# taz.de -- Gefahr für indigene Aktivist*innen: Goldrausch am Tapajós | |
> Gold erzielt hohe Preise. In Brasiliens Regenwald entstehen Hunderte | |
> illegale, umweltschädliche Minen. Präsident Bolsonaro schützt das | |
> Geschäft. | |
Bild: Eine illegale Mine im Schutzgebiet. 2021 exportierte Brasilien Gold für… | |
Die Mittagssonne knallt auf die Promenade der Amazonasstadt Itaituba, am | |
minzfarbenen Fluss Tapajós gelegen. Im Schatten einer verwaisten Imbissbude | |
dösen ein paar Hunde, kaum jemand ist in der sengenden Hitze unterwegs. | |
Plötzlich bremst ein Auto, hupt zweimal. Hinter der Scheibe ist das bemalte | |
Gesicht einer Frau: Alessandra Korap Munduruku, eine prominente indigene | |
Aktivistin in der brasilianischen Regenwaldregion, bittet darum, schnell | |
einzusteigen. „Ich will hier nicht halten“, sagt sie, als der Wagen | |
losfährt. „Alle kennen mich, es kann gefährlich werden.“ | |
Korap, Jahrgang 1985, gehört zum Volk der Munduruku. Sie kämpft gegen | |
Bergbau, organisiert Proteste, reist als Aktivistin um die Welt. Deshalb | |
wird sie von Goldgräbern bedroht. Itaituba, eine Stadt mit 100.000 | |
Einwohner*innen, liegt mitten im Regenwald. Auf der Promenade steht ein | |
Mann auf einem Sockel, er trägt einen Hut und hält einen Trog in den | |
Händen. Seine Haltung ist gebeugt. Ein Goldgräber. Die Stadt hat ihren | |
wichtigsten Bewohner*innen ein meterhohes Denkmal gebaut. In der Region | |
gibt es Hunderte Garimpos, illegale Goldminen. Glücksritter aus dem ganzen | |
Land zieht es auf der Suche nach den glänzenden Körnern hierher. Die | |
meisten dieser Männer sind arme Schlucker, ihr Ziel: ein besseres Leben. | |
Einige werden von Bergbaufirmen angestellt, andere versuchen ihr Glück auf | |
eigene Faust. Viele fühlen sich direkt durch die Politik des | |
rechtsradikalen Präsidenten Jair Bolsonaro ermutigt, ihre Heimat zu | |
verlassen und in den Regenwald zu ziehen. Häufig gibt es gewaltsame | |
Konflikte mit Indigenen. | |
Mit dem Auto geht es raus aus der Stadt. Nach rund 20 Minuten kommt Koraps | |
Wagen zum Stehen. Die kleine Frau stößt ein schweres Holztor auf: „Herzlich | |
willkommen in Praia do Índio“, sagt sie. „Strand des Indigenen“, so hei�… | |
ihr Dorf, das aus einfachen Holzhütten besteht und ebenfalls am Tapajós | |
liegt. Die Sonne glitzert auf dem Wasser, ein paar kleine Holzboote | |
schaukeln friedlich im Fluss. Korap wuchs in dieser Gegend auf, ihre Eltern | |
leben im Dorf, so wie viele weitere Verwandte. | |
## „Gesprochen haben immer nur die Männer“ | |
Korap läuft zu einer Hütte und ruft: „Tante, ich bin es.“ Hühner gackern | |
und laufen umher, am Eingang fällt ein kleiner Affe Korap um den Hals. „Das | |
ist Nica.“ Viele Indigene halten sich Hausaffen. Früher, sagt die zweifache | |
Mutter, sei hier nur Wald gewesen. Doch mit dem Goldrausch wuchs Itaituba | |
und grenzt heute direkt an das Dorf. | |
Aktivistin sei sie schon seit ihrer Geburt, sagt Korap, als sie es sich in | |
einer Hängematte neben dem Haus ihrer Eltern bequem gemacht hat. Doch lange | |
Zeit traute sie sich nicht, öffentlich zu sprechen. „Auf den Versammlungen | |
im Dorf gab es keinen Platz für uns Frauen. Gesprochen haben immer nur die | |
Männer.“ Als immer mehr Goldgräber in ihre Heimat einfielen, ergriff die | |
kleine energische Frau immer öfter das Wort, erkämpfte sich ihren Platz. | |
Heute kämpfen viele indigene Frauen an vorderster Stelle der Umweltbewegung | |
mit. | |
Unterstützung bekommen sie vor allem aus dem Ausland. Aber auch in | |
Brasilien beginnen sich immer mehr Menschen für die Munduruku zu | |
interessieren. Ein Fernsehteam begleitete Korap, die Sendung wurde zur | |
Primetime im größten Sender des Landes ausgestrahlt, erzählt sie stolz und | |
zeigt einen Ausschnitt des Videos auf ihrem Smartphone. | |
Doch die Aufmerksamkeit hat auch Schattenseiten. Am Eingang ihrer Gemeinde, | |
in der rund 50 Menschen leben, sind mehrere Kameras an einem Pfahl | |
festgeschraubt. „Sicherheitsmaßnahmen“, sagt Korap. Seit Langem erhält sie | |
Morddrohungen, ein Kopfgeld sei auf sie ausgesetzt gewesen. Korap hat sich | |
Feinde gemacht. Hinter den Drohungen und Attacken stehen einflussreiche | |
Goldgräber, glaubt die Aktivistin. Einige sollen zwielichtige Männer | |
angeheuert haben, um Korap nachzustellen und sie zu bedrohen. „Sie fahren | |
in Autos mit getönten Scheiben an unserem Dorf vorbei, machen Fotos und | |
verfolgen sogar Menschen, die mich unterstützen.“ | |
Einmal griff Korap eine Bergbaufirma in einer Rede direkt an, das Video | |
verbreitete sich schnell im Internet. Kurz danach wurde bei ihr | |
eingebrochen, das Haus verwüstet. Dokumente, eine Speicherkarte und ein | |
Handy fehlten, andere Wertgegenstände nicht. Die Täter konnten nicht | |
ermittelt werden – wie so oft bei Angriffen auf Aktivist*innen. | |
## Untertauchen, SIM-Karten tauschen, geheime Standorte | |
„Das war eine Warnung“, sagt Korap. „Ihr einziger Weg ist es, Leute wie | |
mich zu eliminieren.“ Für kurze Zeit musste sie untertauchen. Immer noch | |
wechselt sie regelmäßig die SIM-Karte ihres Handys, teilt ihren Standort | |
nie mit. | |
Wie Korap geht es vielen Aktivist*innen in Amazonien. Wer für den | |
Erhalt des Regenwaldes kämpft oder andere Missstände aufdeckt, lebt | |
gefährlich. Im Juni 2022 wurden der britische Journalist Dom Phillips und | |
der Indigenenexperte Bruno Perreira, die für eine Recherche im abgelegenen | |
Javari-Tal unterwegs waren, ermordet, vermutlich von Männern, die illegalen | |
Fischfang betreiben. | |
Korap ist eine quirlige Frau, macht gerne Witze, lacht viel. Doch wenn sie | |
darüber spricht, was in ihrer Heimat passiert, verdunkelt sich ihre Miene. | |
Staudämme zerstören die Natur, Holzfäller dringen gewaltsam in indigene | |
Gebiete vor, doch vor allem die Garimpeiros, die Goldsucher, machen den | |
Gemeinden rund um Itaituba zu schaffen. „Eine Invasion“, sagt Korap. Denn | |
die Goldindustrie boomt. | |
Mitte Juli lag der Preis für eine Feinunze Gold, 31,1 Gramm, bei mehr als | |
1.700 Euro. Die Gründe dafür sehen Expert*innen in einem schwachen | |
Dollar und internationalen Konflikten. In Krisenzeiten setzen | |
Anleger*innen vermehrt auf Gold, das als inflationssicher gilt. Die | |
steigende Nachfrage auf dem Weltmarkt führt zu einem regelrechten | |
Goldrausch in Brasilien. | |
Wer sind diese Männer, die aus dem ganzen Land in die Region strömen? Die | |
meisten Goldsucher sind skeptisch gegenüber Journalist*innen, scheuen die | |
Öffentlichkeit. Einige sind schwer bewaffnet und schrecken nicht vor Gewalt | |
zurück. Außerdem liegen die meisten Goldminen mitten im Dschungel und sind | |
nur mit dem Privatflugzeug zu erreichen. | |
## „Wir machen nichts Falsches“ | |
In Itaituba gibt es nur wenige Menschen, die mit der Presse sprechen. | |
Damião Elias Bastos da Silva, 56 Jahre, von allen nur der „alte Kleine“ | |
genannt, ist bereit zu vermitteln. Seit 37 Jahren, betont er, sei „die | |
Straße“ sein Zuhause. Als Fahrer, als Lieferant, aber auch als so etwas wie | |
ein Vermittler. Silva arbeitet sowohl für die Indigenen als auch für die | |
Garimpeiros. | |
Im Morgengrauen geht es mit Silvas Toyota aus Itaituba heraus. Kurz hinter | |
der Stadtgrenze endet die asphaltierte Straße. Das hält Silva nicht davon | |
ab, mit 80 Stundenkilometern über die Buckelpiste zu brettern. „Rinderrippe | |
nennen wir solche Straßen“, sagt er fröhlich. Auf dem Weg sieht man, wie | |
die ganze Region einmal aussehen könnte. Gerodete Flächen, Rinderweiden, | |
Sojasilos. Wo einmal Wald stand, dominiert jetzt die Agrarwirtschaft. Nach | |
rund 50 Kilometern beginnt ein Naturschutzgebiet. Schlagartig verändert | |
sich die Landschaft. Dichter Regenwald, scheinbar unberührte Natur, | |
Amazonien wie im Reisekatalog. | |
Porto Borroré, ein trostloser Ort bei Kilometer 74 am Tapajós. Männer in | |
Arbeitskleidung dösen unter einem Baum im Schatten, am kleinen Hafen sitzt | |
ein schweigsamer Mann mit Knollennase, der sich als Arthur vorstellt. Nicht | |
weit von hier, sagt er, sei gerade ein Goldsucherschiff unterwegs. Nicht | |
nur tief im Urwald, sondern auch auf den Flüssen wird Gold geschürft. Mit | |
einem Holzboot geht es den Tapajós herunter. Geschickt manövriert Arthur | |
das Boot durch die Strömung. | |
Nach mehr als einer Stunde Fahrt kommt ein seltsames Gefährt, irgendetwas | |
zwischen Hausboot und gigantischem Rasenmäher, in Sicht, das vor dem Ufer | |
im Wasser treibt. Ein hagerer Mann steht an Bord. José Raimundo Nascimento | |
ist 59 Jahre alt, sieht aber deutlich älter aus. Er trägt einen | |
Schnurrbart, an der rechten Hand fehlt ihm ein Finger. Zu fünft seien sie | |
hier, sagt Nascimento. „Alles Familie.“ | |
Eine Treppe führt zu einer Küche und kleinen Zimmern mit Hängematten. Seine | |
Tochter kocht, der Sohn überwacht die Anlage, es riecht nach Benzin. | |
„Schreibe ruhig meinen Namen auf“, sagt Nascimento, der wegen des | |
ohrenbetäubenden Lärms brüllen muss. Ob er keine Angst habe? Schließlich | |
ist das, was er hier tut, illegal. „Wir machen nichts Falsches. Ich habe | |
keine Geheimnisse.“ Fotos will er trotzdem nicht zulassen. | |
## Goldgräber wurde er aus Not | |
Zwanzig Stunden arbeitet Nascimentos Familie hier. Jeden Tag. Über | |
Schläuche wird der Schlamm vom Flussboden aufgesaugt. Das Sediment wird | |
dann in eine Art künstlichen Wasserfall geleitet, wo dicke Matten die | |
schwereren Steine zurückhalten und die Goldpartikel auffangen. Es ist ein | |
hochtechnisierter Prozess. | |
Nascimento ist ganz in der Nähe aufgewachsen. Goldgräber wurde er aus Not. | |
„Von irgendwas müssen wir ja leben.“ Der Lohn sei zwar besser als woanders, | |
aber immer noch gering. Die Arbeit ist hart, oft gibt es Unfälle. Angst | |
machen Nascimento aber vor allem „die Umweltschutzleute“. Er schnappt sich | |
sein Handy und zeigt ein Video. Man sieht ein brennendes Schiff, das im | |
Wasser treibt. Laut Nascimento wurde es von der Umweltbehörde Ibama | |
angezündet. „Die Leute kommen und zerstören alles.“ Nascimento hatte bish… | |
noch keine Probleme. Und es ist davon auszugehen, dass das so bleibt. Denn | |
solche Aktionen werden immer seltener, auch weil die Kontrollbehörden kaum | |
noch Mittel zur Verfügung haben. Denn mit Jair Bolsonaro regiert ein Freund | |
der Goldindustrie. | |
Für den rechtsradikalen Klimawandelleugner ist der Amazonasregenwald vor | |
allem eines: eine Ressource, die es auszubeuten gilt. Für die Durchsetzung | |
von Wirtschaftsinteressen ist Bolsonaro jedes Mittel recht. Die Regierung | |
entmachtete Umweltbehörden wie die Ibama oder die Indigenenbehörde Funai. | |
Sie kürzte ihnen die sowieso schon spärlichen Mittel, setzte linientreue | |
Funktionär*innen in Führungspositionen ein und feuerte | |
Mitarbeiter*innen mit technischer oder umweltpolitischer Expertise. | |
Einige wenige Beamt*innen setzen zwar weiterhin die Gesetze durch, auch | |
gegen die Interessen der Regierung. Doch in vielen geschützten Gebieten | |
sind die Behörden nun völlig unterbesetzt. Die Konsequenz: Es gibt immer | |
weniger Kontrollen, immer weniger Bußgelder. Holzfäller, Viehzüchter und | |
Goldgräber verstehen das als Freifahrtschein für ihre illegalen | |
Aktivitäten. | |
Für Bolsonaro sind die Garimpeiros hart arbeitende Männer, die Respekt | |
verdienen. Regelmäßig besucht er ihre Gebiete, verspricht, die Goldminen zu | |
legalisieren, erzählt stolz, dass sein Vater früher selbst auf Goldsuche | |
war. Seine Regierung setzte Überwachungsaktionen aus. Und so ist es kein | |
Wunder, dass der illegale Bergbau seit dem Amtsantritt Bolsonaros förmlich | |
explodiert ist. | |
## „Einige Indigene sind dafür, andere dagegen“ | |
Kürzlich ging eine Luftaufnahme durchs Netz, die Hunderte Goldgräberboote | |
auf einem Fluss im Amazonasgebiet zeigte. Die Goldsucher dringen in die | |
entlegensten Ecken Amazoniens vor, oft auch in indigene Territorien und | |
Naturschutzgebiete. Dort hinterlassen sie gerodete, unfruchtbare | |
Kraterlandschaften, bringen Drogen, Gewalt, Prostitution und Corona her. | |
Mittlerweile mischen auch kriminelle Organisationen mit. Oft gibt es | |
gewaltsame Konflikte mit Indigenen. | |
Was Nascimento darüber denkt? „Einige Indigene sind dafür, andere dagegen�… | |
sagt er pragmatisch. Ganz in der Nähe gibt es ein indigenes Dorf, mit den | |
Menschen dort habe es noch nie Probleme gegeben. Und es stimmt: Einige | |
Indigene befürworten den Bergbau in ihren Gebieten. Nicht selten sind es | |
sogar Indigene selbst, die hinter Angriffen auf indigene Gemeinden stehen. | |
„Sie werden bezahlt, um Angriffe durchzuführen“, sagt Verena Glass von der | |
Bewegung Xingu Vivo. | |
„Doch dahinter stehen sehr reiche weiße Unternehmer, die die Region | |
wirtschaftlich ausbeuten wollen.“ Ein weiteres Problem: Um den Goldstaub zu | |
binden, setzen Männer wie Nascimento Quecksilber ein. Die Reste landen im | |
Fluss und vergiften die Fische, die von den indigenen Bewohner*innen | |
der Region gegessen werden. Das hochtoxische Schwermetall kann zu | |
lebenslangen Nervenschäden führen. Forscher*innen konnten es selbst in | |
weit entfernten Gemeinden nachweisen. Tausende Indigene werden schleichend | |
vergiftet. | |
Die Gegend rund um Itaituba gilt als wichtigster Goldumschlagplatz. In der | |
ganzen Stadt gibt es Goldläden, die auf Postern fette Gewinne versprechen. | |
In einem dieser Geschäfte gießt ein junger Mitarbeiter gerade flüssiges | |
Gold in eine Form. Woher das Gold kommt? „Aus den Garimpos“, gibt er ohne | |
Umschweife zu. Häufig wird das illegal geförderte Gold in solchen Läden mit | |
gefälschten Herkunftszertifikaten versehen und verschickt. | |
Anfang Juni führte die Polizei eine Razzia bei der Firma Gana Gold im | |
Bundesstaat São Paulo durch und beschlagnahmte 39 Kilo Goldbarren. Das | |
Unternehmen legte Dokumente vor, die die legale Herkunft bescheinigen | |
sollen. Doch laut Ermittler*innen, die in Medien zitiert werden, sollen | |
die Lizenzen und Zertifizierungsdokumente gefälscht worden sein – in | |
Itaituba. | |
## Kaum jemand wagt es, das Gewerbe zu kritisieren | |
Dort gibt es kaum Kontrollen, auch weil fast alle in der Region | |
zusammenarbeiten. Der Bürgermeister von Itaituba ist einer der bekanntesten | |
Minenbesitzer der Region. Journalist*innen versuchen noch nicht einmal, | |
objektiv zu berichten. Kaum jemand wagt es, das Gewerbe öffentlich zu | |
kritisieren. Von Itaituba werden die Barren nach São Paulo oder Rio de | |
Janeiro transportiert und an Banken oder Juweliergeschäfte weiterverkauft. | |
Letztlich landet das Blutgold auch in exklusiven Läden in New York, Moskau, | |
Paris und London, und von dort an den Fingern der Reichen und Schönen. | |
Während sich die Weltgemeinschaft zunehmend für den Ursprung von | |
brasilianischen Agrarprodukten interessiert und sogar Boykotte in Betracht | |
gezogen werden, steht das schmutzige Gold in der Debatte über Brasiliens | |
Umweltpolitik nur selten im Fokus. | |
In seinem Büro unweit der Rua do Ouro, der Goldstraße, sitzt José Antunes. | |
Er ist 77, trägt nach hinten gekämmte Haare und ein schickes Hemd. Der | |
typische brasilianische Unternehmerlook. Vor mehr als 30 Jahren kam er aus | |
dem Süden Brasiliens nach Itaituba. „Wegen der Möglichkeiten hier.“ Heute | |
arbeitet er als Rechtsanwalt, besitzt eine große Goldmine im Regenwald und | |
ist Präsident der Mote, einer Assoziation der Minenbesitzer. Dort | |
unterstützen sie sich gegenseitig, diskutieren Probleme, üben politischen | |
Druck aus. | |
Fast die Hälfte des brasilianischen Goldes soll illegalen Ursprungs sein. | |
„Heute ist es schwer, eine Goldmine zu legalisieren“, beklagt sich Antunes. | |
Die Umweltbehörde habe viele Vorschriften, man müsse zahlreiche Dokumente | |
vorweisen. Das will Antunes ändern. Dadurch würde das derzeitige Chaos | |
beendet werden. Das würde letztlich auch der Natur zugute kommen. Außerdem: | |
Die Minen hätten nur einen minimalen Anteil an der Zerstörung des | |
Regenwaldes, behauptet er. | |
Das sehen Umweltschützer*innen anders. Und die Kritik der Indigenen? | |
In der Region, sagt Antunes, gebe es eigentlich keine richtigen Indios. Es | |
gäbe nur ein paar Gruppen, die hinter dem Geld der NGOs her seien. Solche | |
Aussagen hört man häufig, auch von Vertreter*innen der Regierung | |
Bolsonaro. Dahinter steckt eine einfache Logik: Wenn es keine Indigenen | |
gibt, können sie auch keine Ansprüche stellen. | |
## Weiße Großgrundbesitzer an der Seite Bolsonaros | |
Antunes bezeichnet sich als Anhänger von Präsident Bolsonaro, sekundiert | |
viele Lügen des ultrarechten Präsidenten. Während sich Teile der | |
brasilianischen Gesellschaft vom krisengebeutelten Präsidenten abgewendet | |
haben, genießt er in Gegenden wie Itaituba, weit weg von den urbanen | |
Zentren, weiterhin große Unterstützung. Und der Verein weißer | |
Großgrundbesitzer*innen und einflussreicher Goldhändler*innen | |
will alles daransetzen, dass Bolsonaro bei der Präsidentschaftswahl im | |
Oktober wiedergewählt wird. | |
Das Gold, sagt Antunes dann noch, habe Itaituba reich gemacht. Alle | |
profitierten davon. In der Tat wirkt Itaituba wohlhabender als viele andere | |
Städte im Norden Brasiliens. In den Abendstunden, wenn es etwas kühler | |
wird, flanieren Familien über die Promenade, es gibt Hüpfburgen für die | |
Kinder, ein Autoverkäufer präsentiert blankgeputzte Modelle, vor den | |
Restaurants wird Livemusik gespielt. Die reichen Hintermänner der | |
Goldgeschäfte sitzen in den Städten, wohnen in schicken Villen am | |
Flussufer, haben Bagger, Boote und Kleinflugzeuge. Die meisten Goldsucher | |
sind jedoch Männer wie Nascimento. Sie haben keine Perspektive, schuften | |
unter lebensbedrohlichen Bedingungen, oft für einen Hungerlohn. Amazonien | |
ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Goldgrube – doch den fetten Reibach | |
machen nur einige wenige. | |
Die indigene Aktivistin Korap geht einen steilen Abhang zum Fluss hinunter | |
und springt mit einem Satz in den Fluss. „Die Farbe des Wassers hat sich | |
wegen des Bergbaus verändert.“ Korap kämpft dafür, dass überhaupt kein Go… | |
mehr gefördert wird. Und sie wählt radikale Worte, um zu beschreiben, was | |
in Amazonien passiert: „Wir befinden uns in einem Krieg.“ Sie will nicht | |
aufhören, gegen die Vernichtung ihrer Heimat zu kämpfen. Ihre Mutter macht | |
sich deshalb große Sorgen. Ob sie keine Angst habe? Korap schüttelt den | |
Kopf. „Wenn sie mich töten, dann habe ich es zumindest versucht.“ | |
26 Jul 2022 | |
## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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