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# taz.de -- Urlaub mit Hans in der Türkei: Der Kartoffelfresser
> Mit meinem Freund Hans besuchte ich ein Restaurant an einer staubigen
> Landstraße. Leider setzte sich der Wirt zu uns und fing an, über Hans zu
> reden.
Bild: Bei türkischen Nationalisten unbeliebt: deutsche Kartoffel
Mein Arbeitskollege Hans und ich fahren in der Türkei mit meinem Ford
Transit von einem Ort zum nächsten und filmen dabei alles, was sich uns in
den Weg stellt. Ein „Japanischer Urlaub“ sozusagen.
Plötzlich merken wir, dass wir einen Riesenhunger haben. Wir halten an
einem Restaurant an, das genauso verstaubt wirkt wie die Landstraße.
Draußen gibt es einige Tische, und wir nehmen erschöpft Platz. Wenig später
baue ich das Stativ auf und stelle unsere Videokamera drauf. Die soll mal
ein bisschen alleine arbeiten.
Wir bestellen Rinderdöner und Frauenschenkel-Köfte. Der Döner ist aus
echtem Rind, der Köfte ist zum Glück nicht aus echtem Frauenschenkel. Er
heißt nur so. Vor dem Essen bekommen wir aber zuerst den dicken Chef
serviert. Offensichtlich aus purer Langeweile setzt der sich einfach an
unseren Tisch.
„Ist der Kerl etwa ein [1][Kartoffelfresser]?“, fragt er mich und zeigt auf
Hans.
„Ja, aber heute will er lieber [2][Döner] fressen“, sage ich.
„Ich mag diese Kartoffelfresser nicht“, knurrt er.
Na toll! Das ist jetzt genau das, was ich mir bei einem gemütlichen Essen
nicht wünsche! Ich habe einen riesigen Kohldampf und hab überhaupt keine
Lust auf alberne Diskussionen. Und erst recht nicht mit einem blöden
Nationalisten. Die kann ich ja nicht mal mit vollem Bauch ausstehen.
„Wie schade, der Kartoffelfresser hat gerade gesagt, dass er Sie sehr
sympathisch findet“, lüge ich.
„Ist der Kerl etwa auch noch schwul?“, zischt er empört.
„Nein, er hat nur einen schlechten Geschmack“, lache ich.
„Also ich finde, dass diese Deutschen sehr dreckig sind!“
„Wie kommen Sie denn jetzt da drauf? Kennen Sie denn so viele Deutsche?“
„Nein, zum Glück hab ich nicht so viele Deutsche kennengelernt.“
„Sie haben Recht. Um [3][Vorurteile] zu haben, braucht man die Menschen
doch gar nicht zu kennen. Es ist sogar sehr hilfreich, wenn man sie nicht
kennt. Gerade dann entwickelt man nämlich die schönsten und die dicksten
Vorurteile.“
Gelangweilt durch unsere türkische Unterhaltung fängt Hans an, den Tisch
sauber zu machen. Er leert den vollen Aschenbecher in einen Mülleimer,
wischt mit seinem eigenen Taschentuch den Tisch ab und dann stürzt er sich
mit der gleichen Begeisterung auf die Tische rechts und links.
Der Restaurantbesitzer beobachtet das seltsame Geschehen mit großen Augen
und wird dabei knallrot.
„Weshalb macht er denn überall sauber? Hat er mich etwa verstanden? Kann
der Kartoffelfresser Türkisch?“, fragt er panisch.
„Das nicht. Aber dein Laden ist so versifft, dass nicht mal die dreckigen
Deutschen es hier aushalten.“
„Das glaube ich nicht! Der hat sicherlich vorher selber alles hier
eingesaut. Deshalb macht er jetzt sauber“, meckert er.
Ich nehme den Videorekorder vom Stativ und beweise ihm, dass sein Laden
schon vor unserer Ankunft so dreckig war.
Jetzt kapiere ich, warum die Japaner überall auf dieser beschissenen Welt
voller Idioten, selbst den kleinsten Mist so eifrig dokumentieren!
4 Sep 2022
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## AUTOREN
Osman Engin
## TAGS
Deutsche
Schwerpunkt Rassismus
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Vorurteile
Türken
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