| # taz.de -- Nach der Parlamentswahl in Frankreich: Sieg für die Demokratie | |
| > Frankreichs Parlament ist kein bloßer Abnickverein mehr. Aber: Obwohl das | |
| > linke Bündnis stark hinzugewann, wird sich Macron wohl nach rechts | |
| > bewegen. | |
| Bild: Gestärkt, aber ohne eigene Mehrheit: der Linke Jean-Luc Mélenchon in de… | |
| Emmanuel Macron muss wenige Wochen nach seiner Wiederwahl als Präsident | |
| [1][eine demütigende Niederlage] einstecken. Wer wird in den kommenden | |
| Jahren in Frankreich regieren? Die Frage ist offen nach den | |
| Parlamentswahlen am Sonntag. Das erst gerade neugebildete Ministerkabinett | |
| von Elisabeth Borne hat keine handlungsfähige Mehrheit mehr. Die Allianz | |
| von Präsident Emmanuel Macron hat nicht einmal genug Sitze zur Bildung | |
| einer Minderheitsregierung, die sich mit Absprachen und Kompromissen von | |
| Fall zu Fall durchwursteln könnte. | |
| Am Wahlabend herrschte die Befürchtung, dass mit diesen Wahlen Frankreich | |
| gänzlich regierungsunfähig geworden sei. Heute führt kaum noch ein Weg an | |
| Verhandlungen für eine Koalitionsregierung vorbei. Was in Nachbarländern | |
| mit diversen Koalitionen seit Langem an der Tagesordnung ist, gab es aber | |
| seit mehr als 60 Jahren nicht mehr in Frankreich, weil immer der Staatschef | |
| das exklusive Machtzentrum war. | |
| Der gleichzeitige Erfolg der linken und rechten Oppositionsparteien, welche | |
| die Zahl ihrer Sitze im Vergleich zu 2017 je rund verzehnfacht haben – | |
| [2][in Frankreich gilt das Mehrheitswahlrecht], jede*r Abgeordnete muss | |
| seinen Wahlkreis gewinnen -, verspricht sehr belebte Debatten in der | |
| zukünftigen Nationalversammlung. Der Ausgang der Wahlen ist in dieser | |
| Hinsicht ein Sieg für die parlamentarische Demokratie. | |
| Die Nationalversammlung wird sich nicht mehr darauf beschränken, [3][die | |
| Regierungsvorlagen durchzuwinken], wie dies im französischen | |
| Präsidialsystem meistens die Regel war. Die Bürger*innen haben mit ihrem | |
| Votum dem Präsidenten und seiner Alleinherrschaft ihr Misstrauen | |
| ausgesprochen. | |
| ## Macrons Mitte muss sich erweitern | |
| Da aber weder die linke noch die rechte Opposition eine Mehrheit bekommt, | |
| zeichnet sich auch kein Machtwechsel ab. Macrons bisherige Allianz muss | |
| Koalitionspartner finden. Die Konsequenz davon wird eine behelfsmäßige | |
| Erweiterung der schon bisher breiten Mitte um Macrons Bewegung „En marche“ | |
| sein. Und da sich dazu kaum andere zusätzliche Kräfte anbieten als die | |
| Konservativen, wird Macrons „Mitte“ nach dieser dritten Wahlrunde fast | |
| zwangsläufig nach rechts rutschen. | |
| Das paradoxe Ergebnis der spektakulären Sitzgewinne der linken Wahlunion | |
| NUPES wird es darum sein, dass die Regierungspolitik, statt sozialer und | |
| ökologischer zu werden, in die Gegenrichtung gleitet. Was dies konkret | |
| bedeutet, wird sich schon bald in der Debatte über die von Macron gewollte | |
| Rentenreform zeigen. Die vierte Runde wird dann – wie Macron eigentlich aus | |
| der Erfahrung mit den Gelbwesten wissen müsste – erneut auf die Straße | |
| verlagert. | |
| 20 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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