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# taz.de -- Der Hausbesuch: Schnelles Leben, schneller Beat
> Thomas Breitbach hätte Fußballprofi werden können – bis ein Unfall kam.
> Er fuchste sich ins DJ-Leben ein – bis Corona kam. Heute ist er Erzieher.
Bild: Er weiß, was heißt, immer wieder neu anzufufangen: Thomas Breitbach in …
Eine große Karriere als Fußballprofi, das war sein erster großer Traum.
Doch das Schicksal wollte mehr als einmal ganz anders als Thomas Breitbach.
Zum Glück hatte er immer wieder Ideen für den Neuanfang.
Draußen: Dönerläden, Beautysalons, Einkaufszentren, Sushiküchen,
leuchtende Lichter – wie es so aussieht in den Zentren kleiner Städte.
Links ein Friseur, rechts ein Optiker, dazwischen seine Wohnungstür. Thomas
Breitbach wohnt in Bendorf, der rechtsrheinischen Stadt zwischen Koblenz
und Neuwied. Direkt an der Hauptstraße.
Drinnen: Es ist eine kleine Wohnung, in der Breitbach in Jogginghose und
langem T-Shirt auf der Couch sitzt. Seine Kleidung ist gebügelt, auf dem
Tisch blubbert eine Wasserpfeife. An den Wänden hängen Fotos. Eine Bühne,
Breitbach von hinten, vor ihm Turntables und Tausende Menschen, die ihm
zujubeln. Daneben zwei Goldene Schallplatten. „Moje Jung“, sagt er. Wie das
für gebürtige „Kowelenzer“ so üblich ist.
Goldene Platten: Breitbach galt vor neun Jahren noch als Fußballtalent, als
kluger Kopf, der das Spiel lesen und die Mannschaft als Kapitän anführen
kann. Heute ist er als DJ in Europa unterwegs, geht mit dem Rapper Olexesh
auf Tour, schläft in Hotels mit Pool im Zimmer. Und so hängt, zwischen den
Goldenen Platten und den Fotos, auch eine Frage im Raum: Wie ist es dazu
gekommen? Er grinst. Und beginnt zu erzählen.
Anpfiff: Mit vier Jahren stand er das erste Mal auf dem Rasen und die
Trainer entdeckten sein Talent. Er verstand das Spiel; er hatte den
Überblick und das Gefühl in den Beinen. Die nötige Leidenschaft sowieso.
Bald kamen auch die nötige Kraft und die Ausdauer. Ein Kämpfer. Seine
Eltern unterstützten ihn. Viermal die Woche Training lehrten ihn, was Druck
bedeutet, Teamgeist und Neid, Leistung auf Abruf, unfaires Spiel, aber
auch, ganz simpel, Freundschaft. Der britische Schriftsteller Terry
Pratchett sagte es mal so: „Denn das ist die wichtigste Sache am Fußball,
dass es niemals nur um Fußball geht.“
„Möchtegernprofis“: Vom kleinen Bambino bis zur Oberliga in der
U23-Mannschaft – er spielte bei den Platzhirschen. Da, wo das Trikot
verpflichtet. „Die Spiele in der TuS Koblenz waren schon ekelig teilweise“,
erzählt er. Denn der TuS Koblenz galt als der beste Verein der Region. Für
die Neider waren sie die „Möchtegernprofis“. „Die wollten die Spiele geg…
uns mit aller Gewalt gewinnen“, sagt er. Und so hat sein Verein jedes Mal
aufs Neue Höchstleistungen abrufen müssen. „Wir mussten denen ja zeigen,
dass wir diesen Ruf nicht umsonst haben.“ Er träumte davon, noch weiter
aufzusteigen.
Pressball: Doch dann, 2011, er hatte gerade seinen Verein gewechselt, gab
es im Spiel einen Zusammenstoß. Pressball. „Ich hatte gedacht, das sei nur
ne leichte Verletzung.“ Aber das Bein wurde über Nacht immer dunkler, „bis
fast bis zum Knie schwarz“. Kompartmentsyndrom. Eine Notoperation konnte
sein Bein retten. Seine Träume jedoch nicht. Er war 22 Jahre alt. Thomas,
Sechser, defensives Mittelfeld, finito.
Türen: Plötzlich stand für ihn alles still. Er war damals mitten in seiner
Ausbildung zum Erzieher, aber der Ball rollte nicht mehr. „Wenn eine Tür
sich schließt, öffnet sich eine andere“, sagt er. Breitbach hat neben dem
Fußball noch eine andere große Leidenschaft: den HipHop. Das hat er seinem
Bruder zu verdanken. „Ich bin früher zu dem ins Kinderzimmer und hab mir
die CDs von ihm geklaut. Das hat immer den größten Ärger gegeben!“ [1][Die
CD vom Wu-Tang Clan] habe er noch irgendwo rumliegen. „Die hab ich
abgöttisch geliebt!“ Die Beats, der Style, das Graffiti, die Skater,
„einfach wie die Leute miteinander abhingen, miteinander gechillt haben,
die ganze Szene war geil.“
In Bewegung: Und er habe auch irgendwie Bock gehabt, irgendwas mit Musik zu
machen. Den Gedanken daran zu rappen hatte er nie. Selbst Texte schreiben?
Dafür hat ihm das Interesse gefehlt. „Aber Dinge zu bewegen, darauf hatte
ich schon immer voll den Turn.“ Selbst im Club stehen, die Leute zum Tanzen
zu bringen. Bereits 2008 hatte er sich Turntables zugelegt, um das Handwerk
des DJ zu lernen. Mit Platten, oldschool. Täglich fünf Stunden üben. Auch
Ehrgeiz ist eine Begabung. „Watt für DJ?“, fragten seine Eltern.
Unverständnis im feinsten „Kowelenzer“ Platt. „Erst Fußball und jetzt
kommst du hier um die Ecke und willst DJ werden?“ Er wollte.
Olexesh: Jahre später, die nächste harte Schule hinter sich gebracht – auf
Flyern war sein tätowiertes Gesicht abgebildet und er wurde für größere
Shows gebucht –, legte er in Darmstadt auf. [2][Olexesh], ein Rapper mit
vielen Millionen Klicks, war ebenfalls in dem Club. Er suchte noch nach
einem DJ für seine Tour. Beginn: eine Woche später. Und Thomas Breitbach,
alias DJ T-Bright, gefiel ihm. Dann ging alles ganz schnell.
Zack, zack: In Frankfurt trafen sie sich für einen Kaffee, kurz darauf
musste Breitbach einen Probeauftritt bestehen. Der Manager war überzeugt.
Seinen Job als Erzieher gab er auf, seine Chefin zeigte Verständnis.
Vertragsauflösung. Zack, zack! Auf einmal ging er auf Tour. Minigagen und
Luxussuiten mit Pool trennt das reine Glück.
Passspiel: T-Bright sucht sich eine Person im Publikum aus, wenn er
auflegt. Aus 40 oder 50.000 Menschen, irgendeine, Zufall. „Mann oder Frau,
egal.“ Sie schaut er an, ihr erzählt er seine Geschichte. Eine Erzählung
vermitteln, einen Spannungsbogen in die Show zu bekommen, dafür hat er das
Mikrofon und die Musik. Keine technischen Hilfsmittel für die Übergänge.
Keine vorbereiteten Songlisten. Alles findet in seinem Kopf und seinem Ohr
statt. Und das Wichtigste: „Ich muss die Menschen verstehen, für die ich
auflege.“ Er bringt Nervosität und Anspannung mit auf die Bühne. Sie
wandelt sich, sagt er, während des Auftritts in Energie, die sich aufs
Publikum überträgt und die, wie ein Ball bei einem guten Passspiel, wieder
zurückgeschossen wird.
Bühne: Das zu lernen war die Ochsentour. Er legte auf, viele Nächte,
manchmal für umme. Manchmal für nen Fuffi und 25 Euro Freiverzehr. Auf
jeden Fall bekam er weniger als in den Tank musste. Malik, sein Mentor hat
ihn darauf vorbereitet. Breitbach wusste, worauf er sich einlässt. „Ey, das
war mir egal!“ Nach seinem Unfall hatte er den Ansporn und zu sich selbst
gesagt: du schaffst damit noch irgendwas. Er hat sich, erzählt er, selbst
noch auf einer Bühne gesehen. Er wollte es sich selbst beweisen. Der
Unterschied zum Fußball? „Hier bin ich für mich selbst verantwortlich.“
Foulspiel: Es lief gut. Die erste Tour mit Olexesh, das Album dazu spielte
Platin ein. Breitbach bekam als Teil des Erfolgsteams seine erste Goldene
Schallplatte. So was wie sein erster Pokal als DJ. Aber dann kam Corona –
Foulspiel vom Leben. Die Ersparnisse? „Das ging ratzfatz.“ Nach anderthalb
Jahren war sein Geld weg. Mittlerweile arbeitet er wieder als Erzieher.
Manchmal sind Eltern dort überrascht, wenn sie Breitbach mit der
tätowierten Rose im Gesicht sehen. „Wir gecken dann immer so rum“, sagt er.
Der Klassikerwitz: „Der macht hier gerade Sozialstunden.“ Kündigen will er
seinen Job nicht mehr. Auch wenn es im Showbusiness wieder gut läuft und
kürzlich die zweite Goldene Platte kam.
Abfiff: Es ist ihm zu unsicher. Corona habe ihm gezeigt, wie schnell es
vorbei sein kann. Außerdem tut ihm die Struktur im Leben gut, sagt er. Der
Stress, die Unregelmäßigkeiten, Essen bei Mäckes oder Burgerking, weil es
schnell gehen muss, Nightlife, immer auf Achse. Kürzlich die Quittung:
leichter Schlaganfall. Jetzt macht er nur noch das, was ihm und seinem
Körper guttut. „Ich hab ja jetzt den Luxus“, sagt er, „dass ich nicht me…
jedes Booking annehmen muss.“
Vorbild: Anstatt des Highlife geht Breitbach jetzt ehrenamtlich an Schulen,
wo es Menschen gibt, die weniger Glück im Leben hatten als er. Zu denen, wo
der Weg zwischen Schule und Knast sehr kurz ist. Das ist die Zielgruppe des
HipHop in seinen Ursprüngen. Breitbach selbst kommt aus gutem Haus, er
hatte alle Chancen und jede Unterstützung. „Andere haben das nicht“, sagt
er. Mit denen macht er Workshops, nimmt selbstgeschriebene Rapsongs auf,
lässt sich deren Geschichten erzählen. Ihnen versucht er ein Vorbild zu
sein.
18 Sep 2022
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## AUTOREN
Clemens Sarholz
## TAGS
Fußballspiele
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