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# taz.de -- Stand-up-Paddling auf der Spree: „Es holt einen komplett runter“
> Immer mehr Menschen paddeln auf einem Brett stehend die Spree entlang.
> Severine Scala betreibt den „StandUpClub Berlin“ am Funkhaus in
> Lichtenberg.
Bild: Ist doch ganz einfach: Severine Scala macht vor, wie Paddeln im Stehen ge…
Plitsch … platsch … plitsch … und platsch. Für mich gibt es kaum etwas
Entspannenderes als das gleichmäßige Geräusch, das mein Paddel verursacht,
wenn ich es ins Wasser steche und wieder aus dem Wasser hole. Ich habe mir
[1][ein Stand-up-Paddle] angeschafft. Wenn ich den Plänterwald
entlangschippere, fühlt sich das an wie Urlaub. Von der Unruhe der Stadt
ist auf dem Wasser keine Spur.
Das Beste: Bis auf ein paar Ruderer:innen aus dem Club etwas weiter
flussaufwärts, wenigen Frachtschiffern, die mit ihren Kolossen gemächlich
die Spree entlangtuckern und dem einsamen Fährmann, der eine Handvoll
Radfahrer:innen und Laubenpieper von Ufer zu Ufer bringt, ist hier kaum
eine Seele anzutreffen.
Wobei das nur für bestimmte Zeiten gilt – etwa wochentags, wenn andere
arbeiten gehen,oder am Morgen, wenn die Partymeute endlich pennt. Es
kreuzen auch etliche andere Paddler:innen meinen Weg. Denn auf die Idee,
mit dem Stand-up-Paddle dem Alltag zu entfliehen, bin nicht nur ich,
sondern sind auch viele Tausend andere Berliner:innen gekommen. Das
wirft Fragen auf.
taz: Frau Scala, Sie betreiben den „StandUpClub Berlin“ am Funkhaus Berlin
in Lichtenberg, wo sie Bretter verleihen, Menschen übers Wasser führen und
mit ihnen Yoga auf dem Stehpaddelbrett praktizieren. Was ist so toll am
Stehpaddeln, dass das so viele Menschen machen wollen?
Severine Scala: Wenn du das Stand-up-Paddling als Sport siehst und schnell
paddelst, dann ist das ein Ganzkörpertraining, von den Zehenspitzen über
die Rücken, Beine, Arme ist alles daran beteiligt. Und natürlich die
Tiefenmuskulatur: Der Beckenboden wird automatisch angespannt. Für mich
bedeutet das SUP aber vor allem Entspannung. Es holt einen komplett runter.
Bei vielen Leuten sieht das aber überhaupt nicht so entspannt aus …
Ja, da zittern oft die Beine. Das ist bei vielen Anfänger:innen so,
auch bei den größten Sportler:innen. Die müssen sich erst mal vom Kopf her
locker machen und ihre Angst verlieren. Ich sage dann immer: Das ist ein
Wassersport. Was ist also schlimm daran reinzufallen? Am besten geht man
direkt am Anfang einfach mal kurz ins Wasser, das hilft, den Schrecken
loszuwerden.
Aber ist das Spreewasser nicht total eklig?
Nein. Oft ist die [2][Wasserqualität der Spree] sogar besser als bei
stehenden Gewässern. Bei der Rummelsburger Bucht gibt es noch Altlasten im
Grund. Da sollte man sich nicht zu lang im Wasser aufhalten. Schwimmen ist
in der Spree aber eh nicht erlaubt. Da verteilt die Wasserschutzpolizei
Strafzettel.
Gibt es sonst noch Regeln auf der Spree?
Es ist wichtig, die Schifffahrtsstraße zu kennen, die ist durch orange und
grüne Tonnen markiert. Der Berufsschifffahrt und der Fähre muss man
grundsätzlich ausweichen. Auch sollte man Wasserstraßen immer auf direktem
Weg kreuzen und sich nicht dort aufhalten. Ich wundere mich immer wieder,
dass das vielen Paddler:innen nicht klar ist. Auf einer Autobahn gehe
ich ja auch nicht spazieren und lege mich dort auch nicht zum Sonnen hin.
Die Schifffahrtszeichen sollte man auch kennen …
Klar. Es gibt auch eine Vorfahrtsregel: Windkraft vor Muskelkraft vor
Motorkraft. Segelbooten zum Beispiel müssen wir Platz machen, die privaten
Motorboote müssten uns dagegen ausweichen. Das Problem ist nur, dass das
viele nicht wissen oder einhalten, und wir sind halt nicht so schnell auf
dem SUP, deswegen würde ich immer eher defensiv paddeln.
Wie weit kommt man von hier raus ins Umland?
Sehr weit. Ein Kollege ist bis nach Fürstenwalde gepaddelt, über die Spree
bis Köpenick und von dort weiter über die Dahme. Spreeabwärts darf man nur
bis zur Oberbaumbrücke fahren. Das ist von hier aber ein schönes Stück, auf
dem es auch viel zu sehen gibt, zum Beispiel den Molecule Man oder das
Schiffswrack „Dr. Ingrid Wengler“, aber auch den Fernsehturm und das Rote
Rathaus kann man schon sehen. Bei den Brücken muss man nur aufpassen. Wenn
man im Schatten eines Pfeilers die Brücke passiert, sehen einen Boote oft
nicht. So was sollte man vermeiden.
Was ist mit dem Landwehrkanal?
Um da von der Spree aus reinzukommen, muss man sein SUP über die Straße
tragen, denn durch die innerstädtischen Schleusen darf man mit dem Board
nicht. Nach Starkregen empfehle ich da aber keinem entlangzupaddeln. Denn
in den Landwehrkanal fließt das Grauwasser: Wenn es viel regnet,
überschwemmt die Berliner Kanalisation, und dann kommt da alles Mögliche
rein. Ich habe da eine Menge toter Tiere gesehen. Das Ufer ist außerdem
sehr flach, da kann man leicht mit seiner Finne anstoßen. Besser paddelt es
sich auf dem Verbindungskanal hier schräg gegenüber vom Funkhaus. Da ist
man an windigen Tagen auch ganz gut geschützt.
Wind kann für Paddler:innen gefährlich werden.
Ja, den Wind unterschätzen viele. Vor allem Eltern sind mit ihren Kinder
oft viel zu locker. Die Kleinen können zwar meist gut paddeln, gegen
starken Wind kommen sie mit ihrer Muskelkraft jedoch nicht an. Von Böen
werden Kinder sehr schnell abgetrieben, da kommt keiner mehr hinterher.
Generell empfehle ich, immer erst gegen den Wind zu paddeln, damit man
sich, wenn man nicht mehr so viel Kraft hat, mit dem Wind zurücktreiben
lassen kann. Und natürlich möglichst am Ufer zu paddeln, dann kommt man bei
einem Wetterumschwung auch schnell an Land. Ich rate auch, nicht alleine zu
paddeln, das Handy in einer wasserfesten Hülle dabei und die Notrufnummer
schon abgespeichert zu haben. So kann man im Notfall schnell Hilfe
bekommen.
Was braucht man noch fürs Stehpaddeln?
Man sollte sich der Wassertemperatur und nicht der Lufttemperatur
entsprechend anziehen. Im April kann es 24 Grad haben, aber das Wasser hat
dann nur 8 Grad. Wenn du dann reinfällst, kann es einen Kälteschock geben,
die Gliedmaßen machen nicht mehr mit, und man kommt nicht zurück aufs
Board. Ich rate da zu einem Trockenanzug. Ein Neoprenanzug ist eng und
schwitzig, außerdem hält der nur im Wasser warm. Bei Sonne sollte man
natürlich an Sonnencreme denken, am besten eine, die die Natur nicht
belastet. Dann einen Hut, der einem nicht vom Kopf weht, und eine
Sonnenbrille, die man sichern kann. Es gibt schon sehr viele Brillen von
meinen Kund:innen hier in der Spree. Auch könnte man sich angewöhnen,
eine Box vorne ins Netz zu packen, um beim Paddeln Müll aus dem Wasser zu
fischen. Das geht mit der scharfen Kante des Paddels ganz leicht.
Naturschutz ist ein großes Thema beim Paddeln.
Auf jeden Fall. Hier in der Nähe gibt es drei kleine Inseln, die sind
geschützt, auf die darf man nicht drauf. Da brüten viele Wildvögel,
außerdem gibt es dort Sumpfschildkröten, Otter und Biber und natürlich
Fische. Man sollte sich fernhalten vom Ufer und einen Bogen um Schilf,
Sumpfdotterblumen und Seerosen machen. Und bei den Enten- und
Schwanenfamilien, die man gerade sieht, darauf achten, dass man nicht so
nah ranpaddelt und die Kleinen nicht von der Mama trennt.
29 Aug 2022
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## AUTOREN
Karlotta Ehrenberg
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