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# taz.de -- Raubkunst im Humboldt Forum: From Berlin with Love
> Große Restitutionswoche in der Hauptstadt: Die Stiftung Preußischer
> Kulturbesitz hat das Placet für die Rückgabe von „Benin-Bronzen“ gegebe…
Bild: Auch diese Benin-Bronzen dürfen vielleicht bald zurück
Auf einmal geht es Schlag auf Schlag: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz
(SPK) hat den Weg frei gemacht für die Rückgabe einer „ihrer“ berühmtest…
Schätze: der „Benin-Bronzen“. Wie erst am Dienstagabend bekannt wurde, hat
der Stiftungsrat unter dem Vorsitz von Kulturstaatsministerin Claudia Roth
(Grüne) bereits am Montag seinem Präsidenten Hermann Parzinger Vollmachten
erteilt, für eine Reihe von Sammlungsstücken aus kolonialen Kontexten
Rückgabe-Verhandlungen mit den Herkunftsländern aufzunehmen. Dies betrifft
zum einen die Figur „Ngonnso“ aus Kamerun ([1][taz berichtete]), zum
anderen Objekte aus Namibia und Tansania – und eben die berühmten Bronzen.
Die Benin-Bronzen sind ein Konvolut aus mehreren Tausend Skulpturen, Tafeln
und Reliefs aus dem 16. bis 18. Jahrhundert aus dem früheren Königreich
Benin auf dem Gebiet des heutigen Nigeria. Als englische Truppen 1897 die
gleichnamige Hauptstadt im Zuge einer kolonialen „Strafexpedition“
weitgehend zerstörten, fielen die Kunstschätze in ihre Hände.
In Europa lösten sie wegen ihrer Schönheit und Einzigartigkeit einen
regelrechten Sammelhype aus. Für Berlin organisierte der damalige
Direktorialassistent des Königlichen Museums für Völkerkunde, [2][Felix
von Luschan], den Ankauf Hunderter Bronzen über Auktionen und Händler.
Heute hat Berlin daher die weltweit zweitgrößte Sammlung (nach London) mit
580 Objekten.
Trotz des offenkundigen Unrechtskontextes hat die SPK Forderungen nach
Rückgabe seitens Nigerias seit 1972 blockiert, wie die Kunsthistorikerin
Bénédicte Savoy in ihrem Buch „Afrikas Kampf um seine Kunst“ detailliert
nachzeichnet. Die Blockade-Haltung der Institution beim Thema Restitution
allgemein weichte erst langsam auf nach dem Rücktritt von Savoy aus dem
wissenschaftlichen Beirat des Humboldt-Forums 2017 und der damit neu
entfachten Debatte um den Umgang mit Raubkunst und kolonialem Erbe in
Deutschlands wichtigstem kulturpolitischen Aushängeschild.
## Dann kam Bewegung in die Sache
Doch noch zur – wegen Corona zunächst nur digitalen – Eröffnung des Forums
im Dezember 2020 und trotz öffentlichkeitswirksamen Drucks vonseiten des
nigerianischen Botschafters zeigten sich die Humboldt-Macher zögerlich. Die
Benin-Bronzen würden einer der Publikumsmagneten der ethnologischen
Ausstellung, sagte damals noch im Brustton der Überzeugung der
Generalintendant des Humboldt-Forums, Hartmut Dorgerloh. Erst als im Zuge
der echten Eröffnung voriges Jahr das Thema auch international Beachtung
fand, kam richtig Bewegung in die Sache.
Deutschland, das sich international als geläuterter postkolonialer Player
und „Partner Afrikas“ präsentieren will, musste gegenüber Frankreich
aufholen, dessen Präsident Emmanuel Macron 2017 die grundsätzliche
Bereitschaft zur Rückgabe kolonialen Raubguts verkündet hatte. So kam es im
April vorigen Jahres zur Erklärung der deutschen Museen, in der sie
erstmals „substanzielle Rückgaben“ von Benin-Bronzen anboten. Neben Berlin
finden sich diese vor allem in Hamburg, Stuttgart, Dresden und Köln.
Seither wird darüber mit Nigeria verhandelt.
Am Freitag sollen nun Roth und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne)
mit ihren nigerianischen Amtskollegen eine Absichtserklärung unterzeichnen,
die den Weg für die Eigentumsübertragungen freimacht. Für die nigerianische
Seite sollen Kulturminister Lai Mohammed und der Staatsminister für
Auswärtige Angelegenheiten, Zubairo Dada, dabei sein. Dabei sollen nach
dpa-Information symbolisch zwei Bronzen aus der Berliner Sammlung übergeben
werden.
Mit dem Beschluss von Montag hat die SPK zugestimmt, dass ihr Teil der
Benin-Sammlung zurückgegeben werden darf. Ziel sei, „dass das Eigentum an
allen in Berlin befindlichen Objekten, die im Rahmen der sogenannten
Britischen Strafexpedition von 1897 in Benin geraubt wurden, an Nigeria
übertragen werden soll“, erklärte Parzinger. Nicht betroffen sind somit
einige wenige Stücke aus Benin, die bereits vorher in die kaiserliche
Kunstsammlung kamen.
## Noch keine konkrete Auswahl
Auch sollen nicht alle rückübertragenen Bronzen zurückgehen: ein Teil der
Objekte werde wohl als „langfristige Leihgabe“ in Berlin bleiben können,
darüber sei man sich mit Nigeria einig, so Parzinger weiter. Die konkrete
Auswahl sei noch nicht getroffen. Alle anderen, die nicht in Berlin
bleiben, sollten „so zügig wie möglich“ nach Nigeria zurückgehen. Wann
genau, könne man nicht sagen, so eine Sprecherin der SPK auf taz-Anfrage –
dies hänge auch von der nigerianischen Seite ab.
Ab 17. September, wenn mit dem Ostflügel im 2. und 3. Stock der letzte Teil
des Humboldt-Forums eröffnet wird, soll auch die Benin-Sammlung inklusive
Bronzen gezeigt werden.
Wie die Ausstellung angesichts der neuen Entwicklung aussehen wird, ist
offen. Allerdings war von den Kurator*innen ohnehin geplant, einen Raum
der „Strafexpedition“ und dem Thema Kolonialismus zu widmen.
Ebenfalls am Montag entschied der Stiftungsrat, dass 23 Objekte aus
Namibia, die bereits im Mai zu Forschungszwecken in die frühere deutsche
Kolonie zurückgebracht wurden, dort bleiben können. Auch hierzu kann
Parzinger nun Verhandlungen aufnehmen.
Gleiches gilt für eine ungenannte Zahl von Objekten aus Tansania, „die als
Kriegsbeute aus dem Maji-Maji-Krieg und weiterer Kriege seit der
Kolonialeroberung identifiziert wurden“, so die SPK in einer Erklärung von
Montag.
29 Jun 2022
## LINKS
[1] /Rueckgabe-an-Kamerun/!5863630
[2] /Benin-Kunstwerke-in-Berlin/!5769604
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus
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