| # taz.de -- Neugründung von PEN Berlin: Wille zur praktischen Solidarität | |
| > In Berlin wurde nun also tatsächlich die zweite deutsche PEN-Sektion | |
| > gegründet. Sie soll von größtmöglicher Offenheit getragen werden. | |
| Bild: Eva Menasse und Deniz Yücel am Freitag in Berlin | |
| Das deutsche Vereinsrecht sorgte zunächst für ein wenig Abkühlung. Eben | |
| gerade noch konnte man sich als Beobachter aufgekratzte Aufbruchsstimmung | |
| im Garten des Berliner Literaturhauses abholen, wo am Freitagvormittag die | |
| Gründungsversammlung des PEN Berlin e. V. stattfand. Man sah viele | |
| aufbruchsbereite und manche leicht abgekämpfte Gesichter; hinter den | |
| Kulissen war noch lange über die Details der Gründung debattiert worden. In | |
| einem konstruktiven Geist, wie versichert wurde. | |
| Und dann wurde von einer Juristin erst einmal knapp eine Stunde durch die | |
| zu verabschiedende Satzung geführt, unter besonderer Berücksichtigung der | |
| Gesichtspunkte Gemeinnützigkeit und Kompatibilität mit dem internationalen | |
| PEN, wie es nun einmal sein muss. Was ja aber auch nur zeigt, dass diese | |
| Gründung kein spontanes Nachtreten nach den Eklats auf der inzwischen fast | |
| legendären [1][Mitgliederversammlung von Gotha] ist, sondern eine valide | |
| und sorgfältig vorbereitete Sache. | |
| Etwa 150 Gründungsmitglieder waren versammelt, leibhaftig oder auch per | |
| Zoom. Der 84-jährige Herbert Wiesner war darunter, Jan Brandt, Daniela | |
| Seel, Helge Malchow, Margarete Stokowski, Elke Schmitter, zugeschaltet | |
| waren unter anderen Hinrich Schmidt-Henkel und Ronya Othmann, eine illustre | |
| Runde. Sie verabschiedete die Satzung schließlich einstimmig. | |
| Auch wenn sich viele Details nun erst in der praktischen Umsetzung klären | |
| werden, kann man dieser Satzung schon mal eines nicht vorwerfen: dass sie | |
| nicht vom Willen zu größtmöglicher Offenheit getragen ist. Alle auf Deutsch | |
| schreibenden oder in Deutschland lebenden Schriftsteller*innen, | |
| Publizist*innen und auch Übersetzer*innen können Mitglied werden. | |
| Statt von einem Präsidenten wird der Verein von einem paritätisch besetzten | |
| Board geführt, als dessen Sprecher*innen im Literaturhaus Eva Menasse | |
| und Deniz Yücel gewählt wurden. | |
| ## Aversion gegen Vereinsmeierei | |
| Das Wort, das an diesem Vormittag am emphatischsten zu hören war, war das | |
| von einer „praktischen Solidarität“. Autor*innen seien Individualisten | |
| mit einer Aversion gegen Vereinsmeierei, sagte Deniz Yücel auf der | |
| Versammlung, doch es gebe Dinge, die man allein nicht gut lösen könne, | |
| insbesondere wenn die Freiheit des Wortes gefährdet und Solidarität unter | |
| Autor*innen gefordert sei. | |
| Tatsächlich konnte man den Eindruck gewinnen, dass dieser Wille zur | |
| praktischen Hilfe das ist, was die Anwesenden bewegte. Die Autorin Simone | |
| Buchholz brach auch gleich nach der Versammlung zum Flughafen auf, um den | |
| [2][Schriftsteller Dmitry Glukhovsky,] der in Russland zur Fahndung | |
| ausgeschrieben worden war, im Namen des PEN Berlin ins Exil abzuholen. | |
| Diejenigen Autor*innen, die dieser Neugründung skeptisch gegenüberstehen, | |
| waren naturgemäß nicht anwesend. Die Bedenken, die man hört, richten sich | |
| etwa dagegen, dass konservative Publizisten wie Jan Fleischhauer den neuen | |
| PEN Berlin zur eigenen Anerkennungssteigerung nutzen könnten. Auch das wird | |
| man sehen. Tonangebend waren solche fragwürdigen Manöver auf der | |
| Gründungsversammlung jedenfalls nicht. | |
| 10 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dirk Knipphals | |
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