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# taz.de -- Deutschland und Katar: Auf einen liberaleren Kurs lenken
> Der Besuch des Emirs von Katar wurde im Nahen Osten mit Skepsis
> beobachtet. Und mit der Hoffnung, Berlin werde positiv auf Doha
> einwirken.
Bild: Tamim bin Hamad al-Thani beim Treffen im Kanzleramt in Berlin
Die neuen Umstände, die der [1][Krieg in der Ukraine] schafft, zwingen
Deutschland zur Suche nach alternativen Energiequellen. So kam es auch,
dass der [2][Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani, jüngst Berlin
besuchte]. Das kleines Emirat ist kaum so groß wie Schleswig-Holstein, eine
Halbinsel im Persischen Golf, überwiegend Wüste, mit einer
Gesamtbevölkerung von weniger als 3 Millionen Seelen, von denen nur rund
300.000 BürgerInnen sind.
Diese kleine Halbinsel verfügt, wie viele andere Golfstaaten, über riesige
Mengen von Öl und Erdgas. Und damit über einen enormen Reichtum und
weitreichende wirtschaftliche Macht. Im Gegensatz zu anderen Golfstaaten,
wie Kuwait oder Oman, befindet sich Katar schon seit einigen Jahren auf
einem eigenen unabhängigen politischen Weg, ehrgeizig, „frech“, sich nicht
von der saudi-arabischen Hegemonie beeinflussen lassend und sogar mit ihr
kollidierend.
Dieser Kurs führte Katar zum frontalen Zusammenprall mit Ägypten, mit
Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten, die einen Boykott gegen das Emirat
verhängten, was allerdings misslang. Katar bewies beeindruckende
Widerstandsfähigkeit. Was Saudi-Arabien und die Verbündeten verärgerte, war
der komplizierte Alleingang, den Katar im Minenfeld der Regionalpolitik
vollführte.
Der Flirt mit Iran, die Unterstützung der Hisbollah im Libanon und
Bewegungen wie der Hamas in Gaza. Katar ist die Heimat von al-Dschasira,
eine Medienmacht, die arabische Regierungen scharf kritisiert und die
einerseits den Arabischen Frühling, andererseits radikal islamische
Organisationen, wie die Muslimbrüder, unterstützt.
## Die Interessen sind gegenseitig
Al-Dschasira dient erklärtermaßen der Informationsfreiheit und sei komplett
unparteiisch. Tatsächlich verfolgt der Sender eine klare Agenda – die des
katarischen Regimes: Unterstützung des radikalen Islam, [3][entschlossener
Widerstand gegen Israel und den Zionismus] sowie Opposition gegen
diktatorische Regime wie Ägypten und Saudi-Arabien. Es versteht sich von
selbst, dass dieser Widerstand das eigene Regime in Katar, das monarchisch
ist, ausnimmt.
Das Emirat nimmt mittels al-Dschasira großen Einfluss auf die Stimmung in
der arabischen Welt, auf politische und wirtschaftliche Prozesse. Es
scheint, als agiere Katar konsequent nach starrer Agenda, hat aber nicht
selten Pragmatismus und Flexibilität durchblicken lassen, wenn es um
politische und wirtschaftliche Interessen geht.
So besteht die Hoffnung, dass die Annäherung an Deutschland eine
Möglichkeit eröffnet, dass Berlin einen Einfluss ausübt, um Katar zu einem
moderateren Kurs zu bewegen und den kleinen Ölstaat näher an pragmatische
und liberalere Tendenzen im Nahen Osten heranzuführen. Eine gewagte
Hoffnung insofern, da es Deutschland ist, das aktuell ein dringendes
Interesse an der Kooperation mit Katar signalisiert, denn Deutschland
braucht katarische Brennstoffe.
Allerdings sind wie so oft die Dinge komplizierter, als sie erscheinen
mögen. So schreibt [4][Paul-Anton Krüger in der Süddeutschen Zeitung]:
„Wirtschaftlich ist Katar nicht darauf angewiesen, LNG nach Deutschland zu
verkaufen. Politisch allerdings strebt Doha schon länger eine engere
Kooperation mit Berlin an.“
Auch wenn Deutschland die Nähe gerade zu Katars Gegnern, wie den Emiraten,
wichtiger erscheinen mag, ist es an Bundeskanzler Scholz, das heikle Spiel
richtig zu spielen, und sich Katar anzunähern, ohne die Nähe zu den anderen
Golfstaaten aufzugeben. Ziel ist ein Netzwerk von gemeinsamen Interessen,
das die Politik Katars liberalisiert und auf die Wahl seiner Verbündeten
wirkt.
28 May 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/video-pk-emir-katar-dgs-2042166
[3] /Pressefreiheit-im-Nahen-Osten/!5438798
[4] https://www.sueddeutsche.de/politik/scholz-katar-gas-russland-1.5589245
## AUTOREN
Hagai Dagan
## TAGS
fossile Energien
Kolumne Fernsicht
Katar
Fußball-WM
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
LNG
Katar
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