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# taz.de -- Späterer Unterrichtsbeginn: Niemand möchte aufgeweckte Schüler
> In Niedersachsen wird mal wieder ein späterer Schulbeginn diskutiert. Der
> wäre zwar vernünftig, kommt aber bestimmt trotzdem nicht.
Bild: Ausschlafen ist nicht: Das gilt auch für diese Vorbereitungsklasse mit u…
Malte Kern heißt der neue Vorsitzende des Landesschülerrates in
Niedersachsen. In den letzten zwei Tagen trabte er vor allem mit einer
Forderung durch die regionale Medienlandschaft: Unterrichtsbeginn erst um 9
Uhr. Wobei das ein bisschen unfair ist. Gesagt hat Malte Kern nämlich noch
ganz andere bedenkenswerte Dinge [1][in einem großen Interview mit der
Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ)]. Aber das lief dann so, wie es
halt öfter geht: Die hübsche plakative Forderung landete in der Überschrift
und machte großes Aufsehen.
Am Ende musste [2][sogar das Kultusministerium reagieren] und schob den
Schwarzen Peter wie gewohnt weiter an die Schulen und Schulträger.
Grundsätzlich gäbe es ja keinen Erlass, der den Unterrichtsbeginn auf 8 Uhr
festlegt, die [3][Schulen] könnten das anders regeln, heißt es da. Mit den
organisatorischen Problemen beim Schulbusverkehr und in der Tagesplanung
von berufstätigen Eltern sollten sie sich dann aber auch auseinander
setzen, findet das Ministerium.
Besonders neu ist diese Debatte natürlich nicht: Dutzende Studien und
Modellversuche haben belegt, dass ein zu früher Unterrichtsbeginn sich ab
der Frühpubertät ungünstig auswirkt. Die Kinder sind unkonzentriert und
weniger leistungsfähig, weil sich ihr zirkadianer Rhythmus in diesen Jahren
von der Lerche zur Nachteule verschiebt. So weit, so bekannt.
Geändert wird trotzdem nichts. Warum nicht? Meine These ist: Weil hier die
Aversion gegen Veränderungen besonders hoch ist. Und weil in Wirklichkeit
niemand aufgeweckte Schüler haben möchte.
## Schule muss ja freudlos sein
Das Argument, da hätten berufstätige Eltern ein Problem, führt nämlich in
die Irre. Um die Bedürfnisse berufstätiger Eltern kümmert sich dieses
Schulsystem sonst nie: Es gibt in Niedersachsen kaum Schulen mit
zuverlässiger Betreuung, die sich über einen ganzen Arbeitstag erstreckt,
dafür aber dauernd Ausfälle und eine ausufernde Anzahl an Ferientagen.
Auch die Befürchtung, ein späterer Schulbeginn würde den Schultag zu weit
in den Nachmittag verschieben, betrifft bei genauerem Hinsehen ja vor allem
eine Gruppe: Die Kinder, die von Mutti zu ihren diversen, teuren
Freizeitaktivitäten gefahren werden und möglichst ungehindert ihre
privilegierte Kindheit genießen sollen. Wo kämen wir denn da hin, wenn an
einer richtigen Ganztagsschule plötzlich jeder Ballett- und
Klavierunterricht oder Schwimmtraining haben könnte?
Vor allem aber müssen die Schüler frühzeitig mit den dümmsten Auswüchsen
unserer Arbeitskultur bekannt gemacht werden: dem Kult ums Frühaufstehertum
zum Beispiel. Frühaufsteher gelten grundsätzlich als fleißiger, selbst wenn
sie die ersten Arbeitsstunden nur mit Kaffeekochen und Blumengießen
verbringen – und dabei jeden hereinkommenden Kollegen mit „Na? Auch schon
da?“ begrüßen.
Das passt hervorragend zu einer Arbeitskultur, in der Anwesenheit oft
wichtiger ist als Ergebnisse – in der es öfter darum geht, Fleiß zu
simulieren und möglichst gestresst auszusehen, als tatsächlich etwas zu
leisten. Wenn es nicht freudlos, anstrengend und ermüdend ist, dann darf
man das nicht Arbeit nennen. Und auch nicht Schule. Früh übt sich, wer
später klaglos Würmer fressen soll.
26 Jun 2022
## LINKS
[1] https://www.haz.de/der-norden/schuelerrat-malte-kern-fordert-schulbeginn-in…
[2] /!5859741/
[3] /Autorin-ueber-Schulreform/!5737885
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Schule
Niedersachsen
Unterricht
Kolumne Kinderspiel
Hamburg
Schule und Corona
Schwerpunkt Coronavirus
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