# taz.de -- Nachruf Elisabeth Meyer-Renschhausen: Sie spann Netze und Gedanken | |
> Elisabeth Meyer-Renschhausen war eine originelle Rebellin, die für | |
> Frauen, Umwelt, den Planeten stritt. Jetzt ist sie gestorben. | |
Bild: Eine Spinnerin? Über dieses Label hätte sie sich nicht geärgert | |
Wer etwas über Urban Gardening, über Gärten in der Stadt, wissen wollte, | |
musste Elisabeth Meyer-Renschhausen kontaktieren. Wer Fragen hatte zu | |
Frauengeschichte, Sozialarbeit, Frauenbewegung, bekam von ihr ebenfalls | |
Antworten. Wer sich für unangepasste Wissenschaftlerinnen interessierte, | |
sie kannte sie alle. Wer etwas über die [1][Kulturgeschichte des Breis] | |
erfahren wollte, kam an ihr nicht vorbei. Wer sonst wäre auf die Idee | |
gekommen, den Brei zum Forschungsthema zu machen? Sie hat nicht nur [2][in | |
der taz viele Artikel] zu diesen Themen geschrieben. Nun kann niemand mehr | |
Elisabeth Meyer-Renschhausen fragen; sie starb 73-jährig an Krebs. | |
Meyer-Renschhausen ist eine dieser Rebell:innen, die wie der zeitgleich | |
[3][verstorbene Christian Ströbele] die verkrusteten Strukturen des | |
Nachkriegsdeutschland niemals hätten tradieren wollen. Als Frau schon gar | |
nicht, denn in den 50er und 60er Jahren, als sie aufwuchs, war die | |
Erziehung und Bildung der Mädchen wieder auf die 3K ausgerichtet, auf | |
Kinder Küche Kirche. Das tradierte Frauenbild wurde als alternativlos | |
gepriesen. | |
Nicht nur über solche Themen konnte, wer das Glück hatte, sie zu kennen, | |
mit Elisabeth streiten. Ja, streiten: Denn wer in Widerspruch geht, muss | |
neue Gedanken zulassen. In diesem Sinne war Meyer-Renschhausen, die etwas | |
spitzbübisch Jugendliches hatte, vor allem wenn sie ihre Schiebermütze | |
trug, radikal. | |
Um neue Gedanken ging es ihr. Um das Undenkbare denkbar zu machen. Und um | |
ein Leben im Einklang mit der Natur. Sie sah die kapitalistische Gier und | |
sehr früh auch die Gleichgültigkeit dem Planeten gegenüber. Sah, welche | |
gravierenden Folgen die Klimakrise vor allem für die armen Menschen hat. | |
Und die Mehrheit der Weltbevölkerung ist arm. | |
## Der Hoffnung eine Plattform | |
Sie wollte dem, was in all der Misere Hoffnung macht, eine Plattform geben. | |
Deshalb ihr Engagement für Urban Gardening. Etliche Gärten in Berlin hat | |
sie mit ins Leben gerufen. Heute gelten Gemeinschaftsgärten in der Stadt | |
bereits als [4][Hoffnungsträger gegen Nahrungsmittelknappheit] in der | |
Klimakrise. Vor einem Vierteljahrhundert aber galten sie als fixe Ideen von | |
Spinnern. Und Spinnerinnen. | |
Niemals wäre Elisabeth Meyer-Renschhausen böse gewesen, hätte jemand sie | |
eine Spinnerin genannt. Vielmehr hätte sie es als Stichwort genommen, für | |
einen Exkurs in die Spinnenwelt, samt Spinnenphobie, die doch etwas mit der | |
Mutter zu tun hat, der umschlingenden, der Netze bauenden; sie wäre davon | |
ausgehend zur Kulturgeschichte der Hysterie von Frauen, weiter zur | |
Hexenverfolgung und der damit einhergehenden Zerstörung traditioneller | |
Heilmethoden gekommen. Spinnen, das heißt Netze weben, heißt Gedanken | |
weben, heißt Denken. Sie war eine große und großartig Spinnende. | |
Und Vernetzende. Denn Spinne und Netz gehören zusammen. Sie spann nicht nur | |
Gedanken; sie spann auch Netzwerke. Mitunter reiste sie um die Welt, um die | |
Grassroot-Bewegungen in Asien, in Südamerika, in Osteuropa zu studieren. | |
Und um herauszufinden, was wir von ihnen lernen können. Was wir etwa von | |
der kleinbäuerlichen Struktur auf der ganzen Welt lernen können. Dass | |
Subsistenzlandwirtschaft ein Arbeitsbereich von Frauen ist. Und dass diese | |
nicht zählt, wenn es um Infrastrukturprojekte geht, die auf den | |
Ackerflächen gebaut werden sollen. Entwicklung fördert vielerorts Armut. | |
Armut von Frauen. | |
Ach, Armut: Auch sie hatte oft wenig Geld, hielt sich bis zu ihrem Tod als | |
Privatdozentin an Unis und mit Vorträgen, Buchprojekten, Workshops und | |
Artikeln über Wasser. Als Professorin an eine Universität wurde sie nie | |
berufen. Weil sie ihrer Zeit voraus und gleichzeitig fortschrittskritisch | |
war. Weil sie herzensgut, aber nicht zu stoppen war. Es sind diese | |
Menschen, die die Gesellschaft weiter bringen. | |
4 Sep 2022 | |
## LINKS | |
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[2] /!s=&Autor=Elisabeth+Meyer-Renschhausen/ | |
[3] /Christian-Stroebele-ist-gestorben/!5878473 | |
[4] https://www.yumda.de/news/1177439/staedtische-kulturen-koennen-hoehere-ertr… | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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