarteten
mittleren Spotmarktpreis im betreffenden Zeitraum wider.
Doch weil die Einflussgrößen auf den Terminmarkt so vielfältig sind,
variiert der Preis so sehr, dass die Frage, ob der Streckbetrieb kommt oder
nicht, keine relevante Rolle mehr spielt. Das jüngste Beispiel vom
Mittwochvormittag: An der Strombörse EEX schwankte der Preis der
2023er-Grundlast binnen nur einer Stunde zwischen 505 und 530 Euro. Da
gehen die errechneten fünf Euro an Preissenkung durch den Streckbetrieb im
Rauschen unter.
7 Sep 2022
## LINKS
[1] /Energiekrise-in-Deutschland/!5876523
[2] https://blog.oeko.de/atomausstieg-mythen-zu-streckbetrieb-und-laufzeitverla…
[3] /Habeck-will-Strom--von-Gaspreis-loesen/!5877441
## AUTOREN
Bernward Janzing
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