# taz.de -- Baumsterben im Potsdamer Park Sanssouci: Insel ohne Wasser | |
> Die Klimakrise macht auch vor Potsdam nicht halt: Zu wenig Wasser und zu | |
> heiße Sommer führen zum Absterben der Bäume. | |
Bild: Im Park Sanssouci macht sich der Wassermangel bemerkbar | |
Es ist Mittwochmorgen im Park Sanssouci. Noch sind nicht viele Touristen im | |
wohl bekanntesten Schlosspark des Potsdamer Welterbes unterwegs. Ein | |
kleiner Traktor tuckert zwischen den Bäumen entlang. Im Schlepp hat er | |
einen Tank. Über einen Schlauch bewässert ein Mitarbeiter der Stiftung | |
Preußische Schlösser und Gärten junge Bäume in einer Baumgruppe unweit des | |
Neuen Palais. | |
Ralf Kreutz winkt ihm zu. Er ist einer von drei Revierleitern im Park | |
Sanssouci und zuständig für den westlichen Teil des 300 Hektar großen | |
Gartendenkmals. „Hier haben wir viele waldartige Bereiche“, erklärt er. | |
Zehn Jahre arbeitet der ausgebildete Gärtner und Landschaftsarchitekt schon | |
für die Schlösserstiftung. Es ist sein Traumjob, sagt er. Er könne die | |
ganze Palette seiner Fähigkeiten anwenden. „Es ist nie langweilig.“ | |
Doch von Jahr zu Jahr hat Kreutz mit mehr Problemen zu tun. Denn der Park | |
wird sich verändern. „So wie jetzt wird es nicht mehr aussehen.“ Ohnehin | |
sind viele der großen Bäume am Ende ihrer Lebensdauer. Es müsste also | |
sukzessive nachgepflanzt werden. Der Erneuerungsprozess kommt allerdings | |
unter Druck. Denn jedes Jahr fallen mehr Bäume vor der Zeit aus. [1][Die | |
Klimakrise setzt dem Park zu.] Fehlende Niederschläge, heiße Sommer und | |
Stürme führen zu immer mehr Schäden. | |
Kreutz zeigt zu einer Baumgruppe, Eichen vom Anfang des vergangenen | |
Jahrhunderts. Mehrere haben in den oberen Teilen ihrer Kronen kaum noch | |
Laub. Bei anderen sind von dicken Ästen nur noch Stümpfe übrig. Sie werden | |
wohl nicht mehr lange überleben. „Findet der Baum nicht ausreichend Wasser, | |
stirbt er von oben nach unten ab“, erklärt Kreutz. Rund 150 Bäume habe man | |
nach dem Winter fällen müssen. | |
## Wurzeln kommen nicht mehr an Grundwasser | |
Seit 1990 sind Hunderte Millionen Euro in die Schlösser und Parks in | |
Potsdam geflossen. Die ziehen seitdem viele Besucher an. Im letzten Jahr | |
vor der Pandemie besichtigten rund 320.000 Besucher das Schloss Sanssouci. | |
Doch die Gartenlandschaft Lennés leidet seit ein paar Jahren unter | |
Trockenheit. Das ist besonders für die älteren Bäume ein Problem. Denn ihre | |
Wurzeln sind schon ausgewachsen. Und sie reichen etwa 1,50 bis 1,80 Meter | |
weit ins Erdreich und erreichen damit nicht das Grundwasser. Sie sind an | |
eine andere Feuchtigkeit im Boden gewöhnt und [2][können sich nun nicht | |
mehr anpassen.] | |
Dass es gerade in Potsdam zu trocken sein könnte, mutet zunächst seltsam | |
an. Die Stadt ist praktisch umzingelt von Seen und Flüssen. Schaut man auf | |
eine Satellitenaufnahme des Stadtgebiets, sieht man, dass die Innenstadt | |
und die sie umgebenden nördlichen und westlichen Vorstädte praktisch eine | |
Insel sind. Es gibt keinen Weg in die Stadt, der nicht über eine Brücke | |
führt. Auf beiden Seiten der Havel befindet sich das Areal des | |
Unesco-Kulturerbes mit den Schlössern und Gärten der preußischen Könige. | |
Tatsächlich hatten die Hohenzollern auch so ihre Probleme mit dem Wasser – | |
allerdings hatten sie zu viel. Jahrhundertelang hat man sich bemüht, die | |
teilweise ziemlich sumpfige Potsdamer Umgebung trockenzulegen. Kanäle | |
wurden gebaut, Pumpen installiert und Wasserbecken angelegt. Selbst mitten | |
in der Potsdamer Innenstadt gab es drei davon. Der Bassinplatz hat diesem | |
Umstand seinen Namen zu verdanken. | |
Doch mit der Klimakrise hat sich die Situation komplett gedreht. Von den | |
vergangenen vier Jahren waren drei deutlich zu trocken. Ausnahme war das | |
Jahr 2021, in dem etwa die durchschnittliche Niederschlagsmenge erreicht | |
wurde. Allerdings war das vergangene Jahr auch wärmer als der langjährige | |
Durchschnitt. Und wenn es wärmer ist, verdunstet auch mehr Wasser. | |
Entsprechend sieht es im Untergrund aus: Der Dürremonitor des | |
[3][Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung] verzeichnet für den Gesamtboden | |
bis 1,80 Meter Tiefe eine außergewöhnliche Dürre für den Großteil des | |
Stadtgebiets. | |
## Abpumpen von Wasser dieses Jahr verboten | |
Auch in diesem Jahr ist es in Potsdam seit Monaten zu trocken. So hat es | |
zum Beispiel im März nur einen kleinen Bruchteil der sonst üblichen | |
Regenmenge gegeben. Auch im Juli sind laut dem Meteorologenportal | |
[4][www.wetterkontor.de] im Vergleich zu den Juli-Monaten der Jahre 1961 | |
bis 1990 nur knapp 70 Prozent der üblichen Regenmenge gefallen. Im Juni | |
waren es sogar nur 40 Prozent. Zugleich war es im Schnitt drei Grad wärmer | |
als damals. | |
Ende Juni wurde deshalb das Rathaus aktiv. Per Allgemeinverfügung | |
untersagte man die Entnahme von Oberflächenwasser. Es ist also verboten, | |
Wasser aus Seen, Flüssen und Gräben zu pumpen, um zu gießen. Die Verfügung | |
gilt bis zum 10. Oktober. Wer gegen das Verbot verstößt, muss mit | |
Bußgeldern bis zu 50.000 Euro rechnen. | |
Die Begründung: Seit 2018 könne das Wasserdefizit in den Wintermonaten | |
nicht ausgeglichen werden – weshalb es jedes Jahr zu „extremem | |
Niedrigwasser in den Frühjahrs- und Sommerhalbjahren“ komme. In der Folge | |
seien die Gewässer zusätzlichem Stress ausgesetzt, was zu vermehrtem | |
Algenwachstum und Fischsterben aufgrund von Sauerstoffmangel führen könne. | |
Die Schlösserstiftung hat allerdings eine Ausnahmegenehmigung, wie Kreutz | |
erklärt. „Die gilt aber nur nachts.“ Das Wasser wird dann in ein Reservoir | |
auf dem Ruinenberg gepumpt. Die Gegend nördlich von Sanssouci heißt so, | |
weil Friedrich II. dort künstliche Ruinen als antike Kulisse aufstellen | |
ließ. Das Wasser brauchte der Preußenkönig für die Fontänen in seinem | |
Schlosspark. | |
Derzeit ist allerdings nur die große Fontäne vor den Sanssouci-Terrassen in | |
Betrieb, die meisten anderen Brunnen sind abgeschaltet, um Wasser zu | |
sparen. Das brauchen nämlich Kreutz und seine Kolleg:innen, damit die | |
Pflanzen nicht verdorren. „Es reicht gerade so aus“, sagt er. | |
## Im Park werden neue Methoden gesucht | |
Um das wenige Wasser effektiver einzusetzen, wenden Kreutz und seine | |
Kolleg:innen mehrere Methoden an. So sieht man an vielen Stellen im Park | |
Gießsäcke an Jungbäumen. Je nach Größe fassen die perforierten Säcke | |
zwischen 50 und 80 Liter Wasser. Das geben sie dann über ein bis zwei Tage | |
langsam aber stetig dort ab, wo der junge Baum auch Wurzeln hat. So | |
verdunstet weniger. | |
Andere Pflanzen sind mit Gießrändern eingefasst. Die verhindern, dass das | |
Wasser oberirdisch abfließt. Eine Notlösung, sagt Kreutz. „Eigentlich | |
wollen wir keine Plastikstrukturen im Park haben.“ Früher habe man | |
Jungbäume in den ersten drei Jahren gießen müssen. Inzwischen sind es | |
mindestens fünf Jahre. „Wir müssen die päppeln, damit sie hier ankommen.“ | |
Der Mehraufwand sei erheblich. | |
Außerdem haben die Gärtner angefangen, den Baumnachwuchs verstärkt im Park | |
selbst heranzuziehen. „Baumpflanzungen funktionieren nicht mehr so gut wie | |
früher“, sagt Kreutz. Nun wird entweder vor Ort ausgesät oder man setzt auf | |
die natürliche Vermehrung. Auf einer Wiese zeigt er junge Eichentriebe im | |
hohen Gras, die erst 20 bis 30 Zentimeter hoch sind. „Deshalb mähen wir | |
diese Bereiche nicht mehr.“ Nach ein paar Jahren werde dann selektiert. | |
„Jede einzelne Pflanze, die von alleine hochkommt, ist ja an die lokalen | |
Bedingungen angepasst.“ Das mache sie widerstandsfähiger. | |
Aber die Stiftung arbeite auch mit neuen, besonders klimaresistenten | |
Baumarten wie der Japanischen Zelkove oder der Resista-Ulme. Zunächst | |
pflanze man sie in Randbereichen, um zu beobachten, wie sie sich vor Ort | |
entwickeln. Doch selbst wenn es klappt, werde sich der Park wohl verändern. | |
„Die sehen einfach anders aus“, sagt Kreutz. | |
Außerdem beteiligt sich die Schlösserstiftung an einem Forschungsprojekt | |
mit der Fraunhofer-Gesellschaft und dem Helmholtz-Zentrum. Man | |
experimentiert mit verschiedenen Substraten zur Verbesserung des Bodens. | |
Zum Beispiel werde Pflanzenkohle eingebracht, um mehr Wasser zu speichern. | |
Schafwolle soll gegen Verdichtung helfen. | |
## Bestehende Bäume anfälliger | |
Das fehlende Wasser macht Bäume auch anfälliger für Schädlinge. Kreutz | |
führt zu einer Rotbuche. An ihrem Stamm wachsen schon Pilze. Weiter oben | |
sind Spechtlöcher zu erkennen – auch ein Zeichen für geschwächte Bäume. | |
Eine Gefahr ist auch der Sommerbruch. „An heißen Tagen um die Mittagszeit | |
schaffen es manche Bäume nicht, ihre Krone mit genug Wasser zu versorgen“, | |
erklärt Kreutz. Dann könne es vorkommen, dass sie das Eigengewicht von | |
Ästen nicht tragen können. Ohne Vorwarnung können dann selbst große Äste | |
abbrechen. | |
Ein paar hundert Meter weiter führt er zu einer Baumgruppe, die ein | |
bisschen gerupft aussieht. Auch hier hat es Sturmschäden gegeben. [5][„Das | |
Ahorn leidet“], sagt Kreutz. In der Baumkrone sind kahle Äste zu erkennen. | |
Man pflanze nach: Birken, Kiefern, Eichen. „Erst mal Masse reinbringen.“ In | |
der Gruppe steht auch eine kaukasische Flügelnuss, eine invasive Art, deren | |
Ableger in der ganzen Bauminsel sprießen. Die neuen Triebe müsse man | |
entfernen, um den anderen Arten Licht zu geben. | |
In der Nähe wächst eine kleine Buche. Kreutz schaut sie sich näher an und | |
ist zufrieden. „Das sind unsere Zukunftsbäume. Nicht alles ist verloren.“ | |
16 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Wassermangel-in-Brandenburg/!5738147 | |
[2] /Duerre-in-Deutschland/!5866901 | |
[3] https://www.helmholtz.de/ueber-uns/helmholtz-zentren/zentren-a-z/zentrum/he… | |
[4] https://www.wetterkontor.de/ | |
[5] /taz-nord-Serie-Waldspaziergang/!5869061 | |
## AUTOREN | |
Marco Zschieck | |
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