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# taz.de -- Galoppierende Inflation in den USA: Keine Angst mehr vor dem R-Wort
> In den USA steigen die Preise noch drastischer als in der EU – die
> Inflationsrate erreicht den höchsten Wert seit 1981. Wie soll es
> weitergehen?
Bild: Auch in den USA werden Lebensmittel immer teurer
Washington taz | Ob an der Tankstelle, beim Lebensmittelkauf oder bei den
Wohnkosten. In den USA steigen die Preise unaufhörlich. Wie die
US-amerikanische Behörde für Arbeitsmarktstatistik am Mittwoch bekannt gab,
stieg der sogenannte Verbraucherpreisindex und damit die Inflationsrate im
Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat um 9,1 Prozent – das ist der höchste
Wert seit 1981.
Diese unerwartet hohe Preissteigerung – Experten waren von einer Rate
deutlich unter 9 Prozent ausgegangen – belastet die Konjunkturaussichten.
Dabei stehen die USA bereits kurz vor einer Rezession. Das wäre der Fall,
wenn die Wirtschaftsleistung in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen
schrumpft. Die offiziellen Zahlen für das zweite Vierteljahr werden zwar
erst zum Ende des Monats veröffentlicht, aber alles deutet darauf hin, dass
sie weiter abwärts gehen. Damit wäre die Definition erfüllt.
„Inflation ist unsere größte wirtschaftliche Herausforderung“, erklärte
US-Präsident Joe Biden am Mittwoch in einer Mitteilung. Für den Demokraten
im Weißen Haus ist die anhaltend hohe Preissteigerung natürlich auch
politisch ein Problem. Im Juni hatte eine Umfrage gezeigt, dass mehr als
zwei Drittel, nämlich 71 Prozent der Befragten, mit der Arbeit der
Regierung bei der Bekämpfung der Inflation unzufrieden sind. Diese
Prozentzahl dürfte sich bei den aktuellen Zahlen nur noch verschlechtern.
Das Weiße Haus versuchte, die schlechten Zahlen in seiner offiziellen
Mitteilung positiver zu deuten. Dort hieß es, die Kerninflationsrate sei
sogar gesunken – bei ihr werden Lebensmittel- und Treibstoffpreise nicht
mit einbezogen. Allerdings fiel die Kerninflationsrate im Unterschied zum
Vormonat gerade einmal um 0,1 Prozentpunkte.
Biden machte erneut den russischen [1][Präsidenten Wladimir Putin und
dessen Krieg in der Ukraine] für die wirtschaftliche Situation in den USA
mitverantwortlich. Dabei war die Inflationsrate schon vor dem russischen
Einmarsch im Februar stark angestiegen. [2][Die Inflation zu bekämpfen],
sei seine oberste Priorität, sagte der US-Präsident.
## Begrenze Möglichkeiten
Seine Möglichkeiten hierbei sind allerdings begrenzt. Biden will die
heimische Öl- und Gasproduktion ankurbeln und versuchen, den US-Kongress
dazu zu bringen, ein Gesetz zu verabschieden, das US-amerikanische Familien
bei den Alltagskosten entlasten soll. Die US-Notenbank [3][Fed versucht,
mit Leitzinserhöhungen gegenzusteuern] und damit die Inflation auf
klassischem geldpolitischem Weg einzudämmen. Die Gefahr dabei ist, dass die
wirtschaftliche Aktivität im Land bei zu hohen Zinsen erst recht einbrechen
könnte, denn sie würden vor allem Kredite verteuern.
Im Gegensatz zu den bisherigen zwölf Konjunkturrückgängen, die die USA seit
dem Ende des Zweiten Weltkriegs durchgemacht haben, scheint der aktuelle
Einbruch des Wirtschaftswachstums dieses Mal etwas anders gelagert zu sein.
Denn trotz schrumpfender Wirtschaft fallen die Arbeitslosenzahlen weiter.
Der Anteil der Erwerbslosen ging von 4 Prozent im Dezember 2021 bis Mai auf
3,6 Prozent zurück. Im Juni fanden 372.000 Amerikaner:innen eine neue
Stelle. Viele Unternehmen, vor allem in der Gastronomie und in der
Dienstleistungsbranche, suchen händeringend nach Arbeitskräften.
## Aufschrei bleibt aus
Diese Diskrepanz zwischen Arbeitslosenzahlen und anderen wirtschaftlichen
Indikatoren sorgt aktuell dafür, dass der große Aufschrei und die Angst vor
der Rezession noch ausbleiben. Statt dessen sorgen nur die gestiegenen
Spritpreise, Energiekosten und Lebensmittelpreise bei der Bevölkerung für
Unmut und Verunsicherung.
„Der letzte Arbeitsmarktreport hat gezeigt, dass unser Arbeitsmarkt trotz
aller Herausforderungen und Gegenwinde weiter stark ist. Er spiegelt auch
die Tatsache wider, dass die US-Wirtschaft noch Luft hat, den
bevorstehenden Herausforderungen entgegenzutreten, während sich die
Notenbank mit der Inflation und wir uns mit Russlands Krieg gegen die
Ukraine beschäftigen“, sagte Cecilia Rouse, die zu den wirtschaftlichen
Beratern im Weißen Haus zählt, dem TV-Sender CNBC.
Damit ist die bevorstehende Rezession der US-Wirtschaft ein Sonderfall, den
es so noch nie gab. Entsprechend unklar sind ihre Auswirkungen.
14 Jul 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[2] /Wirtschaftliche-Lage-in-den-USA/!5828228
[3] /Fed-erhoeht-Leitzins/!5859201
## AUTOREN
Hansjürgen Mai
## TAGS
USA
Inflation
Rezession
Joe Biden
GNS
Lesestück Recherche und Reportage
Zinsen
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Schwerpunkt Armut
Wirtschaft
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