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# taz.de -- Debatte um Deutsche Wohnen Enteignen: „Überhöhte Mieten werden …
> Rouzbeh Taheri weist den Vorwurf der Täuschung durch DW Enteignen zurück.
> Durch die Vergesellschaftung würden viele Mieten sinken, niedrige blieben
> stabil.
Bild: Fühlen sich nicht getäuscht: Kampagnenmitglieder von Deutsche Wohnen & …
taz: Herr Taheri, in einer Anhörung der Enteignungskommission haben Sie
gesagt, dass die Mieten nach der Vergesellschaftung nicht flächendeckend
sinken würden. Nun wird Ihnen von [1][manchen] [2][Medien] und der
Opposition Wählertäuschung vorgeworfen, weil [3][„Deutsche Wohnen & Co
enteignen!“] genau damit geworben hat. Haben Ihre Kritiker*innen recht?
Rouzbeh Taheri: Wir haben immer gesagt, dass in den vergesellschafteten
Beständen die überhöhten Mieten abgesenkt werden können. Dabei bleibt es.
Das betrifft schätzungsweise mehr als die Hälfte der Wohnungen der großen
privaten Konzerne. Daneben gibt es aber auch noch einen Anteil von
Wohnungen, deren Mieten nicht überhöht sind. Diese Mieten werden
eingefroren. Von daher können wir eben nicht sagen, dass es Mietsenkungen
flächendeckend geben wird. Es ist aber schon interessant, dass FDP und CDU,
die beide gegen den Mietendeckel geklagt haben und seit jeher gegen
jegliche Mietsenkungen sind, sich jetzt darüber beschweren, dass wir die
Mieten nicht flächendeckend, also nicht für jede Wohnung und nicht genug,
senken würden. Das ist ein absurder Vorwurf.
Im Informationsblatt zum Volksentscheid stand, die Anstalt öffentlichen
Rechts, in die die Wohnungen nach der Vergesellschaftung überführt werden
sollen, „senkt die Mieten“. Muss man das nicht als allgemeine Aussage
verstehen?
Um wie viel die Mieten bei wie vielen Wohnungen sinken werden, muss noch
ausgerechnet werden, individuell für jede Wohnung. Wir kennen ja gar nicht
die einzelnen Miethöhen bei den Immobilienkonzernen, sondern nur die
durchschnittlichen Mieten. Wenn man diese mit denen der landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften vergleicht, können wir von einer
durchschnittlichen Absenkung von mindestens 20 Prozent ausgehen. Bei den
Sozialwohnungen von Vonovia und der „Deutsche Wohnen“, bei denen die Mieten
noch günstig sind, ist eine Mietsenkung aber nicht erforderlich. Hier ist
dagegen die Zusicherung wichtig, dass die Mieten nicht angehoben werden,
wenn sie aus der Sozialbindung herausfallen.
Auf der Website Ihrer Initiative ist davon die Rede, dass Mieten auf 3,70
Euro pro Quadratmeter sinken können. Ist das Wunschdenken?
Wir hatten ausgerechnet, was für die ärmeren Teile der Bevölkerung eine
leistbare Miete ist, damit sie nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens
für die Nettokaltmiete zahlen müssen. Das waren zum Zeitpunkt der
Berechnung vor drei Jahren 3,70 Euro. Seitdem hat sich die
Einkommenssituation verändert, die aktuelle Zahl muss neu berechnet werden.
Klar ist, dass wir die Mieten für alle so gestalten wollen, dass die
Mieter*innen sie auch bezahlen können.
Was sind denn die Hebel, die es überhaupt erlauben können, zumindest einen
Teil der Mieten nach der Vergesellschaftung zu senken?
Der große Hebel ist, keine Dividende mehr zu zahlen. Über 40 Prozent der
Einnahmen aus den Mieten der Konzerne fließen direkt an die Aktionär*innen.
Wenn man die nicht mehr zahlen muss, hat man nicht nur die Möglichkeit,
Mieten zu senken, sondern auch, die Instandhaltung zu gewährleisten und die
Menschen, die dort arbeiten, nach Tarif zu bezahlen.
In der Anhörung sagte Harald Simons vom Forschungsinstitut Empirica, dass
es bei den Wohnungen der Konzerne keine großen Profitmargen gebe, sondern
sie ihren Gewinn vor allem aus der Höherbewertung ihrer Bestände ziehen
würden.
Es ist richtig, dass ein Großteil der Gewinne der Konzerne aus der
Spekulation auf zukünftige Werte der Wohnungen realisiert wird. Anders als
diese Gesellschaften müssen wir bei der Anstalt öffentlichen Rechts aber
gar nicht solche Gewinne erwirtschaften. Der sogenannte operative Gewinn
reicht aus, um Mietensenkungen zu gewährleisten und auch andere Dinge zu
finanzieren. Voraussetzung dafür ist aber, dass keine absurd hohen
Entschädigungen für die Vergesellschaftung bezahlt werden, damit die
Anstalt nicht mit hohen Kreditzahlungen belastet wird.
Unklar in der Debatte um den Begriff „flächendeckend“ ist auch, ob nur in
den vergesellschafteten Beständen Mieten sinken können oder es auch Effekte
für die anderen Wohnungen gibt.
Durch den Mietspiegel wirken gesenkte oder eingefrorene Mieten auf die
Bestände außerhalb der vergesellschafteten Wohnungen. Das hat man bei dem
kurzlebigen Mietendekel gesehen. Als da bei einem Teil der Wohnungen Mieten
gesenkt wurden und bei den meisten anderen nicht mehr anstiegen, ist der
Mietspiegel ein Jahr lang nicht gestiegen und teilweise sogar gesunken. Das
ist ein einmaliger Vorgang in den vergangenen Jahrzehnten. Wenn man also,
so wie wir es vorhaben, bei 240.000 Wohnungen die Mieten senkt oder
einfriert, wird das Auswirkungen auf die ganze Stadt haben.
Gibt es neben Mietsenkungen noch mehr Bereiche, für die Geld aufgewendet
werden müsste?
Die Budgets für Instandsetzungen könnten höher angesetzt werden, damit
Reparaturen schnell und zuverlässig gewährleistet werden. Das würde im
Übrigen auch langfristig die Kosten für Modernisierungen, die die
Mieter*innen zahlen müssen, senken. In der aktuellen Lage könnte unsere
Anstalt ein freiwilliges Kündigungsmoratorium aussprechen, wenn Menschen
ihre Energiekosten nicht zahlen können. Da braucht es keine gesetzliche
Regelung, das könnte man selbst aussprechen. Auch Neubau könnte man anders
betreiben, mit 100 Prozent bezahlbaren Wohnungen statt zu großen Teilen
hochpreisigen Wohnungen, die von der Durchschnittsbevölkerung nicht zu
bezahlen sind. Es ist also eine Menge möglich, nicht nur für die Mieter der
vergesellschafteten Bestände, sondern für die ganze Stadtbevölkerung.
Wie bewerten Sie die große Aufregung um Ihre Aussage? Die CDU nimmt sie
sogar zum Anlass, ein Ende der Arbeit der Enteignungskommission zu fordern.
Die CDU fordert seit vier Jahren nichts anderes: Die Kampagne zu stoppen,
keinen Volksentscheid durchzuführen, den Entscheid nicht umzusetzen. Sie
sind verzweifelt darüber, dass sie in der Berliner Bevölkerung keinerlei
Vertrauen in der Mietenpolitik genießen und versuchen, sich an jedem
Strohhalm festzuhalten. Insgesamt ist das eine Sommerlochdebatte. Wir sind
aber zuversichtlich, dass die Berliner*innen sich davon nicht beirren
lassen.
27 Jul 2022
## LINKS
[1] https://plus.tagesspiegel.de/berlin/mieten-sinken-gar-nicht-durch-enteignun…
[2] https://m.tagesspiegel.de/berlin/die-anstalt-senkt-die-mieten-das-falsche-v…
[3] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!t5764694
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
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