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# taz.de -- Trans Autorin und Veteranin Drew Pham: „Queerfeindlichkeit ist ti…
> Drew Pham ist Veteranin der US-Armee und trans. Heute gebe es viele
> Offizier*innen, die sich zu ihrer Geschlechtsidentität bekennen. Doch
> Diskriminierung bleibe ein Problem.
Bild: Die Veterans Day Parade in New York
taz: Drew Pham, in Ihren Texten bezeichnen Sie sich selbst als
desillusionierte Veteranin. 2011 kamen Sie aus dem Afghanistankrieg
zurück. Worin bestand die Desillusionierung?
Drew Pham: Meine Erfahrungen beim Militär haben mich politisch
radikalisiert. Ich kann heute nicht über Afghanistan und den Krieg
sprechen, ohne die Gewalt zu benennen, die ich als trans Frau, als Kind von
vietnamesischen Kriegsflüchtlingen, als queere Person of Color in den USA
erlebe. Ich kenne kaum queere Veteran*innen, die tatsächlich stolz auf
ihren Wehrdienst sind. Wie kann man stolz auf eine Struktur sein, in der
Rassismus und Queerfeindlichkeit so tief verankert sind?
Die Wehrpflicht wurde in den USA bereits 1973 abgeschafft. Wer sind die
Menschen, die heute zur Armee gehen?
Die Demografie der Streitkräfte entspricht immer mehr der der
US-Bevölkerung. Meine Kavallerietruppe bestand zu 50 Prozent aus People of
Color. Rekrutiert wird vor allem in Arbeiter*innenvierteln. Für mich
war ein Stipendium vom Militär die einzige Möglichkeit, mein gewaltvolles
Elternhaus zu verlassen und zu studieren. Ich war in vielerlei Hinsicht
geradezu prädestiniert, zur Armee zu gehen. Parallel zu meinem Studium
wurde ich zur Offizierin ausgebildet. Viele Queers und trans Personen gehen
zur Armee, um ihren Familien zu entkommen, oder aber, um mit
Geschlechterrollen zu experimentieren. Meine Genderexperimente waren sehr
asymmetrisch: Ich versuchte einem bestimmten Männlichkeitsbild zu
entsprechen, aber konnte in meiner Rolle als Verantwortliche für eine
Gruppe von Soldat*innen auch fürsorglich oder gar mütterlich sein, ohne
mich zu outen.
2011 wurde die Praxis von [1][„Don’t ask, don’t tell“] („Frag nicht, …
nichts“) in den Streitkräften abgeschafft, die es Soldat*innen bis dato
verbot, sich zu outen oder queere Beziehungen innerhalb der Armee zu
führen. Seit 2021 können trans Personen ohne Einschränkungen dienen, die
medizinische Versorgung während einer Transition soll vom Militär
gewährleistet werden. Was bringt mehr Diversität in der Armee?
Ich denke nicht, dass mehr Diversität in den Streitkräften irgendwo
hinführt. Heutzutage gibt es trans Offizier*innen, die sich stolz zu ihrem
trans Sein bekennen. Gleichzeitig bleiben Homophobie und sexuelle
Übergriffe innerhalb der Strukturen ein großes Problem. Als „Don’t ask,
don’t tell“ abgeschafft wurde, outeten sich manche Soldat*innen um mich
herum. Ich tat es nicht. In meiner Ausbildung zur Offizierin diente mir die
Anpassung an ein normatives Männlichkeitsbild als Maske und Schutz, obwohl
es sich unglaublich unauthentisch anfühlte.
Als der Truppenabzug aus Irak und Afghanistan begann, wurden oft zuerst
queere Soldat*innen aus den Einheiten geworfen, unter dem Vorwand von
Fehlverhalten. So wurden ihnen die Leistungen verwehrt, die sie nach dem
Ausscheiden aus dem Militärdienst gebraucht hätten. Ein solcher Rausschmiss
kommt einem Eintrag ins Vorstrafenregister gleich. Pinkwashing der Armee
oder der Polizei ändert nichts an den Hauptzielen dieser Institutionen,
nämlich Schutz von Privateigentum im Inland und Machterhalt und Profit im
Ausland. Das Einzige, was wir mit diesen Institutionen machen können, ist,
sie abzuschaffen und unsere Gesellschaft neu aufzubauen.
Gibt es Raum für die Perspektiven von Veteran*innen in der
queerfeministischen und abolitionistischen Bewegung?
Auf jeden Fall! Wir Veteran*innen haben einen besonderen Einblick in die
Organisationslogik des Militärs und wissen, wie der Machterhalt innerhalb
der Strukturen funktioniert.
Welche Unterstützungsangebote gibt es für queere Veteran*innen?
Ich war früher in der Organisation Veterans Administration tätig, über die
ich Zugang zu einer Selbsthilfegruppe für LGBTQI*-Veteran*innen bekam. Fast
alle Frauen in dieser Gruppe waren trans Frauen, und das aus drei
Generationen: von Veteran*innen aus dem Vietnamkrieg über solche der
Zwischenkriegszeit bis hin zu meiner Generation von Veteran*innen aus
dem Afghanistankrieg. Obwohl wir von der Veterans Administration
unterstützt werden, ist es schwer, zum Beispiel an transspezifische
Medikamente und Gesundheitsversorgung zu kommen.
Wie steht es allgemein um die [2][Rechte von trans Personen in den USA]?
Ich habe den Überblick darüber verloren, welche Staaten bereits
Antitransgesetze eingeführt haben. Auch in New York, einer als
transfreundlich geltenden Stadt, werden trans Personen angegriffen und
ermordet, vor allem trans Frauen. Meist werden diese Morde nicht mal als
Hassverbrechen anerkannt. Am fehlenden Zugang zu transspezifischer
Gesundheitsversorgung zeigt sich symptomatisch eine Reihe von
gesellschaftlichen Problemen. Die Wartezeiten für geschlechtsangleichende
Operationen erstrecken sich in vielen Fällen über Jahre, der Zugang zu
Hormontherapien ist äußerst restriktiv – beides Zeichen unseres
überlasteten und unzureichenden Gesundheitssystems.
Für bürokratische Schritte wie etwa eine Namensänderung ist es oftmals
nötig, eine*n Anwält*in zu engagieren. Das können sich wiederum viele
trans Personen nicht leisten. Der Staat hat kein Interesse daran, Menschen
zu unterstützen, die die normative Ordnung destabilisieren und etwa mit dem
Bild der heteronormativen, monogamen Ehe und Kleinfamilie brechen.
Auf der Konferenz sprechen Sie über die Konstruktion von Geschlecht und
Sexualität in neoimperialistischen Gewaltsystemen. Was genau bedeutet das?
In den Kolonien waren die Kontrolle und Regulierung von Sexualität enorm
wichtig. Damit die Offiziere und Soldaten der kolonialen Verwaltung keine
sexuellen Beziehungen untereinander anfingen, wurden Bordelle eingeführt.
Es gab die Sorge, dass ihre Autoritätshörigkeit nachlässt, wenn sie
anfangen, miteinander zu schlafen. In Afghanistan habe ich einen ganz
ähnlichen Drang erlebt, die Sexualität innerhalb der Truppe zu
kontrollieren. Es geht dabei um Machterhalt. Meine Transition und das
Ablegen der mit Männlichkeit verbundenen Macht können als Verrat betrachtet
werden. Was, wenn immer mehr Menschen erkennen, dass Macht nicht an ein
bestimmtes Geschlecht und eine bestimmte Gesellschaftsordnung gebunden sein
sollte?
Sie schreiben auch über die Erfahrung vietnamesischer Migrant*innen in
den USA. Welche Rolle wurde dieser Gruppe nach dem Vietnamkrieg
zugeschrieben?
Viele Boatpeople aus Vietnam kamen in den späten 70er und frühen 80er
Jahren in den USA an. Ich wurde erst danach geboren. Als Kind wurde ich In
Philadelphia, Pennsylvania, wo meine Großmutter damals lebte, von
Ku-Klux-Klan-Anhängern durch die Straßen gejagt. Ich wuchs in Virginia auf,
meine Klassenkamerad*innen dort gaben mir zu verstehen, dass Vietnam
kein Land ist, sondern ein Krieg. Außerhalb von Kriegsfilmen gab es keinen
Platz für uns in der US-Realität. Jedes Mal, wenn ich daran denke, dass ich
in Afghanistan jemanden getötet habe, wird dieses Trauma auf alle anderen
Traumata meines Aufwachsens und meiner Familiengeschichte gehäuft.
In Ihrem performativen Konferenzbeitrag geht es auch um „asymmetrische
Guerillawerkzeuge“. Wie sehen diese aus?
Als Dichterin und Schriftstellerin will ich meinen Schüler*innen und
Leser*innen vor allem eins mitgeben: zu lernen, hundertmal zu scheitern
und Niederlagen zu ertragen. In sozialen Bewegungen gibt es oft die
Vorstellung, dass das, was wir jetzt tun, uns morgen weiterbringen wird.
Seit meiner Rückkehr aus Afghanistan 2011 hatte ich diese Hoffnung bei
Occupy Wall Street, beim Arabischen Frühling, bei den
Black-Lives-Matter-Protesten. Mittlerweile denke ich aber, dass das
Einzige, was morgen auf uns wartet, ein weiteres Ringen und Kämpfen ist.
Dafür brauchen wir besondere Guerillawerkzeuge, die ich im Aufbauen von
queeren Communitystrukturen finde.
17 Jun 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Juri Wasenmüller
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