# taz.de -- A-ha-Musiker über Klimaschutz: „Ich bin kein Heiliger“ | |
> Magne Furuholmen gehört zur Popband A-ha. Er ist auch bildender Künstler | |
> und Landwirt. Ein Gespräch über den Klimawandel, die Musik und seine | |
> Ziegen. | |
Bild: Hält seit neuestem Ziegen: A-ha-Musiker Magne Furuholmen | |
Ein fensterloser, überhitzter Raum Anfang Mai im Keller der ZAG Arena in | |
Hannover: Magne Furuholmens Garderobe. In einer Ecke steht ein Keyboard, | |
die Möbel und bizarren Deko-Elemente in Beige-Braun sind dieselben wie 2019 | |
in der Bremer Stadthalle. Dort hatte ich ihn für die Jungle World | |
interviewt; wäre das Gespräch auf Deutsch, würden wir uns jetzt duzen. | |
Magne ist gerade mit dem Auto aus Prag gekommen, [1][wo A-ha] am Vorabend | |
gespielt hat, heute treten sie in Hannover auf, am nächsten Morgen geht es | |
nach Amsterdam. Auf seinem Telefon hat er ein Bild von Kira, seiner | |
schwarzen Schäferhündin. Mit Magne zu reden macht Spaß: Er ist schlagfertig | |
und hat ein breites Wissen. Sein Versuch, mich in eine Diskussion über die | |
Geburtsfehler der repräsentativen Demokratie zu verwickeln, scheitert an | |
meinen mangelhaften Englisch- und Geschichtskenntnissen. Und: Wir haben | |
Wichtigeres zu besprechen. | |
taz: Magne, wie geht es deinen Ziegen? | |
Meine Ziegen kommen gerade in ihrem neuen Zuhause an. Ich habe aber bisher | |
nur Bilder von ihnen gesehen, ein junges Paar kümmert sich für mich um sie. | |
Wie viele sind es? | |
Fünf, davon zwei Lämmer. Wir hoffen, dass es sieben werden in diesem Jahr. | |
Wir fangen ja ganz langsam an mit der Farm. Der erste Schritt sind die | |
Ziegen. Sie sorgen dafür, dass das Gelände nicht zuwächst. Es gibt keine | |
Zäune, deshalb tragen sie einen GPS-Kragen, mit dem wir den Bereich | |
festlegen, in dem sie fressen dürfen. Ziegen sind wahnsinnig schlau. Sie | |
haben gelernt, dass es erst ein lauter werdendes Geräusch gibt – | |
oooooOOOOOOH – und wenn sie dann weiter gehen, bekommen sie einen | |
Stromschlag. Aber sie haben auch gelernt, dass zwischen dem Ton und dem | |
Stromschlag zehn Sekunden liegen! Wenn sie etwas Gutes außerhalb ihres | |
Bereich sehen, rennen sie los, stopfen sich das Maul voll und rennen | |
zurück. | |
Die Farm liegt auf den Lofoten. | |
Ja. Sie hat 700 Hektar – davon sind nur 7 voll bewirtschaftbar. Zum Glück | |
ist noch Scheiße im Boden von Tieren, die früher dort gelebt haben! Daraus | |
können wir Tee zum Düngen machen. | |
Tee aus Scheiße? | |
Ein Kosewort für einen natürlichen Dünger. Konzentrierter Dung zerstört die | |
empfindlicheren Samen. Wenn man ihn verdünnt und aufbrüht, bekommst du eine | |
größere Pflanzenvarietät. Ich klinge wie ein Experte, aber ich fange | |
gerade erst an zu lernen. Ich kann dir eine Menge Bücher über | |
landwirtschaftliche Praxis leihen – auch über Bienenhaltung! | |
Du hast dir in der Pandemie einen Bauernhof zugelegt, so wie andere | |
angefangen haben, Brot zu backen? | |
Wahrscheinlich ist die Pandemie schuld, weil ich in dieser Zeit angefangen | |
habe, Bücher über [2][regeneratives Farming] zu lesen. Es ist typisch für | |
mich, ganz in etwas aufzugehen, wenn mein Interesse geweckt ist. | |
Bitte erkläre regeneratives Farming. Kurz. | |
Die Hauptidee ist, dass es erstens immer eine grüne Decke gibt, die den | |
Boden darunter schützt, und zweitens eine große Biodiversität, bei den | |
Pflanzen angefangen. Die hält den Boden gesund. | |
Wie kommst du darauf, über so etwas zu lesen? | |
Das kann ich dir nicht genau erklären. Das war wohl eine Art mentale Flucht | |
in der Lockdown-Situation. Aber vielleicht wollte ich mich auch mit etwas | |
verbinden, was ich von früher kenne. Mein Großvater hatte in Oslo einen | |
kleinen Bauernhof, wo ich eine Zeit gelebt habe mit meiner Mutter. Als | |
Kinder haben wir Kartoffeln geerntet, es gab manchmal Schweine und Schafe. | |
Ich glaube, mir gefällt es, daran anzuknüpfen und meine Familie mit der | |
Herstellung von Lebensmitteln zu verbinden. Ich bin kein Landwirt und werde | |
wohl nie einer werden, aber ich mag es, etwas Neues zu beginnen. Dinge | |
wachsen zu lassen und Systeme zu schaffen, an die ich glaube. | |
Eigentlich bist du Musiker und bildender Künstler. | |
Ich habe angefangen, meine Kunstproduktion infrage zu stellen. Wenn ich | |
Musik mache, ist das anders, sie ist immateriell, da richte ich nicht viel | |
Schaden am Planeten an. Aber wenn ich eine große Stahl- oder | |
[3][Tonskulptur mache], muss ich mich fragen, ob es in Ordnung ist, das | |
einfach so für mich zu machen. | |
Und warum die Lofoten? | |
Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mal einen Bauernhof nördlich des | |
Polarkreises kaufen würde. Ich war dort Ski fahren mit einem guten Freund, | |
der mich sehr inspiriert hat. Er kommt aus dem Finanzwesen und hatte vor | |
zehn Jahren einen kompletten Zusammenbruch, als ihm klar wurde, dass er | |
Teil des Problems ist und nicht Teil der Lösung. Er hat in Norwegen den | |
ersten Planet Positive Investment Fund gegründet, wo nur Geld investiert | |
wird, wenn es der Gesellschaft dient. Als wir zuammen da waren, habe ich | |
mich in die Natur verliebt – und mir gefiel die Idee, dort ein sinnvolles | |
Leben aufzubauen für mich und meine Familie. Vor allem, wenn ich daran | |
denke, dass ich vielleicht bald Enkelkinder haben werde. | |
Du hast dann noch ein Haus mehr … | |
Ich habe noch ein Ferienhaus in Südfrankreich und eins in den Bergen. Aber | |
sie gehören mir nicht alleine, ich teile alles mit Freunden und Familie. | |
Willst du auf die Lofoten ziehen? | |
Nein, das ist erst mal nicht geplant. Aber wer weiß, wenn der Klimawandel | |
aus Europa eine Wüste gemacht hat, wollen wir vielleicht alle dorthin. | |
Der Klimawandel treibt dich sehr um. | |
Jemand hat gesagt, dass meine Generation die erste ist, der komplett klar | |
ist, dass wir auf Kollisionskurs mit der Natur sind, und die letzte, die in | |
der Lage wäre, etwas dagegen zu tun. Und wir tun zu wenig. | |
Aber dann verstehe ich nicht, dass ihr weiter diese großen Tourneen macht | |
wie jetzt, vor durchschnittlich 10.000 Zuschauer:innen. [4][Nach einer | |
britischen Studie] emittiert so ein Konzert durchschnittlich 10 Tonnen CO2. | |
Die britische Band Coldplay [5][hat sich 2019 deshalb aus dem Tourgeschäft] | |
zurückgezogen. Jetzt touren sie wieder, weil die Konzerte klimafreundlicher | |
sein sollen. Ihr seid ja befreundet. Hast du mit ihnen gesprochen? | |
Ja, habe ich. Ich glaube, sie machen eine Reihe guter Sachen, aber unterm | |
Strich bleiben Konzerte dieser Größenordnung klimaschädlich – und Coldplay | |
bespielt Stadien und tourt mit 240 Leuten. Bei uns sind es 20. Das Problem | |
ist, sobald du die Ambition hast, etwas zu verändern und ein gutes Beispiel | |
zu setzen, wirst du dafür kritisiert, wenn du es nicht perfekt machst. | |
Dennoch bleibt es wichtig, es zu versuchen. | |
Was macht denn A-ha, um mit Konzerten weniger Schaden zu verursachen? | |
Aus klimapolitischer Perspektive bin ich kein Heiliger, weder beruflich | |
noch privat. Wir könnten auf unseren Touren einiges verbessern, vor allem | |
beim Transport. | |
Ein Drittel der Emissionen wird laut Studie durch den Transport des | |
Publikums verursacht – und einige eurer Fans reisen euch über Kontinente | |
hinterher. | |
Aber wir können ihnen doch nicht sagen, sie sollen damit aufhören! Für mich | |
sind diese Touren ambivalent, weil wir auf der anderen Seite Glück in das | |
Leben von Menschen bringen. | |
Als Landwirt wirst du es weniger ambivalent haben. | |
Nein, Landwirtschaft ist ein komplexes System. Selbst Bio schafft Probleme. | |
Zum Beispiel gibt es auf den Lofoten sehr viele Fischfarmen im Meer, aber | |
auch die ökologisch wirtschaftenden produzieren durch Futter und Fäkalien | |
zu viele konzentrierte Nitrate. Deshalb überlege ich, ob wir diese auf | |
unsere Farm pumpen und sinnvoll nutzen können. Ein anderes Problem ist die | |
kanadische Sitka-Fichte, die überall auf den Lofoten wächst. Sie ist mal | |
als Windschutz angepflanzt worden, mit dem Klimawandel breitet sie sich | |
jetzt rasant aus und vernichtet die lokale Flora. Aber ausgerechnet diese | |
Fichte ist in der Lage, sehr viel CO2 aufzunehmen! | |
Und was macht ihr jetzt? | |
Wir nehmen nur einen Teil der Fichten heraus und verwenden das Holz, | |
vielleicht für Schutzhütten für Wanderer. Wir haben auch viele Steine dort, | |
mit denen wir bauen können, und Plastikmüll aus dem Meer, der von einer | |
lokalen Firma verarbeitet wird. Ich dachte, wir könnten aus alten | |
Fischernetzen Pavillons machen. Es gibt Firmen, die vor allem in Afrika | |
bezahlbare Häuser mit 3-D-Technik aus Erde fertigen – das ginge auch auf | |
den Lofoten. | |
Jetzt klingst du richtig begeistert. Ist das der Bildhauer in dir, der mit | |
Material arbeitet? | |
Nein, ich interessiere mich auch für technische Lösungen, etwa wenn es um | |
klimaneutralen Transport geht. Mich reizen Herausforderungen, Möglichkeiten | |
zu finden. Letztlich haben mich 40 Jahre mit A-ha für diese eine Sache | |
qualifiziert: Ich habe Erfahrung in hochkomplexer Diplomatie! Wenn alle | |
sagen, nein, das mach ich nicht und das auch nicht, sage ich: Okay, wie | |
wäre es mit dieser dritten Option? Auch nicht? Dann diese vierte? | |
Für dich ist die Farm eine Herausforderung, für andere ihre | |
Existenzgrundlage. | |
Ja, mir ist immer bewusst, in welch komfortabler Situation ich mich | |
befinde, das war auch während der Pandemie so. Wir saßen nicht | |
zusammengepfercht in einem kleinen Zimmer, sondern sind auf unsere | |
Berghütte gezogen und waren draußen in der Natur. Die Farm mache ich aber | |
nicht einfach nur für mich zum Spaß. Ich hoffe, damit Veränderungsprozesse | |
anzustoßen und Alternativen zu zeigen für die, die anders als ich davon | |
leben müssen und dort unter harten Bedingungen arbeiten, mit sehr kalten | |
Wintern. Und wenn mich das irgendwann kein Geld mehr kostet, bin ich | |
zufrieden. | |
Du hattest gerade eure Band-Probleme angesprochen, [6][ein neuer Film über | |
eure Geschichte] zeigt diese sehr eindrücklich. Ihr könnt zwar gut zusammen | |
auf der Bühne Musik machen, aber seid nicht in der Lage, gemeinsam an neuen | |
Songs zu arbeiten. Deshalb ist das für Herbst angekündigte Album als | |
Live-Aufnahme eingespielt worden. | |
So konnten wir ein Album organisieren, ohne uns treffen zu müssen. Paul und | |
ich haben je die Hälfte der Songs beigesteuert und den anderen gesagt, was | |
sie spielen sollen. | |
Ihr hättet es auch ganz lassen können, ihr habt alle Solo-Alben | |
aufgenommen. | |
Stimmt. Aber wir hatten 2017 ein [7][MTV-Unplugged-Album] gemacht, | |
ebenfalls live, mit Gastmusiker:innen. Das war die beste Zusammenarbeit | |
seit sehr langer Zeit. Und ich dachte, dass es inhaltlich etwas ist, auf | |
das wir uns gut einigen können. Wir haben [8][bei unserem letzten | |
Interview] darüber gesprochen, dass wir nie Protestsongs geschrieben haben, | |
weil wir politisch zu weit voneinander entfernt sind. Paul und ich sind | |
eher links und Morten eher konservativ, aber wir haben schon in den 80er | |
Jahren Umweltschutzprojekte unterstützt. | |
Morten und du habt 1987 das erste für den Straßenverkehr zugelassene E-Auto | |
in Norwegen gekauft und es an eine Umweltschutz-NGO übergeben. | |
Ich hatte in den letzten Jahren zunehmend das Gefühl, mich stärker für den | |
Klimaschutz einsetzen zu müssen, nicht nur hinter den Kulissen als | |
Geldgeber, sondern auch öffentlich. Und ich habe gedacht, dass Klimaschutz, | |
Biodiversität und die Sorge um die Zukunft unseres Planeten etwas ist, was | |
uns alle bei A-ha umtreibt. Ich dachte: Lasst uns die einzigartige Natur | |
Norwegens nutzen, um auf die Dringlichkeit hinzuweisen, wie viel auf dem | |
Spiel steht. Immerhin hat sie uns als Künstler sehr beeinflusst. An unserer | |
Musik kann man gut erkennen, wie sehr sie damit verbunden ist, dass wir in | |
einer dramatischen Landschaft aufgewachsen sind und zum Teil ja auch oder | |
wieder in ihr leben. Auch in unseren Texten finden sich zig Referenzen. | |
Das Album heißt „True North“, es wurde in Bodø aufgenommen, einem Küsten… | |
nahe den Lofoten. Du hast gesagt, es soll auf die Schönheit und | |
Verletzlichkeit der Natur in Nordnorwegen hinweisen. | |
Auf die Idee gekommen bin ich, weil ich in der Pandemie ziemlich viel Zeit | |
am und auf dem Meer verbracht habe. Auch die meisten Songs sind dort | |
entstanden. Und ich bin an einem großen Projekt in Norwegen beteiligt, | |
[9][einem Forschungsschiff für Ozeanografie]. Auf dem Schiff werden auch | |
Künstler:innen arbeiten, das liegt in meiner Verantwortung. | |
Konntet ihr euch mit A-ha einigen? | |
Ich denke, im Kern schon. Wir drei haben ja tief in uns alle diese | |
Sehnsucht nach Verbindung … | |
Aber? | |
Aber neulich wurde Paul sehr wütend auf mich, weil es in seinen Songs nicht | |
um den Klimawandel gehen soll. Das hat mich überrascht, weil sie für mich | |
danach klingen, aber ich akzeptiere es so, wie er es sagt. Ich muss jetzt | |
nur aufpassen, wie ich es auf der Bühne bei den Ansagen der Songs | |
formuliere. | |
War es seltsam, nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause wieder auf der | |
Bühne zu stehen? | |
Ja, klar, die Pandemie färbt alles, und wir scheinen soziale Zusammenkünfte | |
erst wieder lernen zu müssen. Wir dürfen backstage keinen Besuch mehr | |
bekommen aus Versicherungsgründen. Das finde ich sehr schade, weil das | |
Socialising immer für mich eins der schönsten Dinge an den Tourneen war. | |
Als wir vor zweieinhalb Jahren sprachen, schien Trump das größte Problem zu | |
sein. Der ist weg, aber jetzt hat Russland die Ukraine überfallen. | |
Und Trump droht ja wiederzukommen … Wir haben unsere Tournee vier Wochen | |
nach Kriegsausbruch wieder aufgenommen, das erste Konzert war in Buenos | |
Aires. Es fühlte sich falsch an, so weit weg zu gehen von meiner Familie | |
und den Diskussionen über den Krieg. Es kam mir absurd vor, in einer | |
solchen Situation die Musik zu feiern. Und dann gab es diesen Moment, da | |
wurden in den Nachrichten drei Leute gezeigt, die [10][in einem | |
Schutzkeller in Charkiw „Take On Me“] spielten, um die Stimmung | |
aufzuhellen. Seitdem versuche ich die Band davon zu überzeugen, dass wir | |
ukrainische Musiker:innen unterstützen, sobald der Krieg zu Ende ist, | |
vielleicht mit Proberäumen. Ich habe das Gefühl, dass wir ihnen das | |
schuldig sind. | |
21 May 2022 | |
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