# taz.de -- Programmdirektorin über ARD-Reformen: „Da müssen wir mithalten�… | |
> Christine Strobl will das Angebot der ARD reformieren. Dafür setzt sie | |
> auf Partnerschaften, die früher nie in Frage gekommen wären. | |
Bild: Christiane Strobl will ein „Programm für alle“ machen | |
taz: Frau Strobl, sind internationale Allianzen wie mit Sky oder HBO der | |
neue Schlüssel zum Erfolg des ARD-Programms? | |
Christine Strobl: Sie sind ein Element. Wichtiger ist aber, dass wir ein | |
eigenständiges Programmangebot für unsere ARD Mediathek brauchen. Um | |
jüngere Zielgruppen zu erreichen, reicht es nicht, in der ARD Mediathek das | |
gleiche Angebot zu haben, wie es im klassischen Fernsehen läuft. Wenn man | |
sich die Entwicklung im Mediennutzungsverhalten anschaut und nur auf die | |
30- bis 49-jährigen schaut, dann gibt es dort innerhalb von kurzer Zeit | |
große Veränderungen; 2019 haben sie noch zu zwei Dritteln klassisches TV | |
geschaut, Bewegtbildinhalte nur zu einem Drittel via Internet angesehen. | |
Innerhalb von zwei Jahren hat sich das komplett verändert und bereits 2021 | |
wurden mehr Bewegtbildinhalte [1][über nonlineare Ausspielwege | |
konsumiert.] | |
Aber um die Jüngeren zu interessieren, benötigen Sie auch die | |
entsprechenden Budgets. | |
Ja, besonders die Jüngeren haben sich an opulente und aufwändig erzählte | |
Geschichten gewöhnt und erwarten sie. Man sieht es eben, ob eine Serie mit | |
einem Budget von 50 Millionen Euro oder nur einer Million auszukommen hat. | |
Und hier besteht ein Ungleichgewicht, das uns in den nächsten Jahren noch | |
beschäftigen wird. [2][Die großen US-Streaming-Anbieter wie Netflix] haben | |
die Sehgewohnheiten inzwischen bei uns entscheidend geprägt. Sie können als | |
globale Akteure mit einem unglaublichen Budget eine Fülle Programm | |
anbieten. Auch da müssen wir mithalten und auch dabei können Allianzen | |
natürlich helfen. | |
Und dafür setzen Sie verstärkt auf Partnerschaften … | |
Richtig. Eine Art Vorreiterrolle im Bereich Programm nahm vor [3][einigen | |
Jahren „Babylon Berlin“] ein. Damals galt es auch innerhalb der ARD noch | |
Widerstände zu überwinden, weil eine Partnerschaft zwischen einem | |
Pay-Anbieter und einem öffentlich-rechtlichen Sender bei einem echten | |
Leuchtturmprojekt stattfand. Heute ist das selbstverständlicher geworden. | |
Diese Kooperation zwischen Sky und der ARD war 2017 auch ein Aufreger, weil | |
das ARD-Publikum erst ein Jahr nach der Premiere im Pay-TV dran war. | |
Das würden wir vielleicht heute so nicht noch einmal machen, aber damals | |
war das der Einstieg, von dem beide Partner profitiert haben. Ein aktuelles | |
Beispiel ist d[4][ie Doku „Born for this – mehr als Fußball“]. Hinter dem | |
Projekt stehen unter anderem ARD, Sky, MagentaTV, der DFB und Warner Bros. | |
Oder nehmen Sie „The Princess“. Der Film über das tragische Leben von | |
Prinzessin Diana ist eine Produktion in Zusammenarbeit mit HBO, Sky, NDR, | |
rbb und BR. | |
Wie sorgen Sie dafür, dass Sie auch bei Koproduktionen als | |
öffentlich-rechtlicher Partner wahrgenommen werden? | |
Zunächst lassen wir uns natürlich auf Koproduktionen bei Projekten ein, | |
deren Profil zu unserem Auftrag und unserer Programmstrategie passt, und | |
dann setzen wir auf klare Absenderkennung. Unser Hauptfokus liegt bei | |
Koproduktionen mit Partnern aus dem Ausland, die haben wir dann im | |
deutschen Territorium exklusiv. | |
Heute sucht das Publikum eher nach den Inhalten, die es sehen möchte – wo | |
sie die finden ist fast schon egal. Was bedeutet das Thema Marke also für | |
Sie in der digitalen Welt? | |
Es ist wichtiger denn je. Wir dürfen am Ende aber nicht nur als ein | |
Inhalte-Produzent wahrgenommen werden. Wir müssen mehr sein als die Summe | |
der Einzelteile unseres Programms, nämlich ein „Ort“ für alle diejenigen, | |
die sich anspruchsvoll informieren, bilden und unterhalten lassen wollen, | |
die gute Serien und Dokumentationen sehen wollen. Das genau muss die ARD | |
Mediathek leisten. | |
Haben Sie so etwas wie Wunschpartner, wenn es um solche Kooperationen geht? | |
International betrachtet wäre es mir am liebsten, wenn wir noch stärker auf | |
europäische Partnerschaften setzen, damit wir „unsere“ Geschichten | |
anspruchsvoll umgesetzt erzählen und unser Verständnis von Zusammenleben, | |
Werten wie Menschenrechte, Demokratie so auch in die Welt tragen können. Da | |
tut sich einiges, etwa über die Europäische Rundfunkunion, dem | |
Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Sender. Natürlich werden wir auch um | |
das Programmangebot der großen amerikanischen Majors nicht herumkommen, | |
aber wir müssen versuchen, diesem mit eigenem Programm etwas | |
entgegenzuhalten. | |
Wie soll das in der Praxis umgesetzt werden? | |
Ein Beispiel ist vielleicht die Produktion „Das Netz“. Die fiktionale Reihe | |
besteht aus mehreren national eigenständigen, aber erzählerisch miteinander | |
verflochtenen Serien, die länderübergreifend in verschiedenen Sprachen | |
produziert werden. Der weltumspannende Fußball mit seinen Konflikten, | |
Skandalen und teilweise mafiösen Strukturen ist das verbindende Element. | |
Geschichten und zentrale Figuren kreuzen sich in allen Serien immer wieder. | |
Fünf Länder, eines auch außerhalb Europas, haben sich daran beteiligt. Es | |
ist ein sehr interessantes Modell für eine Kooperation und zeigt, wie man | |
auch auf größere Staffelzahlen kommen kann. Die deutsche und | |
österreichische Fassung von „Das Netz“ werden wir im Vorfeld der WM in | |
Katar Ende Oktober in der ARD Mediathek und wenig später im Ersten zeigen. | |
Die Zuschauer der ARD sind im Schnitt gut über 60 Jahre alt. Glauben Sie, | |
dass Ihr Publikum seine Konsumgewohnheiten drastisch ändern und zum | |
eifrigen Nutzer der ARD Mediathek wird? | |
Unser Auftrag ist es, Programm für alle zu machen. Dazu brauchen wir | |
zumindest auf absehbare Zeit die ARD Mediathek und das Erste. Im Übrigen | |
nutzen aber auch Ältere On-Demand-Angebote verstärkt; das durchschnittliche | |
tägliche Nutzungsvolumen in der ARD Mediathek der 50-jährigen und älteren | |
Nutzer hat sich von 1,28 Millionen Stunden im Jahr 2021 auf 1,35 Millionen | |
im aktuellen Jahr erhöht. Unser Auftrag für das klassische Fernsehen bleibt | |
aber natürlich gleichberechtigt bestehen. Aber für ein eigenständiges | |
Programmangebot in der Mediathek sind Umschichtungen bei den | |
Programmbudgets erforderlich, heute stehen wir hier je nach Genre bei 10 | |
bis 20 Prozent, aber das wird zunehmen. | |
19 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Urbe | |
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