# taz.de -- Kurzgeschichten von Dantiel W. Moniz: Die Monstermädchen | |
> Nähe, Fremdheit, Liebe und Verachtung: In den Kurzgeschichten von Dantiel | |
> W. Moniz sind Gefühle kompliziert. Rassismus zeigt sich beiläufig. | |
Bild: Liebe ist bei der Autorin Dantiel W. Moniz eine Kraft mit vielen Gesichte… | |
Monster und Mädchen. Mit Kontrasten zieht Dantiel W. Moniz die Lesenden in | |
ihre Titelgeschichte „Milch Blut Hitze“ hinein, die ihr Debüt eröffnet. | |
Darin fühlen sich Kiera und Ava, zwei 13-Jährige, manchmal genau so: wie | |
„Monstermädchen“. | |
Es sei ihre Absicht gewesen, so die 1989 in Florida geborene Autorin in | |
einem Interview, dass die Leute gleich wüssten, was sie erwarte in den elf | |
Geschichten, in denen sie von meist weiblichen Figuren erzählt, oft | |
[1][People of Color] wie sie selbst. Und die titelgebende Erzählung ist | |
gleich schon einmal von einer bestürzenden und berührenden Intensität. | |
Wiederkehrende Themen und Motive verdichten sich hier, sie ist ein guter | |
Wegweiser. | |
„Rosa ist die Farbe für Mädchen“, sagt Kiera zu Beginn, doch führt dieses | |
Rosa nicht ins plüschige Prinzessinnenzimmer, sondern vereint den | |
scheinbaren Gegensatz von Blut und Milch. Diese färbt sich rosa, als beide | |
ihr Blut hineintropfen lassen, um sie anschließend zu trinken: | |
„,Blutsschwestern', murmelt Ava und fühlt sich, als sei die Zeit dehnbar | |
geworden – noch so ein Gefühl, das sie nicht erklären kann. | |
Sie stellt sich vor, wie Kieras Blut von ihrem Körper aufgenommen wird und | |
die Haut des Dünndarms durchdringt, wie sie es sich einverleibt, bis es | |
keinen Unterschied mehr gibt zwischen ihrem eigenen und dem Blut der | |
Freundin.“ Unter der Haut sind Ava und ihre weiße Freundin Kiera nun | |
gleich. | |
## Verstörende Fremdheit | |
Moniz erzählt aus Avas Perspektive von der beide Mädchen verstörenden neuen | |
Fremdheit sich selbst, dem eigenen Körper und der Welt gegenüber. Momente | |
kraftvoller Energie und der Zerbrechlichkeit liegen auf schwindelerregende | |
Weise dicht beieinander in dieser besonderen Mädchenzeit, in dieser | |
Verbundenheit. | |
Moniz behandelt diese Erfahrungen literarisch mit größter Wertschätzung, | |
macht daraus feinfühlige, großartige Literatur; findet dafür ungewöhnliche, | |
oft körperbezogene Bilder, wie das der Einverleibung der anderen über deren | |
Blut. Beider Unruhe und unbestimmte Traurigkeit beschreibt sie als ein | |
„Heulen“, das nie verstummt, doch sich beruhigt „zu einem Schnurren, das | |
hinter ihren Rippen und in der Haut zwischen ihren Fingern zu Hause ist“. | |
Die zerreißende Ambivalenz von Mutter-Tochter-Beziehungen gerade in dieser | |
Zeit, vereinfacht Pubertät genannt, ist ein weiteres Thema der Autorin, das | |
sich aus ersterem ergibt. Ava möchte „das warme, braune Gesicht ihrer | |
Mutter küssen. Es ohrfeigen, bis ihr die Hände wehtun.“ | |
In „Die Herzen unserer Feinde“ fragt sich die Mutter einer 17-Jährigen, ob | |
„diese nahezu universelle Verachtung, die etliche Töchter ihren Müttern | |
gegenüber zu entwickeln scheinen, vielleicht sogar notwendig ist, damit sie | |
sie später einmal schätzen können – ob Liebe ohne Verachtung nicht möglich | |
ist.“ | |
## Lebensschicksale | |
Liebe – nicht nur die zwischen Töchtern und Müttern – ist bei Moniz eine | |
Kraft mit vielen Gesichtern. Die Ich-Erzählerin in „Festmahl“ hasst ihren | |
Mann geradezu dafür, dass er scheinbar weniger als sie unter dem Verlust | |
des Kindes nach einer Fehlgeburt leidet. Fred in „Den Himmel verloren“ | |
empfindet angesichts der körperlichen Veränderungen seiner krebskranken | |
Frau Momente von Ekel, doch gleichzeitig sehen die Lesenden einem in sich | |
zusammenfallenden Mann zu, der unfähig ist, seiner Liebe und Angst Ausdruck | |
zu verleihen. | |
Die Kommunikation scheitert oft bei Moniz, obwohl die Menschen viel | |
voneinander wollen, viel übereinander nachdenken. Den Erzählungen wohnt | |
eine Bewegung des Abwehrens, Ausweichens inne, die unerwartet gebrochen | |
wird von einem Moment der Begegnung, in dem sich der Blick aufeinander | |
verrückt. Das gelingt nicht im Sprechen, sondern über Berührungen, eine | |
Geste – in dieser Körperlichkeit fallen flüchtige Zartheit und stärkende | |
Intensität ineinander. | |
Eine Spannung, die in vielerlei Variationen Moniz’ Erzählen prägt und ihren | |
Figuren Tiefe und schillernde Lebendigkeit verleiht. So persönlich deren | |
Erfahrungen sind, so verweist die Autorin immer auch auf die | |
gesellschaftlichen Bedingtheiten: Rassismus offenbart sich beiläufig, in | |
einem Satz, einer präzisen Beobachtung. Patriarchale Verhältnisse, soziale | |
Herkunft werden miterzählt, ohne im Vordergrund zu stehen. | |
## Milch und Blut | |
Milch und Blut – die Schriftstellerin Dantiel W. Moniz greift diese Worte, | |
diese Motive immer wieder auf, verknüpft sie als elementare im Sinne von | |
Näherung, Leben (oder dessen Negierung oder Verlust), Möglichkeit von | |
Mutterschaft (die sie hinterfragt), Verbindung (etwa der gemeinsame | |
„Blutkreislauf“ der Mädchen). Es ist eine eigensinnige, | |
gegenwartsgesättigte literarische Gestaltung dieser alten Motive, mit der | |
Moniz in diesen Geschichten auf heutige Frauen schaut, ohne sie damit | |
irgendwie festzuschreiben. | |
In der Titelgeschichte, die viele dieser Momente verbindet, wird es zu | |
einer Tragödie kommen. Wie kann eine Teenagerin eine fremde Mutter trösten, | |
die untröstbar ist? Dantiel W. Moniz erschafft in dieser literarisch so | |
heiklen Szene ein vibrierendes Bild von eben jener sinnlichen, körperlichen | |
Intensität, die die Zerbrechlichkeit ihrer Figuren spürbar macht. | |
25 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Carola Ebeling | |
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