# taz.de -- Ver.di bricht Tarifverhandlungen ab: Explosive Stimmung am Hafen | |
> Die Verhandlungen zwischen Ver.di und dem Zentralverband der Seehäfen | |
> sind erneut unterbrochen. Die Wut ist bei den Hamburger Hafenarbeitern | |
> groß. | |
Bild: Sind wütend: Hafenarbeiter im Hamburger Hafen | |
HAMBURG taz | Der erneute Abbruch der Tarifverhandlungen scheint auf den | |
ersten Blick gewagt: Im [1][Tarifkampf] boten die deutschen | |
Seehafen-Betriebe der Gewerkschaft Ver.di satte 12,5 Prozent mehr Lohn für | |
die rund 12.000 Beschäftigten an. Dennoch stoppte Ver.di am Mittwoch die | |
sechste Verhandlungsrunde. | |
„Wir brauchen einen echten Inflationsausgleich, um die Beschäftigten in | |
allen Betrieben nicht mit den Folgen der galoppierenden Preissteigerung | |
allein zu lassen“, begründete Ver.di-Verhandlungsführerin Maya | |
Schwiegershausen-Güth das Nein der Ver.di-Tarifkommission zum Angebot der | |
Arbeitgeber. | |
Während sich die Gewerkschafterin nun zurückhaltend über das weitere | |
Vorgehen zeigt, ist die Wut der Beschäftigten auf die Arbeitgeber groß. Es | |
steht womöglich ein längerer Arbeitskampf im Raum – und ein Tsunami an | |
[2][Containerschiffe]n wälzt nach dem Ende des Shanghai Lockdowns auf den | |
Norden zu. | |
Schwiegershausen-Güth forderte den [3][Zentralverband der deutschen | |
Seehäfen] (ZDS) zu Nachverhandlungen auf. Ver.di wolle ein Ergebnis am | |
Verhandlungstisch erzielen und sehe, im Gegensatz zur Arbeitgeberseite, | |
aktuell keine Notwendigkeit für einen Schlichter. | |
## Erster Hafenstreik seit 1978 | |
Die Arbeitgeber wollen jedoch von weiteren Verhandlungen nichts wissen. Sie | |
hätten ihre Angebote wiederholt verbessert und seien sogar auf die | |
Ver.di-Forderung eingegangen, die Inflationsrate zu übertreffen. Ver.di | |
habe aber keinerlei Kompromissbereitschaft gezeigt. „Wir brauchen dringend | |
ein Schlichtungsverfahren“, sagte die Verhandlungsführerin der Arbeitgeber, | |
Ulrike Riedel. | |
Die Hafenarbeiter sind jedoch zunehmend verärgert über ihre Arbeitgeber. | |
Das zeigte schon der 24-stündige Warnstreik in den Seehäfen Emden, | |
Bremerhaven, Bremen, Brake, Wilhelmshaven und Hamburg mit 8.000 | |
Teilnehmerinnen vor zwei Wochen. | |
Es war der erste Streik seit 1978. In den vergangenen zwei Jahren mit den | |
Corona-Einschränkungen, Lockdowns und Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen | |
ist es auf den Hafenterminals als systemrelevante Branche – bis auf eine | |
kurzfristige Phase im Frühjahr 2020, als China wegen Corona alle Häfen | |
geschlossen hatte – fast zu keinen wesentlichen Einbrüchen beim | |
Betriebsablauf gekommen. | |
Große Hafenbetriebe wie die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) konnten | |
sogar satte Gewinne durch die längeren Lager- und Verweilzeiten der | |
Container auf den Anlagen verzeichnen. „Der Arbeitgeber stopft sich das | |
Geld in die Tasche und wir sollen wieder leer ausgehen“, sagt ein | |
HHLA-Mitarbeiter der taz. | |
## Angst und Wut vor Jobverlust | |
Zudem sei die Arbeit derzeit von ungewöhnlichen Turbulenzen gekennzeichnet, | |
weil Lieferketten durchbrochen worden waren und sich die Container auf den | |
Hafenanlagen stapeln – verstärkt wurde das nun auch noch durch den Lockdown | |
in Shanghai. Viele Containerriesen stauen sich derzeit allein vor der | |
Elbmündung und warten auf Abfertigung in Hamburg. | |
„Es funktioniert einfach alles nun nicht mehr, sondern es herrscht | |
regelrecht Chaos“, berichtet ein Hamburger Hafenarbeiter der taz. Sobald | |
ein Schiff ankomme, sei der Druck hoch, möglichst schnell die Entladung zu | |
erledigen. Auch die Beladung der Schiffe sei schwierig. | |
Die Belegschaften scheinen völlig unmotiviert, durch Mehrarbeit, | |
Sonderschichten und Überstunden dem Chaos Abhilfe zu leisten. Zugleich | |
herrscht – nicht nur wegen der Tarifrunde – eine hochexplosive Stimmung: | |
„Warum sollen wir jetzt den Karren aus dem Dreck ziehen, wenn sie uns | |
ohnehin loswerden wollen“, sagt ein Hafenarbeiter. | |
Seit 2020 stehen die Pläne im Raum, dass die beiden größten Konkurrenten in | |
der Deutschen Bucht – Eurogate und HHLA – kooperieren und fusionieren | |
wollen, um jeweils 50 bis 80 Millionen Euro Kosten zu reduzieren. Damit | |
wollen HHLA und Eurogate den Häfen Rotterdam und Antwerpen Paroli bieten. | |
Auch wenn die Fusion vorerst vom Tisch ist, wie die Beteiligten vergangene | |
Woche bekanntgaben, kursieren in der Belegschaft die Gerüchte über | |
Einsparungen und Automatisierungsvorhaben, Drohneneinsatz oder | |
Hightech-Systeme zur Containerbeförderung weiter. Das sorgt für Angst, aber | |
auch Wut. | |
9 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Warnstreiks-in-den-Haefen/!5856957 | |
[2] /Mega-Schiffsstau-vor-Schanghai/!5844626 | |
[3] https://zds-seehaefen.de/ | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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