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# taz.de -- Habecks Plan für Reserve-AKW: Technisch sehr anspruchsvoll
> Die Atomwirtschaft hält das Wiederanfahren von Reaktoren binnen einer
> Woche kaum für möglich. Zudem fehlen Erfahrungen für ein solches Manöver.
Bild: Wasserdampf steigt aus dem Kühltum vom Atomkraftwerk Isar 2
Freiburg taz | Technisch machbar? Oder doch nicht? Preussen Elektra, der
Betreiber des Reaktors Isar 2, hat [1][den Plan des
Bundeswirtschaftsministeriums kritisiert], zwei Atomkraftwerke zum
Jahresende in die Kaltreserve zu überführen und bei Bedarf wieder
hochzufahren. Das sei „technisch nicht machbar und daher ungeeignet, um den
Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern“ schrieb diese Woche Firmenchef
Guido Knott dem Ministerium. Ein flexibles Anheben oder Drosseln der
Leistung sei im Reservebetrieb „nicht mehr möglich“.
Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, schrieb
daraufhin zurück, die Anlagen sollten – anders als Knott suggeriere –
„nicht flexibel an- und abgefahren werden“. Vielmehr gebe es „grundsätzl…
zwei mögliche Varianten“: Entweder stelle man im Dezember fest, dass ein
Abruf der Einsatzreserve nötig ist, dann blieben die beiden Kraftwerke oder
auch nur eines davon in Betrieb. Andernfalls werden sie heruntergefahren.
Sollten sie dann im späteren Verlauf des Winters doch noch benötigt werden,
würden sie wieder hochgefahren und im Streckbetrieb bis maximal Mitte April
Strom produzieren.
Doch hier offenbart sich nicht nur ein Missverständnis zwischen Ministerium
und Kraftwerksbetreiber, [2][was den geplanten Betriebsmodus der beiden
Reservereaktoren] betrifft. Es geht vor allem auch um die Frage, wie
schnell sich ein Reaktor im Zustand der Kaltreserve wieder ans Netz bringen
lässt. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte das Wiederanfahren im
Bedarfsfall binnen einer Woche in Aussicht gestellt. Knott hingegen betont,
dies sei „im fortgeschrittenen Streckbetrieb nicht und schon gar nicht
kurzfristig innerhalb einer Woche machbar“.
Dazu muss man wissen, dass ein Reaktor, der sich [3][im Streckbetrieb
befindet], anderen physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, als eine
Anlage im regulären Betrieb. Der Streckbetrieb ist definiert als die letzte
Phase, wenn der Reaktorkern so weit ausgebrannt ist, dass er nicht mehr die
volle Nennleistung liefert. Um in diesem Zustand die Restleistung noch
realisieren zu können, muss die Konzentration des Elementes Bor im
Kühlmittel, die bei frischen Brennelementen deren Reaktivität steuert, auf
Null gesenkt sein.
## Schlüsselelement Bor
Und genau darin liegt das Problem. Denn während der Kaltreserve muss dem
Kühlwasser – um jegliche weitere Kettenreaktion zu unterbinden – Bor in
hoher Konzentration zugesetzt sein. Frische Brennelemente brauchen auch im
Betriebszustand noch Bor im Kühlwasser, weshalb bei diesen die
Betriebsbedingungen wieder relativ zügig hergestellt werden können. Bei
„ausgelutschten“ Brennelementen hingegen muss das Kühlwasser für den
Betrieb frei von Bor sein, und das dauert im Bedarfsfall sehr lange.
Deswegen geht auch die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit
davon aus, dass die Wiederinbetriebnahme einer Anlage, die sich bereits im
Streckbetrieb befindet, binnen einer Woche kaum zu schaffen ist. Hinzu
komme, dass es keine Betriebserfahrungen gebe für das Anfahren eines
Reaktors, der mit weit abgebranntem Reaktorkern wochenlang stillstand.
Nun lädt der Staatssekretär den Chef von Preussen Elektra „zu einem
Gespräch ein, um alles Weitere zu besprechen“. Es dürfte auch ein Ausflug
in die Reaktortechnik werden.
8 Sep 2022
## LINKS
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[3] /Streit-um-AKW-Laufzeiten/!5876607
## AUTOREN
Bernward Janzing
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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AKW
Energiekrise
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