# taz.de -- Experte über Handelsabkommen Ceta: „Deutliches Ja zu Paralleljus… | |
> Der Experte für Handelspolitik Ludwig Essig warnt vor dem | |
> Handelsabkommen. Es berge Risiken für die Umwelt und gebe Unternehmen zu | |
> viel Macht. | |
Bild: Werden die Grünen ihre Ideale vergessen? Demonstration gegen Ceta, 2016 … | |
taz: Herr Essig, die Ampelregierung will das europäisch-kanadische | |
Handelsabkommen Ceta ratifizieren. Warum halten Sie das für falsch? | |
Ludwig Essig: Mit Ceta soll eine Paralleljustiz mit Sonderklagerechten für | |
Großinvestoren eingerichtet werden, die Regierungen erpressbar macht. Und | |
obwohl Ceta erst nach Inkrafttreten des Pariser Klimaabkommens | |
unterzeichnet wurde, enthält es keine verbindlichen Regeln und | |
Durchsetzungsmechanismen zum Schutz des Klimas. Das Gleiche gilt für | |
weitere ökologische und soziale Nachhaltigkeitsziele, wie sie etwa im | |
internationalen Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt oder in | |
den Kernprinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vereinbart | |
sind. Dagegen ist der zollfreie Handel mit klimaschädlichen Produkten wie | |
dem besonders CO2-lastigen kanadischen Teersandöl durch ein | |
zwischenstaatliches Schiedsgericht geschützt, das Strafzölle verhängen | |
kann. | |
Die Regierung zieht den Schiedsgerichten doch die Zähne, indem sie eine | |
Interpretationserklärung an den Vertrag fügen will, nach der nur noch | |
Klagen bei direkten Enteignungen und Diskriminierung möglich sind. | |
Ja, das hat die Bundesregierung in ihrer neuen Handelsagenda angekündigt. | |
Aber eine Interpretationserklärung schafft nicht das grundsätzliche Problem | |
einer Paralleljustiz aus dem Weg. | |
Das grün geführte Wirtschaftsministerium hat angekündigt, das mit dem | |
Ceta-Gesetz eine neue Handelspolitik beginnt, die auf Nachhaltigkeit und | |
Klimaschutz setzt. Ist das gelogen? | |
Ich möchte gar nicht verschweigen, dass die Einigung im ersten Kapitel der | |
neuen Handelsagenda der Bundesregierung ein Fortschritt ist, in allen | |
zukünftigen Abkommen soziale und ökologische Standards rechtlich zu | |
schützen. Wir sehen das auch als unseren Erfolg an. Das Problem ist, dass | |
die neue Handelsagenda aber einen großen Widerspruch hat. | |
Welchen? | |
Im ersten Teil werden lauter tolle Sache verkündet, die zukünftig in | |
Handelsabkommen gelten sollen, und gleichzeitig will die Ampel Ceta | |
ratifizieren, wo genau alles das nicht der Fall ist. Die Tragweite dieses | |
Vertrags ist zu groß, um zu sagen, bei den nächsten Abkommen machen wir es | |
dann eben besser. | |
Nach der Willkür-Handelspolitik von Donald Trump und angesichts der | |
derzeitigen Weltlage mit Ukrainekrieg, Energiekrise und massiven | |
Lieferkettenproblemen: Ist die Kritik an einem Freihandelsabkommen mit | |
einem so freundlichen Land wie Kanada nicht aus der Zeit gefallen? | |
Wir setzen uns ausdrücklich für einen sozial-gerechten und ökologischen | |
Welthandel ein. Man darf nicht außer Acht lassen, dass der | |
Ceta-Handelsvertrag seit fünf Jahren vorläufig in Kraft ist. Mit der | |
Ratifizierung dieses Vertrages sagt man dann nur noch ganz deutlich Ja zu | |
einer Paralleljustiz, weil alle Handelsteile des Abkommens schon in Kraft | |
sind. Man sieht beispielsweise am Abkommen mit Neuseeland, dass die EU in | |
der Lage ist, auch nachhaltige Handelsverträge zu verhandeln, denen | |
gegenüber wir auch aufgeschlossen sind. Es geht uns in der Kritik weder um | |
Kanada, noch um die EU. Denn viel entscheidender ist der Inhalt des | |
Vertrags. Und gerade in diesen krisengebeutelten Zeiten brauchen wir | |
handlungsfähige Parlamente und Regierungen. Dem stehen die Schiedsgerichte | |
von Ceta entgegen. | |
Viele Grüne haben vor einigen Jahren gegen Ceta protestiert und Ihre Kritik | |
geteilt. Fühlen Sie sich jetzt von den Grünen verraten? | |
Warten wir einmal ab, wie sich die grünen Abgeordneten bei der Abstimmung | |
verhalten. Aber grundsätzlich habe ich schon das Gefühl, dass die Grünen | |
ihre ganzen guten Argumente seit Eintritt in die Ampel vergessen haben. | |
Immerhin gingen wir jahrelang gemeinsam auf die Straße und die Grünen haben | |
mit diesem Thema Wahlkampf betrieben. Das Vorgehen sowie das Vorhaben der | |
Grünen, Ceta jetzt im Eilverfahren zu ratifizieren, ist ein massiver | |
Fehler. | |
5 Jul 2022 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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