# taz.de -- Griechisches Flüchtlingscamp geräumt: Staatsgewalt gegen Geflüch… | |
> Das Geflüchtetencamp im Athener Stadtteil Eleonas wird geräumt – gegen | |
> den Willen vieler BewohnerInnen. Auf Proteste folgen Festnahmen. | |
Bild: Beginn der Räumung des Camps Eleonas am Freitag vergangener Woche. Bewoh… | |
BERLIN taz | Hunderte Migrant:innen protestieren seit vergangenem | |
Freitag gegen die Räumung ihrer Unterkunft im Athener Stadtteil Eleonas. An | |
jenem Tag hatte die Campleitung mit dem Transfer der insgesamt etwa 700 | |
BewohnerInnen des Lagers begonnen. Nachdem sich ein Teil der Flüchtlinge | |
geweigert hatte, in die Busse zu steigen, zog die Campverwaltung die | |
Polizei hinzu. Als BewohnerInnen das Camp zu blockieren versuchten, | |
stürmten Polizeieinheiten das Areal mit einem Großaufgebot. | |
„Es gab dabei extreme Gewalt“, sagt Miriam, eine Aktivistin der Gruppe | |
Solidarity with Migrants, am Telefon der taz. Sie ist eine von insgesamt | |
sechs UnterstützerInnen, die an dem Tag festgenommen wurden. Sie schätzt, | |
dass etwa 40 Frauen und Kinder bei der Aktion verletzt wurden. [1][Auf | |
Videoaufnahmen ist zu sehen], wie Polizisten Insassen mit Schilden, | |
Tränengas und Knüppeln abdrängen. | |
Migrationsminister Notis Mitarakis schrieb auf Twitter, die Räumung von | |
Eleonas sei nötig, weil der Stadtteil „modernisiert“ werde und es in | |
anderen Camps Platz gebe. | |
Seit den Zusammenstößen am Wochenende protestieren die rund 300 | |
verbliebenen BewohnerInnen zusammen mit linken Gruppen, Anwälten der | |
Verhafteten und ehemaligen SozialarbeiterInnen des Lagers. In einer | |
Erklärung warfen sie [2][der rechten Néa-Dimokratía-Regierung] und Athens | |
Bürgermeister Kostas Bakogiannis einen „kriminellen“ Umgang mit den | |
Flüchtenden vor. Sie erinnerten daran, dass diese in Eleanos eine Bleibe | |
gefunden hatten, nachdem sie in den „[3][Höllenlöchern Moria] und | |
Amygdaleza“ hatten leben müssen. | |
## Bedingungen in Eleonas waren besser | |
Dabei handelt es sich um zwei der vielen [4][EU-finanzierten | |
Internierungslager] Griechenlands, in denen der Staat Ankommende in der | |
Regel einsperrt. Nach ihrer Entlassung sind sie häufig sich selbst | |
überlassen und müssen auf der Straße leben. Dabei hat Griechenland seit | |
2016 mehr internationale Hilfe pro im Land befindlichem Flüchtling bekommen | |
als jeder andere Staat der Welt. | |
Die Bedingungen in Eleonas sind nach Meinung vieler BewohnerInnen besser | |
als anderswo. Kein anderes Lager der Region ist so gelegen, dass die | |
Bewohner die Innenstadt leicht erreichen können. Der Zugang war lange | |
offen, sodass NGOs dort Unterstützungsarbeit leisteten. | |
Ende Juni aber ließ die Verwaltung die Arbeitsverträge der | |
SozialarbeiterInnen auslaufen. Anfang August wurde allen NGOs, die im Camp | |
gearbeitet hatten, der Zugang verboten. Dies sei ein Schritt, mit dem die | |
Regierung Flüchtlinge aus Athen vertreibe, um sie „an abgelegenen Orten zu | |
verstecken, viele von ihnen obdachlos zu machen und einige, die sie für | |
illegal hält, sogar zu verhaften,“ heißt es in einer Erklärung der NGO | |
Project Elea. Allein seit 2016 haben nach Angaben von Project Elea | |
insgesamt rund 12.000 Geflüchtete in dem Camp gewohnt, rund 2.500 | |
Freiwillige hätten sich dort engagiert. | |
In Eleonas lebten auch Geflüchtete mit abgelehntem Asylverfahren oder ohne | |
Papiere. Sie fürchten nun, dass ihnen Abschiebung oder Obdachlosigkeit | |
drohen, wenn sie das Camp verlassen. | |
## Serie von Schließungen | |
Die Polizei hatte sich am Freitag zurückgezogen. Der nächste Transfer ist | |
von der Campleitung für kommenden Dienstag angesetzt. Die BewohnerInnen | |
fürchten, dass die Polizei diesen erneut mit Gewalt durchzusetzen versucht. | |
Die Räumung in Eleonas folgt auf eine Serie von Schließungen | |
zivilgesellschaftlich betriebener Unterkünfte für Geflüchtete in | |
Griechenland. Im Juli 2019 kam das berühmte gewordene, aktivistisch | |
geführte City Plaza Hotel mit seiner Schließung einer Räumung zuvor. Zwei | |
Tage zuvor hatte die Néa Dimokratía die Wahl gewonnen und der neue | |
Zivilschutzminister Michalis Chrisochoidis hatte die Schließung des City | |
Plaza zu seiner Priorität erklärt. Im Oktober 2020 schloss die Polizei das | |
Camp Pikpa [5][auf der Insel Lesbos], das von einem Solidaritätsnetzwerk | |
geführt wurde. | |
2022 sind bislang knapp 8.000 Geflüchtete auf dem See- und Landweg in | |
Griechenland angekommen – etwa doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr. | |
Die meisten Ankommenden stammen aus Palästina, Afghanistan, Somalia, Sierra | |
Leone und Syrien. Griechenland setzt auf eine zunehmend brutale und offene | |
Politik von Pushbacks in der Ägäis und an der Landgrenze zur Türkei. Das | |
Projekt Alarm Phone Aegean Border Archive spricht in einem Bericht von | |
Mitte August von „eskalierender Gewalt“ gegen Flüchtlinge in der Region. | |
Nach UN-Angaben sind seit Januar deshalb in der östlichen | |
[6][Mittelmeerregion 101 Menschen] gestorben. | |
25 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=rtHy_AS-erk | |
[2] /Nea-Dimokratia/!t5022489 | |
[3] /Fluechtlingslager-auf-Lesbos-ausgebrannt/!5708028 | |
[4] /EU-billigt-deutschen-Ausgabenplan/!5777663 | |
[5] /Fluechtende-in-der-EU/!5853835 | |
[6] /Seenotrettung-im-zentralen-Mittelmeer/!5871557 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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