| # taz.de -- Abschluss der Fußball-WM 2022: Made in Katar | |
| > Die Magie des Fußballs schien beim WM-Finale die politischen Debatten zu | |
| > überdecken. Kurz vor der Krönung riss der Gastgeber alle aus ihrer | |
| > Traumwelt. | |
| Bild: Fifa-Präsident Gianni Infantino, Lionel Messi und Emir Scheich Tamim bin… | |
| Wer dieses WM-Finale gesehen hat, der konnte sich der Magie, Schönheit und | |
| Unmittelbarkeit dieses Spiels nicht entziehen. Bevor es überhaupt zum | |
| dramaturgischen Höhepunkt der Partie kam, durchforsteten weltweit | |
| vermutlich Unzählige ihre Erinnerungen, ob sie jemals so etwas schon einmal | |
| gesehen hatten. Vergeblich. Vergessen war die Vereinnahmung dieses Turniers | |
| durch die solventen katarischen Machthaber, die das Fußballspektakel zu | |
| einem Bestandteil ihrer außenpolitischen Strategie machten. | |
| Vergessen in diesen intensiven Momenten war auch die nicht genauer zu | |
| beziffernde Zahl der Menschen, die ihr Leben für den Bau der glitzernden | |
| Fassaden dieses Spiels gelassen hatten und die Opfer von | |
| Menschenrechtsverletzungen in diesem Land wurden. Der Fußball schien seine | |
| Unschuld zurückerobert zu haben, weil er es vermag, den Moment so stark | |
| werden zu lassen, dass Vergangenes und Zukünftiges dahinter ganz klein | |
| werden. | |
| Doch dann, kurz vor der Krönung des neuen Weltmeisters und [1][seines | |
| unvergleichlichen Anführers Lionel Messi], riss der Emir [2][Scheich Tamim | |
| bin Hamad al-Thani] höchstpersönlich alle aus ihrer Traumwelt und drückte | |
| allen Fotos, die da gerade von dem historischen Augenblick geknipst wurden, | |
| seinen „Made in Katar“-Stempel auf. Er hängte Messi das schwarze arabische | |
| Übergewand „Bischt“ um, das traditionell zu besonderen Anlässen getragen | |
| wird, und reklamierte den Moment somit auch für sich. | |
| Stimmt, da war doch was, haben sich gewiss nicht wenige Menschen da | |
| gedacht. Zu gern hätten sie wenigstens jetzt vergessen, dass dieses Turnier | |
| auch politischen Interessen diente. So betrachtet, war dieser Akt der | |
| Ernüchterung aus Perspektive des Emirs höchst ungeschickt. Hätte er doch | |
| lieber still genossen. Ungebrochen schöne Erinnerungen von diesem großen | |
| Finale wären zumindest zurückgeblieben. | |
| ## Staatenlenker auf dem Rasen | |
| Dieses missglückte Abschlussbild dieser Weltmeisterschaft steht freilich | |
| nicht für sich allein. In der Empörung über die Schändung des | |
| argentinischen Erfolgs geht ganz unter, dass auch der französische | |
| Staatspräsident Emmanuel Macron wusste, wie er möglichst viel vom Glanz | |
| dieses Abends abbekommen konnte. Kurz nach dem Abpfiff tröstete er vor | |
| allem Ausnahmespieler Kylian Mbappé, der sich an diesem Abend gewiss die | |
| wenigsten Vorwürfe machen konnte. Bei den großen WM-Sternstunden haben es | |
| die Staatenlenker mittlerweile von der Tribüne über die Kabine auch auf den | |
| Rasen geschafft, um sich in Szene zu setzen. Fifa-Chef Gianni Infantino | |
| darf dafür zum G20-Gipfel. | |
| Missglückt war ebenso das Bild, mit dem [3][das deutsche Team zu Beginn der | |
| Weltmeisterschaft ein Zeichen setzen wollte]. Mit der vorgehaltenen Hand | |
| vor dem Mund protestierten sie beim Teamfoto dagegen, dass die Fifa ihren | |
| Protest nicht erlaubt hatte. Das eigentliche Thema, die Diversität, zu der | |
| man sich auch nicht mit der klassischen Regenbogenbinde bekennen wollte, | |
| geriet in den Hintergrund. | |
| Was der Sieg eines marokkanischen Fußballteams über Spanien oder Portugal | |
| mit der Lösung der Palästinafrage zu tun hat, erschloss sich beim Jubel der | |
| nordafrikanischen Fußballer mit der palästinensischen Flagge vielen nicht. | |
| All dies waren Bekenntnisse, die nach außen spaltend wirkten. Die Magie des | |
| Fußballs schien all das am Sonntag im entscheidenden Moment wie immer | |
| überdecken zu können. Zu einer Romantisierung des Fußballs taugt dieses | |
| Turnier allerdings nicht mehr. Sogar am Ende dieses außergewöhnlichen | |
| Finales steht dieses Bild mit Messi und dem unvergesslichen Stempel drauf: | |
| Made in Katar. | |
| 19 Dec 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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