# taz.de -- Kinotipp der Woche: Die Geburt des Punkrocks | |
> Danny Garcia erzählt in seinem Dokumentarfilm „Nightclubbing: The Birth | |
> of Punk Rock in NYC“ die Geschichte eines legendären New Yorker Clubs. | |
Bild: „Nightclubbing: The Birth of Punk Rock in NYC“, ES 2022 R: Danny Ga… | |
Restauranttische gehören nicht zu den Gegenständen, die man mit Punkrock | |
assoziiert. Doch Max's Kansas City, einer der zentralen Clubs für die | |
Geburt des Punkrocks in den USA, hatte genau das: einen Bühnenraum voller | |
Tische, an denen mehr oder weniger gutes Essen serviert wurde. | |
Wichtiger war in den ersten Jahren nach der Eröffnung 1965 jedoch ohnehin | |
der Hinterraum, in dem die New Yorker Kunstavantgarde um Andy Warhols | |
Factory auf Musiker_innen vor allem aus dem Umfeld des Glam Rocks traf. | |
Ab Ende der 1960er Jahre traten in dem Club Musiker wie Alice Cooper oder | |
Kiss auf, Velvet Underground und Lou Reed hatten 1970 in dem Laden ihren | |
ersten Auftritt. Regisseur Danny Garcia hat Max’s Kansas City nun den | |
Dokumentarfilm „Nightclubbing: The Birth of Punk Rock in NYC“ gewidmet, | |
[1][den das „Soundwatch – Music Film Festival Berlin“ als Berlin-Premiere | |
zeigt]. | |
Im Dezember 1974 wäre die Geschichte von Max’s Kansas City beinahe vorbei | |
gewesen bevor sie wirklich begonnen hat. Gründer Mickey Ruskin machte den | |
Club zu, der jedoch nur wenig später aufgekauft wurde und zunächst als | |
Disco-Club wiedereröffnet wurde. Ein Konzept, das nicht aufging. Die | |
Auswahl der Bands und das Booking ging in die Hände von Peter Crowley über, | |
der aus Max’s eine der Wiegestätten des US-Punks machte. | |
„Nightclubbing“ versammelt Musiker_innen wie Alice Cooper, Jayne County, | |
Billy Idol, Ruby Lynn Reyner von Ruby and the Rednecke und Personen aus der | |
Geschichte des Clubs wie Peter Crowley. Diese Interviews sind die größte | |
Stärke des Films. | |
Alle geben ausführlich und gut gelaunt Auskunft über eine Episode der | |
Musikgeschichte, an der sie prägend beteiligt waren, und zeichnen unzählige | |
Querverbindungen zwischen verschiedenen Kunst- und Musikszenen nach. | |
Garcias Film mündliche Geschichtsschreibung der New Yorker Punkgeschichte | |
in ihrer besten Form. | |
Garcia hat sich in den letzten zehn Jahren auf Musikdokumentarfilme zur | |
Geschichte des Punkrocks spezialisiert. Neben Filmen zu The Clash und den | |
New York Dolls drehte er eine Mini-Serie über das Punk-Subgenre Sludge. | |
Produziert wurden die meisten seiner Filme von der spanischen | |
Produktionsfirma Chip Baker Films. | |
Visuell bleibt der Film recht konventionell. Die Länge von gut 80 Minuten | |
lässt das Fernsehformat schon erahnen und die Interviews werden routiniert | |
mit Archivaufnahmen und Fotos unterlegt. Die größte Schwachstelle des Films | |
sind jedoch eine Reihe von visuell uninspirierten Animationssequenzen, die | |
Ereignisse nachzeichnen, die in den Gesprächen beschrieben werden. | |
Diese Szenen haben keinen Mehrwert gegenüber der reinen Erzählung und die | |
plumpe Imitation einer zum Klischee ihrer selbst geronnenen Punkästhetik, | |
derer sich Didiu Rio Branco und Adriana Pinto bedienen, ist schlicht | |
peinlich. | |
Das tut dem Vergnügen am Film aber kaum Abbruch. Kein Wunder: Auch die | |
schlechteste Animationssequenz hätte es kaum vermocht, Garcias quirligem | |
Dokumentarfilm wirklich zu schaden. Zu interessant ist der Mikrokosmos, der | |
sich gut 15 Jahre lang in Max’s Kansas City entwickeln konnte und den | |
Garcia in seinem Film mit all seinen Höhen und Tiefen zum Leben erweckt. | |
Deshalb bitte notieren: Samstag, Punkrockgeschichte im Lichtblick. | |
27 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.lichtblick-kino.org/extra/2022/22_07_30_Soundwatch_Nightclubbing | |
## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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