| # taz.de -- Historikerin über sekundäres NS-Raubgut: „Erzwungener Verkauf“ | |
| > Anneke de Rudder forscht nach sekundärem NS-Raubgut in der Hamburger | |
| > Staatsbibliothek. Ihre Funde sind in einer Ausstellung zu sehen. | |
| Bild: Arbeitet ihre Rolle im Nationalsozialismus auf: Die Staats- und Universit… | |
| taz: Frau de Rudder, Sie arbeiten die Geschichte der Staatsbibliothek auf. | |
| Wie belastend sind die Ergebnisse? | |
| Anneke de Rudder: Es ist nichts, was wir nicht vorher schon gewusst oder | |
| geahnt hatten. Die Bibliothek hat schon sehr lange nach direktem | |
| [1][NS-Raubgut] gesucht und auch gefunden. Im aktuellen Projekt geht es | |
| aber um sekundäres NS-Raubgut. Das sind Sammlungen, die von Menschen | |
| aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten verkauft wurden | |
| beziehungsweise werden mussten. | |
| Wer waren die Verkäufer:innen? | |
| In den meisten Fällen waren es Menschen, die als Jüdinnen und Juden | |
| verfolgt wurden. Durch die Einschränkung der Berufsausübung sahen sich | |
| viele gezwungen, ihre teils großen Sammlungen zu verkaufen, um den weiteren | |
| Lebensunterhalt zu bestreiten oder eine Emigration zu finanzieren. Meist | |
| lag der Preis aber deutlich unter Wert. | |
| Und wie kamen die Sammlungen in den Besitz der Bibliothek? | |
| Diese Menschen haben ihre Sammlungen häufig an Auktionshäuser oder große | |
| Antiquariate verkauft. Und die Staatsbibliothek hat sie schließlich dort | |
| eingekauft. Das ist ja erst mal ein gewöhnlicher Prozess – auch wenn es in | |
| diesem Fall natürlich eine spezielle Ausgangssituation gab und oft nicht | |
| genau hingesehen wurde, woher die Werke stammten. | |
| Was zählt zu sekundärem NS-Raubgut? | |
| Es gibt dazu eine Leitfrage: Hätten die Menschen ihre Sammlungen auch | |
| verkauft, wenn es den Nationalsozialismus nicht gegeben hätte? In unseren | |
| Fällen ist die Antwort klar: Das hätten sie nicht. | |
| Um was für Sammlungen handelt es sich? | |
| Es geht jedenfalls nicht um jüdisches Kulturgut. In den meisten Fällen | |
| handelt es sich um Autografien von berühmten Schriftsteller:innen, | |
| Briefe oder um Büchersammlungen. Große Teile der Schriften sind auch sehr | |
| wertvoll und einzigartig. | |
| Wie viele Werke haben Sie bisher untersucht? | |
| Mehrere Tausend. Bei mehreren Hundert habe ich einen Verdacht, dass es sich | |
| um sekundäres NS-Raubgut handeln könnte. Denen gehe ich genauer nach. In | |
| der Ausstellung werden rund Hundert Stücke zu sehen sein. Es ist also eine | |
| Art Werkausstellung aus einem laufenden Projekt. | |
| Wie viele Sammlungen konnten Sie zurückgeben? | |
| Bisher konnten wir Teile von zwei Sammlungen zurückgeben. Die Suche nach | |
| den rechtmäßigen Erben ist detektivisch und dauert sehr lange. Es muss | |
| alles genau geprüft werden, bevor es zu einer Restitution kommt. | |
| Seit wann läuft das Projekt? | |
| Die Provenienzforschung zu sekundärem Raubgut startete 2006. Ich selbst | |
| arbeite seit 2018 am Projekt, das noch bis 2024 dauert. | |
| 19 Jul 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5818289/ | |
| ## AUTOREN | |
| David Wasiliu | |
| ## TAGS | |
| Bibliothek | |
| Hamburg | |
| Raubgut | |
| NS-Verfolgte | |
| Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
| Restitution | |
| Restitution | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Ethnologie | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Rückgaben von NS-Raubkunst: Restitution soll leichter werden | |
| Deutsche Museen sollen nicht länger Rückerstattungen von NS-Raubkunst | |
| blockieren können. Das verlangt die zuständige Kommission. | |
| Rückgabe von Kunstobjekten an Nigeria: Schloss damit! | |
| Deutschland hat sich per Vertrag zur Rückgabe kolonialer Raubkunst an | |
| Nigeria verpflichtet. Auch Berlins Prestigemuseum Humboldt Forum bewegt | |
| sich. | |
| Provenienzforschung zu NS-Raubkunst: Spurensuche nach mehr als 70 Jahren | |
| Im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam lagern viele Akten zu | |
| NS-Raubkunst. Nun findet deren erste systematische Untersuchung statt. | |
| Bücher über die Raubgut-Debatte: Nur ja nichts falsch machen | |
| Ein Patentrezept für den Umgang mit ethnologischen Sammlungen in | |
| Deutschland gibt es nicht. Aber interessante Ansätze. |