| # taz.de -- Wohltätigkeit mit Ausblick: Hamburg von ganz oben | |
| > Ein Sonntagnachmittag in der Hamburger „Skybar 20up“ kann helfen, die | |
| > Hansestadt besser zu verstehen. | |
| Bild: Gute Getränke erhöhen die Großzügigkeit. Abends aber gilt Dresscode i… | |
| Hamburg taz | Das gleich beim Reinkommen gereichte Eiswasser schmeckt nach | |
| … Melone? Jedenfalls ist es nicht von [1][Viva con Agua], das klärt eine | |
| Nachfrage am kleinen Infotisch, den die (Ab-)Wasser-Hilfsorganisation | |
| aufgestellt hat an diesem Sonntagnachmittag in einem der höchsten Häuser | |
| Hamburgs, ganz oben im Empire Riverside Hotel, in der Skyline Bar 20up: ein | |
| L-förmiger Raum, sieben Meter Deckenhöhe, aber vor allem: den ebenso | |
| dimensionierten Panoramafenstern mit kaum schlagbarem Ausblick über den | |
| Hafen, die Elbe, die Stadt. | |
| ## Das hohe Haus | |
| Wenn man sie nach einem Symbol fragt für … na, vielleicht nicht gleich | |
| alles Schlechte, aber doch für vieles von dem, was falsch läuft, dann | |
| würden manche Menschen in Hamburg einfach nur auf dieses metallen | |
| schimmernde Hochhaus zeigen. Mitten im Stadtteil St. Pauli wurde 2007 das | |
| Hotel eröffnet, da, wo 140 Jahre lang das Astra-Pils gebraut wurde: deshalb | |
| das kupferne Äußere des bis zu 75 Meter hohen Turms – Kupfer, so wie einst | |
| die Sudpfannen der Bavaria-St. Pauli-Brauerei. | |
| Für den ambitionierten Entwurf erhielt die verantwortliche Firma David | |
| Chipperfield Architects seinerzeit zwei einschlägige Preise, aber es sind | |
| auch nicht so sehr Architekturgeschmacksfragen, an die der Neubau damals | |
| rührte. Ein [2][Symbol für den falschen Wandel im Stadtteil] – und nicht | |
| nur dort – ist die gehobene Herberge in vielen Augen, die in Hamburgs | |
| Hotellandschaft allerdings bei Weitem nicht zu den teuersten oder | |
| exklusivsten zählt. Aber gehört so etwas in einen der traditionell ärmsten | |
| Stadtteile Europas? | |
| Alle Zutaten der damaligen Diskussionen sind heute noch da, und manche sind | |
| eher brisanter geworden in Zeiten von Mietenanstieg und Immobilienblase. | |
| Armut gibt es immer noch auf St. Pauli, aber es ist andererseits eine neue | |
| Mittelschicht dort hingezogen. So [3][manche in den 2000er-Jahren noch kaum | |
| vorstellbare Veränderung] hat das Viertel überstanden, gleich daneben | |
| scheint die Zeit dann wieder stillgestanden zu sein, ist der Kiez immer | |
| noch schmuddelig auf eine Weise, die nicht restlos aufgeht in angenehm | |
| gruseliger Tourist*innenbespaßung. | |
| ## Die gute Sache | |
| Die Armut, aber auch ein bestimmter, eher nicht so exklusiver Typ | |
| Städtereisender, sie sind weit weg, sitzt man hier oben im 20. Stock. Der | |
| abends hier im 20up geltende Dresscode („sportlich elegant“) ist gelockert, | |
| Getränke und Häppchen gehen heute aufs Haus. Es ist der Auftakt einer neuen | |
| Konzertreihe, für den sich das Hotel und die Hilfsorganisation | |
| zusammengetan haben: Viva-con-Agua-Spendendosen stehen auf einigen Tischen, | |
| ein QR-Code hängt aus, der es noch leichter macht, sich großzügig zu | |
| zeigen. | |
| Auch den Kulturschaffenden will man helfen, die von Corona doch so hart | |
| getroffen worden seien, fast wie die Hotelbranche selbst: Bei freiem | |
| Eintritt, Reservierung erbeten, spielen die Hamburgerin [4][Anna Wydra] und | |
| [5][Mina Richman] aus Bielefeld mit ihren Bands; schöne, vielleicht ein | |
| wenig zu schöne Musik, die keinen Anstoß erregt im vollen Haus. Für | |
| kommende Konzerte können sich „regionale“ Musiker*innen bewerben, mit | |
| kurzem Anschreiben und, klar: „Hörproben als Soundcloud-, Spotify- oder | |
| YouTube-Link“. | |
| Da sitzt man also, einen bestens temperierten Weißwein vor sich oder ein | |
| alkoholfreies Alster, kann den Hafen sehen, den alten wirtschaftlichen | |
| Motor der Stadt; das Rotlichtviertel, das einst von den Seeleuten gelebt | |
| hat; da hinten: [6][die Elbphilharmonie], auf der anderen Seite des Flusses | |
| die Musical-Theater: Triebfedern für die neueren hanseatischen | |
| Geschäftsmodelle. [7][Das hier oben versammelte Hamburg] hat Geschmack, | |
| gibt aber auch gerne, es ist durchweg weiß, eine Mutter und ihre Tochter | |
| unterhalten sich über Driving Ranges und wie viele alte Porsche da unten | |
| vorbeikommen – und ob nicht „hier irgendwo“ dieser Park sein müsse, in d… | |
| [8][Straßenrapper Gzuz] „sein Video gedreht hat“. | |
| 22 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Viva-Con-Agua-baut-Hotel-in-Hamburg/!5781035 | |
| [2] /!420262/ | |
| [3] /100-Jahre-Denkmalschutzgesetz/!5744178 | |
| [4] https://www.annawydra.de/ | |
| [5] https://ladiesundladys.de/artists/mina-richman/ | |
| [6] /Fuenf-Jahre-Elbphilharmonie/!5824940 | |
| [7] /!5455598 | |
| [8] /Urteil-gegen-Gangsta-Rapper-erwartet/!5837919 | |
| ## AUTOREN | |
| Alexander Diehl | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Hamburg | |
| Gentrifizierung | |
| Tourismus | |
| Musik | |
| Wasser | |
| Wohltätigkeit | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Schellfischtunnel in Hamburg: Den Fisch aufs Gleis gesetzt | |
| Vor 30 Jahren wurde der Schellfischtunnel am Bahnhof Altona stillgelegt. | |
| Jetzt steht der einstige Fischtransportweg wieder für Besichtigungen offen. | |
| Die Hamburger Grindelhochhäuser: Juwel auf den zweiten Blick | |
| In bester Lage, mitten in der Stadt und komfortabel ausgestattet: | |
| Deutschlands älteste Wohnhochhausanlage steht in Hamburg-Harvestehude. | |
| Museum „Insel Hombroich“ in Neuss: Kunst im Fluss | |
| Das Museum „Insel Hombroich“ in Neuss wirkt wie ein Kopfhörer, der | |
| Störgeräusche reduziert. Hier verschmelzen Natur, Architektur und Kunst. | |
| NS-Gedenken in Hamburg: Kirchenbild tiefergelegt | |
| Nach über 80 Jahren wurde das deutschlandweit größte bekannte | |
| Nazi-„Kunstwerk“ umgedreht. Es steht nun auf der Rückseite einer Hamburger | |
| Kirche. | |
| Empowerment beim Möbelbauen: Respektvoll handwerken | |
| Besuch in der Berliner Schokowerkstatt, einer offenen Holz-Werkstatt. Die | |
| Tischler*innen wollen das cis-männerdominierte Handwerk umbauen. |