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# taz.de -- Wahlbeteiligung in NRW ist Negativrekord: Nur 55,5 Prozent haben ge…
> So viele haben bei einer Landtagswahl in NRW noch nie ihre Stimme
> verfallen lassen. Den größten Anteil an die Nichtwähler*innen verlor
> die AfD.
Bild: Konnten nicht alle zur Wahlurne ziehen: Die SpitzenkandidatInnen im TV-St…
Berlin taz | Morgens sah es nach ersten Berichten noch so aus, als ob mehr
Menschen zur Wahl am Sonntag in Nordrhein-Westfalen gehen als noch 2017.
Aber vielleicht wollten sie dieses Mal nur schnell ihre Stimme abgeben und
dann die warme Sonne genießen. Vor fünf Jahren war das Wetter in NRW
weniger verlockend, mit Schauern und Gewittern. 65,2 Prozent der
Wahlberechtigten wählten damals. Deutlich mehr als in diesem Jahr: Etwa
55,5 Prozent der Berechtigten gaben ihre Stimme ab – so wenige wie nie
zuvor.
Etwas mehr als 5,8 Millionen Menschen wählten hingegen nicht. Dabei hatten
rund 21 Prozent dieser Nichtwähler*innen bei der vorherigen Wahl noch
für eine Partei gestimmt, laut Angaben von Infratest und ARD. Einfache
Begründungen wie das Wetter genügen aber nicht, um zu erklären, wieso sie
sich dieses Mal anders entschieden haben. Dafür gibt es verschiedene
Ansätze. Sowohl die Programme als auch die Umstände haben sich schließlich
geändert. Wähler*innenwanderungen gab es auch bei den Parteien.
Zum Beispiel bei der FDP: Dort wanderten nach den bisherigen Zahlen mit
300.000 [1][Wähler*innen mehr zur CDU ab], als erneut FDP wählten; das
waren nämlich 240.000. Die Konservativen verlor hingegen mit 160.000
Stimmen an [2][die Grünen so viele] wie an keine andere Partei. Von der SPD
wanderten aber noch mehr Wähler*innen zu den Grünen: 310.000. Von deren
Wähler*innen wandten sich lediglich 50.000 Wähler*innen der SPD und
20.000 der CDU zu. Auch an die Nichtwähler*innen verloren die Grünen
weniger Stimmen als ihre Mitbewerberinnen.
## Große Unterschiede in den Wahlkreisen
Während sich von denen, die 2017 [3][die Grünen wählten], dieses Jahr
40.000 dagegen entschieden, ihre Stimme abzugeben, waren es bei der AfD
180.000. Das entspricht etwa jede*r fünften AfD-Wähler*in von 2017. Ein
größerer Anteil ging von keiner anderen Partei an die Nichtwähler*innen.
Die absolut meisten Stimmen dahin verlor aber [4][die SPD] mit 390.000
Wähler*innen.
Das erkläre auch maßgeblich die Stimmenverluste der SPD, sagt Julia
Schwanholz von der Universität Duisburg-Essen der taz. Die Gründe für die
niedrige Wahlbeteiligung halte sie nicht für eindeutig. Das könne „aber an
der schweren Unterscheidbarkeit der Anliegen der Parteien liegen und daran,
dass weniger Polarisierung stattgefunden hat“.
Schwanholz plädiert dafür, dass sich die Parteien besser an ihre
Zielgruppen richten und bemühen sollten, „ihre Anliegen auch jenseits von
Wahlterminen besser und intensiver zu erklären.“ Langfristig müsse es auch
darum gehen, den Menschen die Demokratie generell näher zu bringen. Nur wer
verstehe, worum es geht, sei gewillt, sich zu beteiligen, betont
Schwanholz. Die deutsche Demokratie sei Komplex. Um die Wahlbeteiligung zu
erhöhen, müsse man daher mit „niederschwelligen Angeboten reagieren. Das
ist aber ein langfristiger Prozess.“
Was die Wahlbeteiligung angeht, zeigen sich jedoch große Unterschiede
zwischen den 128 Wahlkreisen. Während im Kreis Köln II 68,8 Prozent
wählten, waren es in Duisburg III lediglich 38,1 Prozent. In 17 Kreisen lag
die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent.
Stefan Haußner von der Universität Duisburg-Essen hat in den vergangenen
Jahren zu Nichtwähler*innen geforscht und dabei auch Wahlkreise in
Nordrhein-Westfalen untersucht. Warum die Wahlbeteiligung in diesem Jahr
insgesamt niedrig war, kann er nicht erklären. Aber er hat eine These,
weshalb sich die Wahlkreise unterscheiden: eine „schwierige soziale
Situation“ in einem Kreis wirkt sich negativ auf die Wahlbeteiligung aus.
„Für die jetzige Wahl müsste das natürlich erst untersucht werden“, sagt
er, aber auf den ersten Blick bestätige sich das.
Da sich eine schwierige soziale Situation aber nicht einfach messen lasse,
brauche es dafür stellvertretende Werte. Für seine Untersuchungen greift
Haußner dabei auf die [5][Quote der Arbeitslosigkeit] zurück. Die sei ein
guter Indikator für andere Aspekte, die ansonsten nur schwer erheben sind,
wie die Anzahl der sozialen Kontakte oder wie häufig Menschen mit anderen
über Politik sprechen.
Bei seinen Untersuchungen habe sich gezeigt: Je höher die Arbeitslosigkeit,
desto niedriger die Wahlbeteiligung. Ihn habe es daher nicht überrascht,
dass das südwestliche Köln ganz oben und ein Wahlkreis in Duisburg ganz
unten bei der Wahlbeteiligung stehe. „Duisburg steht zuverlässig niedrig“,
stellt er trocken fest. Selbst bei der Bundestagswahl 2021 war ein
Wahlkreis in Köln auf dem zweiten Platz der Wahlbeteiligung, während aus
Duisburg den untersten Platz belegte.
Die gesamte Wahlbeteiligung von 55,5 Prozent in NRW ist aber nicht der
niedrigste Wert bei einer Landtagswahl in ganz Deutschland. Den
bundesweiten Negativrekord hält bisher Sachsen-Anhalt: 2006 nahmen nur 44,4
Prozent der Berechtigten an der Landtagswahl dort teil. Zweimal gab es
hingegen schon ebenfalls eine Wahlbeteiligung von 55,5 Prozent: 2003 im
Saarland und 2011 in Bremen.
16 May 2022
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## AUTOREN
David Muschenich
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