# taz.de -- Äußerungen über Gasprioritäten: Habecks Kommunikations-Fauxpas | |
> Laut Robert Habeck könnte die Bevorzugung von Privathaushalten kippen. | |
> Debattenanstöße können klug sein – in diesen Zeiten funktionieren sie | |
> nicht. | |
Bild: Der Wirtschaftsminister am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien | |
Das gibt es auch nicht alle Tage: einen Kommunikationsfehler von Robert | |
Habeck. Eigentlich punktet der Vizekanzler momentan als rhetorische | |
Ausnahmefigur; als Politiker, der erklärt, mitnimmt, öffentlich abwägt und | |
damit Vertrauen aufbaut. Insofern hatten seine Auftritte der vergangenen | |
Tage Seltenheitswert: [1][Erst im Deutschlandfunk] und dann noch während | |
einer Pressekonferenz in Wien regte er Änderungen an der geltenden | |
Gesetzeslage an, derzufolge bei Gasknappheit erst die Industrie verzichten | |
muss, während Krankenhäuser, Kindergärten und Wohnungen besonders geschützt | |
sind. „Niemand sollte frieren“, sagte Habeck zwar auch noch. | |
Welche Regeländerungen ihm genau vorschweben, führte er aber nicht aus. | |
Solche Vorstöße ins Ungefähre können sinnvoll sein, um Debatten in Gang zu | |
bringen. Die Leerstelle bietet dann Raum für kreative Gedanken. In so | |
existenziellen Fragen wie der nach der Gasversorgung im Winter funktioniert | |
das aber nicht; der leere Raum füllt sich dann eher mit Horrorszenarien. Im | |
konkreten Fall mit der Sorge, in einem halben Jahr eben doch zu Hause zu | |
bibbern, damit sich gasintensive Unternehmen nicht einschränken müssen. | |
Der Boden ist im Moment ja auch fruchtbar für solche Befürchtungen. Erstens | |
besteht die reale Gefahr der Energieknappheit. Zweitens führten die | |
verständlichen und sinnvollen Bemühungen zur Prävention nun ohnehin zum | |
Denken in Worst-Case-Szenarien: Obwohl das Gas aus Russland nach den | |
Wartungsarbeiten an der Nord-Stream-Pipeline wieder fließen könnte, ist die | |
Vorstellung eines dauerhaften Lieferstopps derzeit dominant. Drittens ist | |
angesichts der Mehrheitsverhältnisse und der Erfahrungen der vergangenen | |
Wochen eine Politik zulasten von Konzernen ([2][Stichwort | |
Übergewinnsteuer!]) kaum vorstellbar. | |
Da hilft es dann auch nicht viel, dass Habecks Ministerium bemüht war, die | |
Äußerungen schnell wieder einzufangen: Der Chef wolle ja niemandem das Gas | |
abdrehen. Es gehe nur darum, dass auch Privatleute und Krankenhäuser die | |
Energie nicht zum Fenster rausheizen sollten. Da gibt es tatsächlich noch | |
Spielraum, die gesetzlichen Mindesttemperaturen für Wohnraum, die derzeit | |
bei 20 bis 22 Grad liegen, könnten zum Beispiel um 2 Grad abgesenkt werden. | |
Solche nachträglichen Richtigstellungen dringen erfahrungsgemäß aber viel | |
seltener durch als die ersten Schlagzeilen. Das hat zum einen mit der | |
Funktionslogik der Medien zu tun. Zum anderen gibt es in politischen | |
Debatten ohnehin den Hang dazu, das Gegenüber mit Freude misszuverstehen. | |
Wer in Beliebtheitsranglisten oben steht, hat es da besonders schwer: Für | |
Konkurrenten wird Habeck zur Gefahr. Wohlwollen hat er von ihnen nicht zu | |
erwarten. | |
15 Jul 2022 | |
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[1] https://www.deutschlandfunk.de/bundeswirtschaftsminister-robert-habeck-100.… | |
[2] /Uebergewinnsteuer-und-die-FDP/!5857753 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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