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# taz.de -- Kampf gegen Hunger weltweit: Nothilfen reichen nicht aus
> Brot für die Welt fordert von der Ampel eine Mittelerhöhung und
> kritisiert die EU-Agrarpolitik. Global herrsche eine „Verteilungskrise“.
Bild: Fehlt derzeit oft: ukrainisches Getreide
Berlin taz | Bei der Vorstellung ihres Jahresberichts hat die
Hilfsorganisation Brot für die Welt von der Bundesregierung eine „schnelle
und massive“ Erhöhung der Nothilfe für Menschen gefordert, die unter Hunger
leiden. Das sei „allerdings nur Symptombekämpfung“, sagte Dagmar Pruin,
Präsidentin des evangelischen Hilfswerks. Pruin forderte angesichts [1][der
steigenden Zahlen von Hungernden weltweit] neue Maßnahmen ein. „In armen
Ländern sind die explodierenden Preise für Lebensmittel, Dünger, Diesel und
Strom zum Teil lebensbedrohlich.“
Laut dem Bericht hungerten weltweit im Jahr 2021 bis zu 828 Millionen
Menschen. Mit Beginn der Coronapandemie sei die Zahl um 150 Millionen
Betroffene angestiegen. Die Folgen des russischen Angriffskriegs sind in
dem Bericht noch nicht berücksichtigt. Pruin betonte aber bereits, dass im
laufenden Jahr die kriegs- und pandemiebedingte Inflation sowie
[2][ausbleibende Getreidelieferungen aus der Ukraine] „ein großes Loch in
die ohnehin schwierige Ernährungsversorgung vieler Länder gerissen“ hätten.
Eine schnelle Verbesserung der Lage sei aktuell nicht zu erwarten.
Die Hilfsorganisation fordert deshalb von der Ampelregierung, sich stärker
für eine Erhöhung der Nothilfe gegen die Ernährungskrise einzusetzen. Im
Mai hatten die Staatsoberhäupter der G7-Länder auf Initiative von
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ein neues „Bündnis für
globale Ernährungssicherheit“ beschlossen und bis zu fünf Milliarden
US-Dollar für Hilfspakete versprochen. Anstoß waren die steigenden
Lebensmittelpreise aufgrund der blockierten Weizenexporte aus der Ukraine.
Pruin spricht jedoch von etwa 22 Milliarden US-Dollar, die benötigt würden,
um die globale Ernährungskrise umfassend zu bekämpfen. Gleichzeitig nannte
sie es „verantwortungslos“, dass der deutsche Bundeshaushalt für
Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe laut Entwurf im kommenden
Jahr um etwa eine Milliarde auf 11,1 Milliarden Euro sinkt.
## Die Verteilung ist das Problem
Auf taz-Nachfrage antwortete das Bundesentwicklungsministerium, man rechne
angesichts des gesunkenen Etats damit, „in erheblichem Umfang auf die im
Bundeshaushalt 2023 eingeplante globale Vorsorge in Höhe von insgesamt 5
Milliarden Euro zugreifen zu müssen“.
Cornelia Möhring (Linke) sieht grundsätzlichen Nachholbedarf in der
Entwicklungspolitik der Ampel: „Die Haushaltsplanung ist geradezu
fahrlässig, weil sie mit Menschenleben spielt und Projekte des Globalen
Südens von der politischen Großwetterlage in Deutschland abhängig macht.“
Brot für die Welt kritisiert aber nicht nur die Höhe der finanziellen
Hilfe. Präsidentin Pruin sprach von einer „Verteilungskrise“ der
vorhandenen Lebensmittel. So gebe es etwa eine ausreichende Menge an
Weizen, um die gesamte Weltbevölkerung zu versorgen – man müsse sie nur
besser verteilen.
In diesem Zusammenhang hält Francisco Marí, Experte für Agrarhandel bei
Brot für die Welt, die Pläne der Europäischen Union, die bereits
beschlossene Stilllegung von 4 Prozent der Agrarflächen wieder zu kippen,
für falsch. „Wir sehen mit Sorge, wie die Agrarlobby diese Krise nutzt, um
Fortschritte bei Nachhaltigkeit und Biodiversität zurückzuholen.“
Die Hauptursache für Dürre und ausfallende Ernten sei eben gerade die
Klimakrise, betont Marí. Der Fokus von Entwicklungszusammenarbeit im
Agrarbereich müsse stärker darauf liegen, die Bäuer:innen vor Ort zu
unterstützen. Nur so könnten Länder des Globalen Südens unabhängiger von
Nahrungsmittelimporten werden.
Neben Forderungen an die Politik stellte Brot für die Welt am Mittwoch ihre
eigene Bilanz aus dem vergangenen Jahr vor. Bundesweit erhielt die
Organisation demnach mehr als 63,6 Millionen Euro Spenden und damit 13,2
Millionen Euro weniger als 2020. Das sei jedoch erwartbar gewesen: Eine
Haupteinnahmequelle für Spenden sind Kollekten aus Gottesdiensten, von
denen 2020 viele coronabedigt ausfielen. Derzeit fördert Brot für die Welt
mehr als 1.800 Projekte in fast 90 Ländern.
27 Jul 2022
## LINKS
[1] /Ukrainekrieg-mit-weltweiten-Folgen/!5864153
[2] /Exportstau-in-der-Ukraine/!5864457
## AUTOREN
Aaron Wörz
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