# taz.de -- Haus für Obdachlose in Berlin: Der Deal platzt | |
> Im Streit um den Erhalt der Habersaathstraße 40-48 ist keine Einigung in | |
> Sicht. Ein Ultimatum lassen die Mieter*innen am Freitag verstreichen. | |
Bild: Sichtbarer Protest gegen den Deal des Bezirks mit dem Investor in der Hab… | |
BERLIN taz | An diesem Freitag ist der Tag der Entscheidung über den Abriss | |
des [1][Wohnhauses in der Habersaathstraße 40-48] – zumindest, wenn es nach | |
dem Willen von Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) geht. | |
Bis zum 15. Juli hat er den zwölf Altmieter*innen des Gebäudekomplexes, | |
in dem [2][seit Anfang des Jahres auch rund 60 ehemalige Obdachlose] | |
wohnen, Zeit gegeben, über den [3][Deal mit dem Eigentümer Arcadia Estates] | |
zu entscheiden, den das Bezirksamt vor zwei Wochen beschlossen hat. | |
Die Vereinbarung sieht vor, den Abriss des erst vor rund 40 Jahren mit | |
öffentlichen Mitteln errichteten und 2008 energetisch sanierten Plattenbaus | |
mit rund 120 Wohnungen zu genehmigen, wenn die Altmieter*innen für zehn | |
Jahre eine gleichwertige Wohnung im Neubau zu ähnlichen Mietkonditionen | |
oder eine Abfindung von 1.000 Euro pro Quadratmeter erhalten. [4][Die | |
Vereinbarung wird von vielen Seiten scharf kritisiert]: Der Berliner | |
Mieterverein wirft dem Bezirk vor, schlecht verhandelt zu haben; der | |
wohnungspolitische Sprecher der Linken, Niklas Schenker, spricht sich für | |
eine Sanierung aus und fordert eine Lösung für alle im Haus lebenden | |
Bewohner*innen. | |
Und für die Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte ist | |
der Deal „wohnungs- und klimapolitisch ein Desaster“. Die Initiative | |
Leerstand Hab-ich-saath, die das über Jahre größtenteils leerstehende Haus | |
[5][gemeinsam mit den Obdachlosen zwei mal besetzt hatte], bis eine Duldung | |
vereinbart wurde, fordert statt eines Abrisses eine Rekommunalisierung. | |
Dass die Bewohner*innen dem Deal zustimmen, ist unwahrscheinlich. Das | |
Ultimatum am Freitag lassen sie jedenfalls verstreichen. Laut dem | |
Vorsitzenden des Mieterrats, Daniel Diekmann, haben noch immer nicht alle | |
Mietparteien die 16 Seiten umfassende Vereinbarung zwischen Bezirk und | |
Investor erhalten. „Worüber sollen wir entscheiden, wenn uns die | |
Vereinbarung nicht vorliegt?“, so Diekmann am Donnerstag zur taz. Erst nach | |
Erhalt der Unterlagen könnten sie eine rechtliche Prüfung vornehmen. | |
Was passiert, wenn die Altmieter*innen den Deal ablehnen, ist unklar. | |
Laut von Dassel würde der Bezirk dennoch eine Abrissgenehmigung erteilen, | |
nur eben ohne Zugeständnisse des Investors. Der will die Obdachlosen nur | |
dann weiter in dem Haus dulden, wenn der Deal zustande kommt. Für die | |
Altmieter*innen ein klarer Erpressungsversuch. Eine baldige Räumung ist | |
jedoch fraglich, auch weil der Eigentümer diese wohl vor Gericht | |
durchsetzen müsste. | |
## Angeblich zeichnen sich Lösungen ab | |
Das Bezirksamt will sich auf taz-Anfrage mit Verweis auf laufende | |
Verhandlungen nicht dazu äußern. Man befinde sich „in ständigem Gespräch | |
mit dem Eigentümer zur Situation der ehemaligen Obdachlosen“, so ein | |
Sprecher. „Es zeichnen sich Lösungen ab, die aber noch nicht | |
veröffentlichungsreif sind.“ | |
Für die Obdachlosen ist der unsichere Zustand eine nervliche Zerreißprobe. | |
„Die neuen Bewohner*innen wollen natürlich bleiben und haben Angst, | |
wieder auf die Straße zu müssen. Das ist eine unglaubliche psychische | |
Belastung“, so Valentina Hauser von der Initiative Leerstand Hab-ich-saath | |
zur taz. Mit Blick auf das auslaufende Ultimatum sagt sie: „Wir wissen | |
nicht, wie der Eigentümer reagiert und auf was sich die Polizei einlässt | |
und sind weiter in Alarmbereitschaft.“ | |
## Jede Menge Unterstützung für das Hausprojekt | |
Das Obdachlosen-Hausprojekt erfährt derweil viel Unterstützung in der | |
Stadtgesellschaft. Am Mittwochnachmittag demonstrierten Flinta, also | |
Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen, | |
vor dem Haus für den Erhalt selbstverwalteter Schutzräume wie der | |
Habersaathstraße. | |
Betroffene berichteten von den Schwierigkeiten, denen obdachlose Frauen im | |
Alltag begegnen. „Wir sind nicht scharf darauf, vor einem Millionenpublikum | |
auf der Straße unseren Tampon zu wechseln“, sagte eine junge Frau zu den | |
rund 50 Unterstützer*innen. Gewalterfahrungen seien für Flinta auf der | |
Straße Alltag, viele würden sich aus Angst vor Übergriffen verstecken. | |
„Alles was wir wollen, ist eine Tür, die wir hinter uns zumachen können.“ | |
14 Jul 2022 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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