# taz.de -- Queere Kino-Archivalien in Hamburg: Lavendel gegen den männlichen … | |
> Heide Schlüpmann und Karola Gramann sind Spezialistinnen für | |
> feministisches, queeres Kino. Sie sind nun eine Woche in Hamburg zu Gast. | |
Bild: Gegen Thatchers Regime: Jenny Runacre in Derek Jarmans Punk-Film „Jubil… | |
HAMBURG taz | Mit über 5.800 analogen Filmkopien besitzt die Kinemathek | |
Hamburg eines der größten derartigen Archive bundesweit. Die Ehre, in | |
dieser kulturellen Schatzkammer zu stöbern, wurde nun den beiden | |
Gründerinnen der Frankfurter [1][Kinothek Asta Nielsen] gewährt, Heide | |
Schlüpmann und Karola Gramann – und sie bekamen eine Carte Blanche, einige | |
ihrer Funde im Hamburger Metropolis Kino vorzustellen. | |
Schlüpmann und Gramann haben sich mit ihrer filmtheoretischen und | |
kinopraktischen Arbeit zum feministisch-queeren Kino selbst einen Namen | |
gemacht, und dieser diverse Blickwinkel ist es auch, der ihre Auswahl umso | |
interessanter interessant macht. Den größten Teil des Programms macht dabei | |
eine fünf Spielfilme umfassende, und damit eigentlich kleine | |
[2][Dorothy-Arzner]-Retrospektive aus. | |
Arzner war in den 1930er- und 1940er-Jahren die einzige Regisseurin, der es | |
gelang, in Hollywood Karriere zu machen. Lange vergessen, wurde sie erst | |
1970 wieder entdeckt, insbesondere „Dance. Girl, Dance“ aus dem Jahr 1940 | |
wurde zum Paradebeispiel für die Überwindung des im populären Kino so lange | |
alles beherrschenden männlichen Blicks. In dem Film (in Originalfassung zu | |
sehen am 9. und 10.8.) reißt sich Maureen O´Hara beim Tanzen auf der Bühne | |
eines Varieté-Clubs die Perücke vom Kopf und beschimpft die Männer im | |
Publikum. Eine ähnlich starke feministische Perspektive bietet Arzners Film | |
„Christopher Strong“ aus dem Jahr 1933, in dem Katharine Hepburn eine | |
berühmte Fliegerin spielt (11. und 13.8.). | |
In der Kinemathek Hamburg existieren insgesamt sechs Filme Arzners als | |
16mm-Kopie; neben den genannten werden jetzt noch drei weitere gezeigt: | |
„Craig's Wife“ von 1936 (13. + 14.8.), „First Comes Courage“ aus dem Ja… | |
1943 (mit Einführung am 13.8.) und „Nana“ (1934, mit Einführung am 10.8.)… | |
diese Filme hatten selbst Schlüpmann und Gramann noch nicht gesehen, bevor | |
sie sie in dem Hamburger Archiv entdeckten. | |
## Derek-Jarman-Doppelprogramm | |
Karola Gramann freute sich auch über einen anderen Fund: eine 35mm-Kopie | |
von „The Tempest“ (1979), ihrem Lieblingsfilm von Derek Jarman, zu sehen | |
nun am selben Abend wie Jarmans „Jubilee“ (12.8.), den die Kinemathek auf | |
16mm besitzt. Da trifft also eine Shakespeare-Verfilmung auf [3][den ersten | |
Film über die damalige britische Punkszene]. Für den Regisseur bestanden | |
zwischen solchen Stoffen keine grundsätzlichen Unterschiede, Gramann | |
schätzt an seinen Arbeiten „die Einbettung in historische und kulturelle | |
Gegebenheiten Englands in Verbindung mit seiner Protesthaltung gegen das | |
Regime vorn Margaret Thatcher“. | |
Der dritte Programmblock gibt schließlich Einblicke in die filmhistorische | |
Arbeit: Der Spielfilm mit dem schönen Namen „Rote Ohren fetzten durch die | |
Asche“, gedreht 1991 von den Filmkünstler*innen Ashley Hans Scheirl, | |
Ursula Pürrer und Dietmar Schipek, war in den 1990er-Jahren ein Kultfilm | |
der internationalen queeren Szene Als Karola Gramann ihn vor einigen Jahren | |
auf einem Festival zeigen wollte, stellte sie allerdings fest, dass es | |
keine vorführbare Kopie mehr davon gab. Sie startete eine Initiative, den | |
Film zu [4][restaurieren und zu digitalisieren]; diese Arbeit war fast | |
schon abgeschlossen, als sie erfuhr, dass doch noch eine Kopie existierte – | |
in Hamburg nämlich. | |
## Gesucht, nicht gefunden – und dann doch | |
In der Kinemathek fand sich die sogenannte Referenzkopie der Hamburger | |
Filmförderung, die „Rote Ohren“ seinerzeit mitfinanziert hatte. Diese | |
16mm-Version lagerte lange im Bundesarchiv und war nur äußerst selten | |
abgespielt worden. „Lavendel“ nennen Archivar*innen solche nahezu | |
perfekt erhaltenen Filme. Zum Auftakt des Gastspiels der beiden | |
Frankfurterinnen zeigt das Metropolis am Montag, 8.8., nun beides, die | |
Hamburger Archivkopie und die restaurierten Digitalversion. Es werde | |
Unterschiede beim Ton geben, bei den Farben, vor allem aber eine andere | |
„Bildwahrnehmung“, so Gramann. Aber es ist durchaus ein Wagnis: in einem | |
Double Feature der gleiche Film gleich zweimal. | |
8 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://kinothek-asta-nielsen.de/ | |
[2] https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/dorothy-arzner/ | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=EmU1s9FA8J4 | |
[4] https://www.remake-festival.de/restaurierung/digitalisierung-rote-ohren/ | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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