# taz.de -- Welttag für humanitäre Hilfe: Nur Geld reicht nicht | |
> Die Hilfe, die Deutschland in Krisengebiete schickt, reicht nicht aus. | |
> Expert:innen fordern mehr Personal vor Ort, um das Geld sinnvoll zu | |
> verteilen. | |
Bild: Warteschlange vor einer Essensausgabe in Bucha, in der Nähe von Kiew | |
Berlin taz | Deutschland hat seine Mittel für humanitäre Hilfe in den | |
letzten zehn Jahren massiv aufgestockt, jedoch fehlt es an Personal. Im | |
letzten Jahr stellte das Auswärtige Amt [1][2,57 Milliarden Euro] als | |
humanitäre Mittel zur Verfügung und ist damit nach den USA der zweitgrößte | |
Geldgeber weltweit, gemessen am Bruttosozialprodukt. Anlässlich des | |
Welttags für humanitäre Hilfe fordert Ralf Südhoff, der Direktor des Centre | |
for Humanitarian Action e. V. (CHA) einen „substanziellen Personalaufwuchs“ | |
vor allem in den humanitären Referaten des Auswärtigen Amtes. | |
Nur so könne sinnvoller und gezielter Hilfe geleistet werden, wo sie | |
gebraucht wird. In Deutschland verwalte ein:e Mitarbeiter:in 27,9 | |
Millionen Euro. Das seien zu viel für eine Einzelperson und der | |
bürokratische Aufwand wäre zu groß, dieses Geld gezielt an kleinere, lokale | |
Organisationen in den Krisengebieten einzusetzen. Deswegen verteile | |
Deutschland das Geld eher an große Hilfs- oder UN-Organisationen, so | |
Südhoff. | |
Ein Vergleich mit Schweden zeigt: Das Land spende zwar weniger Geld | |
insgesamt (405 Millionen Euro), jedoch wird das Geld besser auf die | |
einzelnen Mitarbeiter:innen verteilt. Neun Millionen Euro verteilt | |
ein:e schwedische Mitarbeiter:in der humanitären Mittel und kann so | |
gezielter agieren. Auch für Deutschland wäre das eine sinnvollere | |
Möglichkeit. Leider scheint aber keine Änderung in der Mittelverteilung | |
abzusehen. Mit Sorge betrachtet der ehemalige Leiter des Berliner Büros des | |
UN-World Food Programms die Finanzplanung der Ampel-Regierung: „Für 2023 | |
sollen zehn Prozent der Mittel des Auswärtigen Amtes gekürzt werden, das | |
wird dramatische Folgen für die Humanitäre Hilfe haben.“ | |
## Hilfe wird anders gebraucht als gedacht | |
Der Bedarf an langfristigen Hilfen werde unterschätzt. „Im allgemeinen | |
Bewusstsein sind eher Mittel notwendig, das Personal und Verteilung dieser | |
wird dabei aber vergessen“, sagt Südhoff. „Es sind weiterhin deutlich mehr | |
Mittel notwendig, das Personal dazu und ihre Verteilung darf dabei aber | |
nicht weiter vernachlässigt werden.“ Außerdem führen politische Fragen zu | |
weniger bis keiner Zusammenarbeit. Zum Beispiel in Syrien leiste die | |
Bundesregierung aus legitimen Gründen keine Entwicklungshilfe, um den | |
Diktator Baschar al-Assad nicht zu unterstützen – ein gezielter Ausbau der | |
Infrastruktur etwa zur Wasserversorgung wäre aber dennoch möglich und | |
wesentlich sinnvoller als zum Beispiel Wasserlieferungen im Zuge einer | |
andauernden Nothilfe, erklärt Südhoff das Problem. | |
CHA ist nach eigenen Angaben ein Think Tank zu Fragen und Diskussionen zu | |
humanitärer Hilfe. Der Verein wird unter anderem von der Caritas, der | |
Diakonie und des Deutschen Roten Kreuzes getragen. | |
Klar ist: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die | |
Krisensituationen weltweit verschlimmert. Das Auswärtige Amt schreibt, mehr | |
als 130 Millionen Menschen weltweit sind im August dieses Jahres aufgrund | |
von Kriegen und Naturkatastrophen auf Hilfeleistungen angewiesen. Insgesamt | |
sind es nach den Vereinten Nationen Ende Juli sogar [2][305 Millionen] | |
Menschen. | |
## Lebensgefährliche Einsätze | |
Neben der Kriegssituation in der Ukraine sprechen Hilfsorganistionen von | |
„vergessenen Krisen“, bei denen die Hilfe nicht ankommt. „Gerade die Hilf… | |
für die Menschen in den ‚vergessenen Krisen‘ steigen aber nicht in dem Ma�… | |
wie der Bedarf“, sagte der der Vorstandsvorsitzende des Verbands Verband | |
Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (Venro) Mathias Mogge dem | |
evangelischen Pressedienst. Nach UN steigt der Bedarf an Hilfe stetig an. | |
Im Jahr 2022 kann bis jetzt aber nur knapp ein Drittel der Bedarfe durch | |
die vorhandenen finanziellen Mittel gedeckt werden. Voriges Jahr waren es | |
immerhin 53,5 Prozent. | |
Helfer:innen, die vor Ort in den Ländern sind, riskieren ihr Leben. Nach | |
den Erhebungen der [3][Aidworker Security Datenbank] gab es nur dieses Jahr | |
74 große Attacken auf Entwicklungshelfer:innen. Zwischen Januar und August | |
2022 sind 44 Menschen aus Hilfsorganisationen gestorben. Im Südsudan | |
befürchten Expert:innen laut der [4][Organisation Care] die größte | |
Hungersnot der letzten elf Jahre. Hier starben dieses Jahr elf | |
Mitarbeiter:innen bei Einsätzen. | |
Der diesjährige Welttag für humanitäre Hilfe steht unter dem Motto | |
#ItTakesAVillage. Dieses ist angelehnt an das Sprichwort: „It takes a | |
village zu raise a child“, also, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein | |
Kind großzuziehen. Im Zusammenhang mit der Hilfe an Krisenorten soll es | |
heißen, dass in humanitären Notsituationen viele Organisationen und | |
Freiwillige zusammenarbeiten müssen. Der Welttag für humanitäre Hilfe wird | |
seit 2009 jedes Jahr am 19. August begangen. An diesem Tag wurden 2003 der | |
Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Sergio Vieira de | |
Mellothe, und zwanzig weitere Personen bei einem Anschlag auf das Canal | |
Hotel in Bagdad ermordet. | |
19 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/bericht-der-bundesregierung-ue… | |
[2] https://reliefweb.int/report/world/global-humanitarian-overview-2022-july-u… | |
[3] https://aidworkersecurity.org/ | |
[4] https://www.aktion-deutschland-hilft.de/de/hilfseinsaetze/ostafrika/nothilf… | |
## AUTOREN | |
Anne Frieda Müller | |
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