# taz.de -- Getreideexporte aus Ukraine: Sehnsüchtiges Warten am Bosporus | |
> Die Ankunft des aus Odessa kommenden Getreidefrachters in Istanbul | |
> verspätet sich. Indes setzt sich die Türkei einmal mehr als Vermittlerin | |
> in Szene. | |
Bild: Unterwegs nach Istanbul: das Frachtschiff „Razoni“ startete am Montag… | |
ISTANBUL taz | Selten wurde die Ankunft eines Schiffes in Istanbul so | |
sehnsüchtig erwartet wie das der „Razoni“ aus Odessa. Der unter | |
sierraleonischer Flagge fahrende Frachter hat am Montagvormittag mit 26.500 | |
Tonnen Mais an Bord Odessa verlassen. Er ist damit das erste Schiff, das | |
seit Beginn des russischen Angriffskriegs ukrainisches Getreide auf den | |
Weltmarkt bringen kann. Unter Vermittlung der Türkei hatten die Ukraine und | |
Russland am [1][22. Juli] eine sichere Seepassage aus drei ukrainischen | |
Häfen ausgehandelt, um so die Ausfuhr von Getreide [2][wieder zu | |
ermöglichen]. | |
Ursprünglich hieß es, die Razoni würde am Dienstagnachmittag in Istanbul | |
einlaufen. Dort stehen türkische und ausländische Fernsehteams bereit, um | |
die Ankunft zu dokumentieren. In den einschlägigen Netzwerken liefen den | |
ganzen Dienstag über Meldungen, Fragen und Kommentare, ob die Razoni besser | |
am Schwarzen Meer oder am Bosporus gefilmt werden könnte. Etliche | |
verfolgten das Schiff auf Marine Traffic, wo [3][im Internet die jeweilige | |
Position des Schiffes] abgelesen werden kann. | |
Große Aufregung gab es, als die [4][Razoni] plötzlich für 8 Stunden in der | |
Nacht von Montag auf Dienstag vom Bildschirm verschwand. Am Morgen war das | |
Identifikationssystem dann wieder eingeschaltet und das Schiff erschien vor | |
der Donaumündung. Dann sickerte durch, dass die Razoni sich aufgrund von | |
schlechtem Wetter verspäten und erst in der Nacht zum Mittwoch in den | |
Bosporus einlaufen würde. Viele befürchteten, die ganze Passage der Razoni | |
könnte während der Nacht erfolgen und man würde überhaupt nichts | |
mitbekommen. | |
Diesen Befürchtungen machte dann Admiral Ozcun Altunbudak am Dienstagmittag | |
ein Ende. Altunbudak ist Vorsitzender des in Istanbul gegründeten | |
Koordinationszentrums, das die Passage der Schiffe von der Ukraine bis | |
Istanbul überwacht und wo neben türkischen auch ukrainische und russische | |
Militärs und Vertreter der UNO die Umsetzung der Istanbul-Vereinbarung | |
überwachen. | |
Altunbudak sagte auf einer improvisierten Pressekonferenz, die Razoni werde | |
zwar in der Nacht zu Mittwoch erwartet, aber erst in den Morgenstunden um 8 | |
Uhr herum inspiziert. Das Schiff werde im Bosporus ankern und dort von | |
Vertretern aller Parteien des Kontrollzentrums untersucht werden. | |
Prestigeerfolg für die Türkei | |
Für die Türkei ist der Abschluss der Vereinbarung zwischen der Ukraine und | |
Russland in Istanbul ein großer Prestigeerfolg. Endlich kann das Land mal | |
richtig punkten, was die türkische Presse mit großen Headlines auskostet. | |
Türkische Regierungsvertreter versuchen denn auch eifrig die Bedenken zu | |
zerstreuen, die dem Abkommen im Westen entgegengebracht werden. „Ich rechne | |
damit, dass bald jeden Tag ein weiterer Getreidefrachter in der Ukraine | |
ablegen wird“, sagte ein hoher Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur | |
Reuters. | |
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu träumte bereits öffentlich | |
davon, dass das Getreideabkommen erst der Beginn erfolgreicher | |
Verhandlungen unter türkischer Moderation sein werden. „Am Ende muss eine | |
Friedensvereinbarung stehen“, fordert auch der türkische Präsident Recep | |
Tayyip Erdoğan immer wieder. | |
Doch ob die Umsetzung des Getreideabkommens wirklich klappt, muss sich noch | |
zeigen. Russland will sichergestellt haben, dass in den Schiffen aus der | |
Ukraine wirklich nur Getreide geladen ist und vor allem will die russische | |
Seite verhindern, dass Frachter, die in den nächsten Wochen Odessa | |
anlaufen, um Getreide zu holen, keine Waffen in die Ukraine transportieren. | |
Diese Kontrollen müssen einvernehmlich in Istanbul erfolgen, sonst geht es | |
nicht weiter. Russland erwartet außerdem, dass die UNO ihrem in den | |
Verträgen gegebenen Versprechen nachkommt und dafür sorgt, dass auch | |
russisches Getreide und Düngemittel trotz der Sanktionen wieder auf den | |
Weltmarkt kommt. Dazu gehört, dass die Frachter mit russischem Getreide und | |
Düngemittel wieder versichert werden können, ohne dass die | |
Versicherungsunternehmen Sanktionen fürchten müssen. | |
Doch auch ohne die Sanktionsandrohung wird es für Versicherungen schwierig. | |
Die Transporte gehören zur Hochrisikoklasse, deshalb stellt sich die Frage, | |
welche Versicherung das übernehmen will. Die größte Schiffsversicherung | |
Lloyd’s aus London hat zwar jetzt angeboten, Getreidetransporte zu | |
versichern, doch das kann teuer werden. Ob die weltweiten Getreidepreise | |
dann trotzdem noch fallen, ist unklar. | |
2 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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